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BSG - Entscheidung vom 27.08.2014

B 14 AS 66/14 B

BSG, Beschluss vom 27.08.2014 - Aktenzeichen B 14 AS 66/14 B

DRsp Nr. 2014/14823

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin E, B, beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem eingangs bezeichneten Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) ist unzulässig, denn der Kläger hat keinen der in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der gebotenen Weise schlüssig dargelegt oder bezeichnet. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG entscheiden.

Der Kläger rügt in erster Linie einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), weil das LSG entgegen eines Hinweises vom 27.8.2013 dahingehend, dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts ( SG ) sei nichts hinzuzufügen, in seine Beschlussbegründung aufgenommen habe, die eingereichte eidesstattliche Versicherung vom 20.8.2010 datiere vor Einlegung des Widerspruchs vom 11.9.2010 und stelle keine vergütungsrelevante Mitwirkungshandlung der Rechtsanwältin dar. Dies stelle eine Überraschungsentscheidung dar und verletze den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 Grundgesetz ).

Zwar kann eine Überraschungsentscheidung die Rüge eines Verfahrensfehlers begründen. Der Kläger hat jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass es sich bei dem angegriffenen Beschluss des LSG um eine Überraschungsentscheidung in dem Sinne gehandelt hat, dass der Rechtsstreit aufgrund des bisherigen Verfahrens eine für die Beteiligten unerwartete Wendung genommen hat, die von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, VII. Kap, RdNr 155) und mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 ). Insofern fehlt es an Ausführungen, weshalb der Kläger angesichts des in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Schriftsatzes des Beklagten vom 2.12.2013, in dem dieser die Meinung vertritt, die eidesstattliche Versicherung vom 20.8.2010 könne im Rahmen der Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren keine Rolle spielen, und des daraufhin verfassten Antwortschreibens der Klägervertreterin vom 10.12.2013, mit der vom LSG in dem Beschluss gegebenen Begründung nicht habe zu rechnen brauchen.

Soweit der Kläger aufgrund dieser Schreiben der Beteiligten eine fehlende weitere Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG rügt, weil sich die Prozesssituation entscheidungserheblich geändert habe, ist dies seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Für eine solche Änderung der Prozesssituation genügt nicht jeder Vortrag eines Beteiligten, weil sonst immer wieder eine erneute Anhörung erfolgen müsste; notwendig ist vielmehr aufgrund dieses Vortrags eine geänderte Sachlage, die weitere Ermittlungen erfordert (vgl das von dem Kläger angeführte Urteil des Bundessozialgerichts ( BSG ) vom 17.8.2000 - B 13 RJ 69/99 R -, in dem im Anhörungsschreiben auf das Urteil des SG Bezug genommen wurde und in der dann erfolgten Stellungnahme unter Beweisantritt auf zwischenzeitliche Behandlungen hingewiesen wurde, die für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sein konnten). Dass im vorliegenden Verfahren eine Änderung der Sachlage oder ein solcher Beweisantritt erfolgt ist, wird in der Beschwerdebegründung nicht ausgeführt. Sie wendet sich im Kern vielmehr gegen die Beweiswürdigung des LSG.

Der Kläger hat auch den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht ausreichend dargelegt. Divergenz liegt vor, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 10. Aufl 2012, § 160 RdNr 13 ff; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 194 ff). Eine Abweichung liegt demnach erst dann vor, wenn das LSG den vom BSG aufgestellten Kriterien widersprochen und eigene, andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 96 mwN). Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf der Abweichung beruht.

Soweit es um die Erledigungsgebühr für die Erarbeitung einer eidesstattlichen Versicherung geht, fehlt es an der Herausarbeitung eines Rechtssatzes, mit dem das LSG einem Rechtsgrundsatz in dem Urteil des BSG vom 2.10.2008 (B 9/9a SB 5/07 R - SozR 4-1935 VVNr 1002 Nr 1) widersprochen hat. Insofern hat der Kläger lediglich vorgetragen, dass das LSG ausgeführt habe, es sehe eine überobligatorische Tätigkeit nicht in der Einholung bzw Erarbeitung einer eidesstattlichen Versicherung. Inwieweit das LSG damit nicht eine bloße Subsumtion vorgenommen, sondern einen entgegenstehenden tragenden Rechtssatz erarbeitet haben soll, ist der Begründung des Klägers nicht zu entnehmen. Die Frage, ob die vom LSG getroffene Entscheidung inhaltlich richtig ist, kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Überprüfung gestellt werden.

Hinsichtlich der gerügten Divergenz bezüglich der Feststellungen zur Gebührenhöhe fehlt es an der ausreichenden Bezeichnung zweier abstrakter Rechtssätze, aus denen sich die Divergenz ergeben soll. Hinsichtlich des Beschlusses des LSG trägt der Kläger selbst vor, dessen Einschätzung, dass die Tätigkeit der Bevollmächtigten im isolierten Vorverfahren weder umfangreich noch schwierig war, sei eine rechtliche Wertung, sodass sich schon aus den Ausführungen des Klägers selbst ergibt, dass das LSG keinen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von der Rechtsprechung des BSG aufgestellt hat. Im Übrigen reicht es zur Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes des BSG , von dem abgewichen worden sein soll, nicht aus, verschiedene Entscheidungen zu benennen und sodann daraus ein Fazit bezogen auf den Einzelfall zu ziehen. Auch hier gilt im Übrigen, dass die Richtigkeit der Entscheidung des LSG nicht zu überprüfen ist.

Die Beschwerdebegründung des Klägers wird auch den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht gerecht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den sich aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 63 ff).

Der Kläger hat folgende Rechtsfragen formuliert:

1. "... ob die Erarbeitung einer entscheidungserheblichen Eidesstattlichen Versicherung mit einem Zeugen durch einen Rechtsanwalt eine überobligatorische Tätigkeit i.S.d. Nr. 1002 VV RVG ist und deshalb eine Erledigungsgebühr rechtfertigt," und

2. "... ob die Frage der Notwendigkeit der einzelnen anwaltlichen Tätigkeit aus der ex-post- oder aus der ex-ante-Sicht zu beantworten ist."

Hinsichtlich der ersten Rechtsfrage fehlt es schon an der Formulierung einer abstrakten, über den Einzelfall hinausgehenden Fragestellung. Die Frage enthält vielmehr bereits eine Wertung für den hier vorliegenden konkreten Einzelfall ("entscheidungserheblich"). Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, dass sich die von ihm aufgeworfene Frage nicht anhand der von ihm selbst zitierten Urteile des BSG beantworten lässt. Darauf, dass das LSG die bei seiner Entscheidung herangezogenen Maßstäbe aus der Rechtsprechung des BSG im konkreten Fall möglicherweise unzutreffend angewendet hat, kommt es im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht an.

Die Begründung hinsichtlich der zweiten Rechtsfrage legt die Klärungsbedürftigkeit der gestellten Frage im vorliegenden konkreten Verfahren nicht ausreichend dar angesichts der Tatsache, dass es um die Subsumtion der in § 63 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch geregelten Voraussetzung der "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen" geht. Insofern hat das LSG lediglich eine andere rechtliche Bewertung vorgenommen, als sie der Kläger für richtig hält. Daraus lässt sich keine noch nicht beantwortete Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ableiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 13.02.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 12 AS 1157/12
Vorinstanz: SG Detmold, - Vorinstanzaktenzeichen 8 AS 1184/11