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BFH - Entscheidung vom 22.09.2015

I B 61/15

Normen:
§ 65 Abs 1 FGO
§ 65 Abs 2 FGO
§ 126 Abs 4 FGO
FGO § 65 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BFH/NV 2016, 414

BFH, Beschluss vom 22.09.2015 - Aktenzeichen I B 61/15

DRsp Nr. 2016/1445

Anforderungen an die Bezeichnung des Klagebegehrens bei Anfechtung von auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheiden

NV: Liegt aus Sicht des BFH ein Verfahrensmangel vor, erweist sich das Urteil des FG aber aus anderen Gründen als richtig, dann kann in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO die Zulassung der Revision versagt werden.

Klagt ein Steuerpflichtiger gegen Steuerbescheide mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen, so muss er zwecks Bezeichnung des Klagebegehrens zumindest substantiiert darlegen, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch angesetzt wurden. Die pauschale Rüge, die Schätzung sei zu hoch und entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen, reicht hierfür nicht aus.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 24. März 2015 1 K 1340/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

FGO § 65 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab keine Steuererklärungen ab, weshalb der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die Besteuerungsgrundlagen schätzte und entsprechende Bescheide erließ. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden nicht begründet.

Die fristgerecht erhobene Klage begründete die Klägerin damit, dass die Bescheide im Schätzungswege ergangen seien; sie seien überhöht und unzutreffend und entsprächen in keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen. Eine Aufforderung des Finanzgerichts (FG) des Saarlandes, gemäß § 65 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) den Gegenstand des Klagebegehrens binnen einer Ausschlussfrist zu bezeichnen, beantwortete die Klägerin im Wesentlichen dahingehend, dass den Bescheiden eine überhöhte Schätzung des Gewinns bzw. eine unzutreffende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zugrunde läge.

Auf den Gerichtsbescheid des FG, mit dem dieses die Klage als unzulässig abgewiesen hatte, stellte die Klägerin Antrag auf mündliche Verhandlung. Die Klägerin erschien in der mündlichen Verhandlung nicht; das FG wies mit dem angegriffenen Urteil die Klage mit der Begründung ab, dass der Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist nicht hinreichend bezeichnet worden sei. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht diverse Verfahrensmängel geltend.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Es kann dahinstehen, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler ordnungsgemäß i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt wurden und auch tatsächlich vorliegen. Das Prozessurteil des FG ist jedenfalls in der Sache richtig, weshalb der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung , 8. Aufl., § 115 Rz 98, m.w.N.) der Erfolg zu versagen ist.

1. a) Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Eine ausreichende Bezeichnung erfordert zumindest die substantiierte und schlüssige Darlegung, was der Kläger begehrt und worin er eine Rechtsverletzung sieht; dadurch soll das Gericht in die Lage versetzt werden, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ). Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmter Richter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO ). Dem Kläger kann für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung gesetzt werden, wenn es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse fehlt (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO ).

b) Wie weit ein Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts, der Steuerart und der Klageart.

Klagt ein Steuerpflichtiger gegen Steuerbescheide mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen, so muss er zwecks Bezeichnung des Klagebegehrens zumindest substantiiert darlegen, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch angesetzt wurden. Soweit wegen fehlender Unterlagen genaue Angaben nicht möglich sind, muss er anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen zumindest eine substantiierte Schätzung vornehmen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 31. Juli 2007 VIII B 41/05, BFH/NV 2007, 2304 ; vom 14. August 2013 III B 13/13, BFH/NV 2013, 1795 ; Senatsbeschlüsse vom 30. September 2014 I B 164/13, BFH/NV 2015, 216 ; vom 15. Januar 2015 I B 45/14, BFH/NV 2015, 696 ).

2. Diesen Anforderungen haben die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift vom 9. September 2014 und in dem innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist eingereichten Schriftsatz vom 12. Oktober 2014 nicht entsprochen. Über die pauschale Rüge, die Schätzung sei zu hoch und entspräche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, geht das Vorbringen nicht hinaus.

3. Da das Klagebegehren im Streitfall nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist bezeichnet wurde, im Hinblick auf die wirksam gesetzte und sodann versäumte Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (§ 65 Abs. 2 Satz 3 FGO ) und für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch sonst nichts spricht, war die Klage mit Fristablauf endgültig und unheilbar unzulässig geworden (BFH-Beschlüsse vom 23. September 1998 IV B 130/97, BFH/NV 1999, 486 ; vom 9. Februar 2006 VIII B 47/05, BFH/NV 2006, 1119 ). In Anbetracht dessen war im Streitfall zwingend durch Prozessurteil zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Saarland, vom 24.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 1340/14
Fundstellen
BFH/NV 2016, 414