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BSG - Entscheidung vom 20.11.2014

B 5 RS 7/14 B

BSG, Beschluss vom 20.11.2014 - Aktenzeichen B 5 RS 7/14 B

DRsp Nr. 2014/18489

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 4. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Urteil vom 4.2.2014 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Aufhebung der rückwirkenden Feststellung der Rechtswidrigkeit der zuvor festgestellten Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie auf Feststellung höherer Arbeitsentgelte aufgrund von Jahresendprämien im Überprüfungsverfahren verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Rechtsprechungsabweichung (Divergenz).

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam,

1. "ob § 1 Abs. 1 AAÜG erweiternd dahin auszulegen ist, dass die Einbeziehung in die fiktive Versorgung auch dann gegeben ist, wenn der Betreffende am 30.06.1990 in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet hat, der mit der Modernisierung von Altbausubstanz befasst und in das Wohnungsbauprogramm der Regierung der DDR einbezogen war",

2. "ob nur Massenproduktionsbetriebe den Anforderungen des § 1 Abs. 1 AAÜG genügen und ob nicht auch volkseigene Betriebe, die in das Wohnungsbauprogramm der Regierung der DDR einbezogen und mit der Schaffung modernisierter Wohnungen befasst waren, zu berücksichtigen sind",

3. "ob Baureparaturbetriebe wie der streitgegenständliche VEB B. W. -, die mit der Modernisierung und Rekonstruktion von Altbausubstanz befasst und auch an der Errichtung von Neubauten beteiligt waren und dabei insgesamt in das Wohnungsbauprogramm der Regierung der DDR einbezogen worden waren, in den Gesetzeskontext des § 1 Abs. 1 AAÜG mit einzubeziehen sind."

Mit diesen Fragen ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Bei den ersten beiden Fragen bleibt schon offen, welches konkrete Tatbestandsmerkmal von § 1 Abs 1 AAÜG ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. Die dritte Frage hat keine Breitenwirkung, weil sie nicht abstrakt gestellt ist, sondern sich allein auf die Verhältnisse des Klägers bezieht. Eine derart auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers zugeschnittene Frage, die deutlich durch den konkreten Fall geprägt ist, lässt sich nicht generell beantworten. Zusätzlich fehlt es an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Insofern hätte der Kläger aufzeigen müssen, welchen Sachverhalt das LSG für das BSG bindend festgestellt hat (§ 163 SGG ) und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die mit der Beschwerde angesprochene Problematik entschieden werden muss.

Schließlich ist auch zur Klärungsbedürftigkeit der benannten Rechtsfragen nicht hinreichend vorgetragen. Der Beschwerdeführer muss unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu diesem Problemkreis substantiiert vortragen, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es. Der Kläger versäumt es insbesondere aufzuzeigen, ob und inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung zu den angesprochenen Fragen bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet hat, dass sich die aufgeworfenen Fragen damit nicht beantworten lassen und inwiefern die bereits bestehenden Rechtsgrundsätze für die Entscheidung des Rechtsstreits erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen.

Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung ebenso wenig gerecht.

Der Kläger macht geltend, das Berufungsurteil weiche von den Entscheidungen des BSG (Urteile vom 19.07.2011 - B 5 RS 7/10 R und B 5 RS 1/11 R) ab. Dort werde von dem fordistischen Produktionsmodell abgerückt, dem hingegen das Sächsisches LSG in seinem Urteil nach wie vor folge (S 11).

Der Kläger versäumt es bereits, aus den Entscheidungen des BSG und dem angefochtenen Berufungsurteil tragende abstrakte Rechtssätze herauszuarbeiten und so einander gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird. Die Angabe, das BSG sei von dem "fordistischen Produktionsmodell" abgerückt, genügt dafür nicht. Zudem versäumt es die Beschwerdebegründung hinreichend darzulegen, dass das BSG in den herangezogenen Entscheidungen auf der Grundlage des darin angeblich aufgestellten Rechtssatzes eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, anders entschieden hat als das LSG im angegriffenen Urteil. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne Sätze aus den Entscheidungen des Berufungsgerichts und des BSG zu zitieren. Vielmehr ist der Kontext darzustellen, in dem die angeblich divergierenden Rechtssätze jeweils stehen (vgl hierzu zB Senatsbeschluss vom 13.12.2012 - B 5 R 254/12 B - BeckRS 2013, 65382 RdNr 9 sowie BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - BeckRS 2007, 41946 RdNr 10 mwN). Zum Kontext beider Entscheidungen ist der Beschwerdebegründung aber schon deshalb nichts zu entnehmen, weil sie nicht im Einzelnen darlegt, ob der geschilderte Sachverhalt dem festgestellten Sachverhalt des LSG entspricht und welcher Sachverhalt der Entscheidung des BSG zu Grunde liegt, um beurteilen zu können, welche rechtlichen Aussagen diese Gerichte wirklich getroffen haben. Eine konkrete Sachverhaltsdarstellung beider Entscheidungen gehört aber zu den Mindestvoraussetzungen, um die Entscheidungserheblichkeit der Divergenzrüge prüfen zu können. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 04.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 5 RS 842/12
Vorinstanz: SG Dresden, - Vorinstanzaktenzeichen 22 RS 232/09