Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 28.11.2014

B 14 AS 220/14 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1-2

BSG, Beschluss vom 28.11.2014 - Aktenzeichen B 14 AS 220/14 B

DRsp Nr. 2015/374

Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage Erhaltung der Rechtseinheit in ihrem Bestand

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird. 2. Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG prüfen zu können. 3. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. 4. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint; es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 13. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt A. L., M., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 -2;

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ( BSG ), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin zur Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt jeweils schon an der klaren Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage. Die Beschwerdebegründung nimmt vielmehr auf die "vom Thüringer Landessozialgericht vertretene Rechtsauffassung" Bezug, "wonach im System der § 45 und 48 SGB X ganz allgemein ein beliebiger Austausch der Rechtsgrundlagen stattfinden kann", die "in dieser weiten Anwendung soweit ersichtlich vom Bundessozialgericht noch nicht entschieden" worden sei; nach der Beschwerdebegründung "[w]eiterhin nicht entschieden hat das Bundessozialgericht die Frage, ob das Fehlen der Bestimmtheit im Überprüfungsverfahren gerügt werden kann"; schließlich "[n]icht entschieden wurde vom BSG die Frage, ob eine (monatsweise) Aufschlüsselung der Aufhebung im Rahmen der Aufhebungsentscheidung erforderlich ist". Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass die Beschwerdebegründung nur darlegt, was das BSG noch nicht entschieden hat, nicht aber, ob sich insoweit jeweils eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, und auch nicht, ob diese in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig wäre, denn nähere Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit enthält die Beschwerdebegründung nicht.

In der Beschwerdebegründung ist auch nicht hinreichend dargetan, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil in ihr nicht jeweils genau bezeichnete rechtliche Aussagen des LSG und des BSG gegenübergestellt werden. Die einleitende Formulierung, das LSG "weicht zudem mit der Entscheidung von mehreren Urteilen des Bundessozialgerichts ab, indem dort vorgenommen einschränkende Kriterien der Bestimmtheit nach § 33 SGB X in das Gegenteil verkehrt sogar in extensiver Erweiterung angewendet werden", wird weder durch eine genau bezeichnete entscheidungserhebliche rechtliche Aussage in der angefochtenen Entscheidung des LSG konkretisiert noch bezeichnet die Beschwerdebegründung, von welcher rechtlichen Aussage des BSG genau das LSG abweicht. Hierfür genügt der allgemeine Hinweis auf zwei Entscheidungen des BSG , in denen etwas klargestellt und konkretisiert worden sei, nicht. Ebenso wenig genügt der weitere Hinweis, es "weicht das LSG von der Entscheidung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 29.11.2012 Az.: B 14 AS 196/11 R ab", den Begründungsanforderungen an eine Abweichungsrüge. Denn auch dieser wird nicht durch eine genau bezeichnete entscheidungserhebliche rechtliche Aussage in der angefochtenen Entscheidung des LSG konkretisiert und es wird durch die Beschwerdebegründung nicht bezeichnet, von welcher rechtlichen Aussage in der genannten Entscheidung des BSG genau das LSG abweicht. Hierfür genügt es nicht nur auszuführen, dass "[n]ach dieser Entscheidung" die Behörde sämtliche Änderungsbescheide konkret mit dem Datum im Erstattungsbescheid nennen müsse, und erst recht nicht, dass dies der Beklagte vorliegend versäumt habe. Letztlich zeigt die Beschwerdebegründung insoweit nur auf, wie sie Entscheidungen des BSG versteht und dass das LSG anders entschieden hat, nicht aber, dass das LSG vom BSG aufgestellten Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.

Prozesskostenhilfe ist der Klägerin nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 13.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 9 AS 292/12
Vorinstanz: SG Nordhausen, - Vorinstanzaktenzeichen 33 AS 5783/09