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BSG - Entscheidung vom 04.09.2014

B 12 KR 21/14 B

BSG, Beschluss vom 04.09.2014 - Aktenzeichen B 12 KR 21/14 B

DRsp Nr. 2014/14865

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. Januar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin trotz einer vollschichtig ausgeübten (abhängigen) Beschäftigung aufgrund einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.1.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 3.4.2014 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

Die Klägerin entnimmt auf S 4 der Beschwerdebegründung dem angefochtenen Urteil folgenden Rechtssatz:

"Bei der Abwägung, ob eine selbständige Tätigkeit hauptberuflich im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V ausgeübt wird, kommt es bei der Betrachtung des zeitlichen Aufwandes der selbständigen Tätigkeit nicht allein darauf an, welchen Arbeitseinsatz der selbständig Tätige selbst leistet. Arbeitszeiten von Arbeitnehmern, die von dem selbständig Tätigen beschäftigt werden, sind bei der Bewertung des zeitlichen Aufwandes der selbständigen Tätigkeit mit zu berücksichtigen."

Dem stellt sie einen aus der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 2) entnommenen Rechtsatz gegenüber:

"Bei der Abwägung, ob eine selbständige Tätigkeit hauptberuflich im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V ausgeübt wird, kommt es bei der Betrachtung des zeitlichen Aufwandes der selbständigen Tätigkeit allein auf die Person des Versicherten an. Der Zeitaufwand von mithelfenden Familienangehörigen sowie Arbeitnehmern des selbständig Tätigen sind nicht zu berücksichtigen."

Das LSG habe bei der Ermittlung des zeitlichen Aufwands der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin Arbeitszeiten von Arbeitnehmern, die von ihr beschäftigt worden seien, ihrem zeitlichen Aufwand im Rahmen der selbstständigen Tätigkeit zugeordnet. Demgegenüber sei die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses (Vollzeitbeschäftigung) mit einem bedeutend größeren zeitlichen Aufwand verbunden als die selbstständige Tätigkeit (ein bis zwei Stunden pro Woche). Das LSG hätte im Rahmen einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass keine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Hierdurch bezeichnet die Klägerin eine entscheidungserhebliche Abweichung nicht in zulässigkeitsbegründender Form. Die Beschwerdebegründung lässt bereits nicht erkennen, woraus die Klägerin den von ihr angenommenen Rechtssatz des LSG ableitet. Die Klägerin befasst sich nicht mit der vom LSG auf den Seiten 7 f der Entscheidungsgründe vorgenommenen Abwägung, in der das LSG insbesondere auch die aus den jeweiligen Tätigkeiten erzielten Umsätze und Einkünfte (Jahreseinkommen Beschäftigung: 2004 bis 2008 jeweils 21 861 Euro; Jahreseinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit: 2004: 377 481 Euro; 2005: 159 840 Euro; 2006: 386 228 Euro) hat einfließen lassen. Die Klägerin setzt sich nicht damit auseinander, dass das LSG in diesem Zusammenhang den zeitlichen Umfang ihrer selbstständigen Tätigkeit nur vor dem Hintergrund ihrer eigenen Angaben ("ein bis zwei Stunden wöchentlich") angesichts der Größe des von ihr geführten Unternehmens insbesondere auch unter Berücksichtigung der Zahl der Beschäftigten hinterfragt, eine von der Klägerin in ihrer formulierten Rechtsfrage angenommene Mitberücksichtigung im Sinne einer "Zusammenrechnung der Arbeitszeiten" dagegen nicht vorgenommen hat. Darüber hinaus zeigt die Beschwerdebegründung die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Divergenz nicht auf. Sie befasst sich nicht damit, dass nach Auffassung des LSG - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG -, eine selbstständige Tätigkeit dann hauptberuflich ist, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit bildet. Vor diesem Hintergrund legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar, warum die behauptete Abweichung bei der Ermittlung des zeitlichen Umfangs der Tätigkeiten überhaupt entscheidungsrelevant gewesen sein konnte.

2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Die Klägerin wirft auf Seite 6 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"Schließt eine Vollzeitbeschäftigung als Beschäftigter eine hauptberuflich selbständige Tätigkeit im Sinne von § 5 Abs. 5 SGB V aus?"

Die Frage sei klärungsbedürftig. Der GKV-Spitzenverband habe in einem "Rundschreiben vom 3.10.2010 (idF vom 11.6.2013)" ausgeführt, dass bei Arbeitnehmern, die mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeiteten und deren monatliches Arbeitsentgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße betrage, anzunehmen sei, dass daneben für eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit kein Raum mehr bleibe. Höchstrichterliche Rechtsprechung sei hierzu noch nicht ergangen.

Entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG legt die Klägerin hierdurch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dar. Sie zeigt schon nicht die Klärungsbedürftigkeit ihrer Rechtsfrage auf, indem sie sich nicht mit der Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage (vgl insbesondere BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 2) befasst und darlegt, warum ihre Frage (erneut) klärungsbedürftig geworden ist.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG .

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 29.01.2014 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 183/12
Vorinstanz: SG Lüneburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 51 KR 164/09