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BGH - Entscheidung vom 28.01.2014

III ZB 41/13

Normen:
ZPO Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 1041 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 1044 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b)

BGH, Beschluss vom 28.01.2014 - Aktenzeichen III ZB 41/13

DRsp Nr. 2014/4157

Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs

Auch nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes setzt die Aufhebung eines Schiedsspruchs voraus, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public darstellt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. April 2013 (8 Sch 8/12) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 54.251,20 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ; ZPO § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b);

Gründe

Die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO ) Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist das Oberlandesgericht bei seiner Prüfung, ob die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ), nicht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Annahme des Oberlandesgerichts, dass ein Widerspruch gegen den ordre public nur bei "offensichtlicher" Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vorliege und daher der Einwand einer Verletzung des ordre public nur in "extremen Ausnahmefällen" greife, ist zutreffend und entspricht der Senatsrechtsprechung.

a) Soweit die Rechtsbeschwerde ihre abweichende Rechtsauffassung auf ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt (Urteile vom 12. Mai 1958 - VII ZR 436/56, BGHZ 27, 249; vom 23. April 1959 - VII ZR 2/58, BGHZ 30, 89, 97; vom 25. Oktober 1966 - KZR 7/65, BGHZ 46, 365, 367 f und vom 25. Oktober 1983 - KZR 27/82, BGHZ 88, 314, 319), sind diese noch zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der Fassung vom 12. September 1950 (BGBl. S. 533) ergangen. Danach konnte die Aufhebung beantragt werden, "wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde". Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer "offensichtlichen" Unvereinbarkeit nicht problematisiert; vielmehr heißt es im Urteil vom 25. Oktober 1966 (aaO S. 370): "Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrunde liegende Rechtsauffassung ... auch von anderen geteilt wird und deshalb zumindest 'vertretbar' erscheint, ist unerheblich". Geprüft wurde nur, was zu den "guten Sitten" beziehungsweise zur "öffentlichen Ordnung" gehört.

b) Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) wurden dann allerdings unter anderem § 1041 Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dahin geändert, dass die Aufhebung eines (inländischen) Schiedsspruchs beziehungsweise die Versagung der Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs nur auszusprechen ist, "wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist". Parallel zur Änderung im Schiedsrecht wurde der ordrepublic-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB zur Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates und in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die Vorbehaltsklausel der "Kernbestand" der inländischen Rechtsordnung geschützt werden, wobei in Anlehnung an die neuere völkervertragliche Praxis, insbesondere an Art. 16 des EG-Schuldvertragsübereinkommens vom 19. Juni 1980, der Vorbehalt des ordre public durch den Zusatz "offensichtlich unvereinbar" bewusst eng und damit einschränkend formuliert wurde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 222/83, S. 42 f, 88 f, 92).

Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 12. Juli 1990 - III ZR 174/89, NJW 1990, 3210 , 3211) darauf abgestellt, ob der Schiedsspruch "offensichtlich" eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ob er "offensichtlich" zu den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Hierbei hat der Senat betont, dass eine bloße Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden sollte, für einen solchen Verstoß nicht ausreicht. Der Schiedsspruch ist nicht in allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit hin zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt beziehungsweise ein eklatanter Verstoß gegen die materielle Gerechtigkeit vorliegt.

Hintergrund des "Offensichtlichkeitskriteriums" ist dabei letztlich das Verbot der révision au fond, das heißt das Verbot, eine ausländische Entscheidung oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Der Europäische Gerichtshof (vgl. Urteile vom 28. März 2000, NJW 2000, 1853 Rn. 37 und vom 11. Mai 2000, NJW 2000, 2185 Rn. 30; jeweils zum entsprechenden ordre-public-Vorbehalt nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ, der - anders als jetzt Art. 34 Nr. 1 EuGVVO - das Wort "offensichtlich" nicht enthielt) hat diesen Zusammenhang wie folgt umschrieben: "Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln."

c) Im Zuge des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) ist dann allerdings unter anderem der inländische ordre public in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO neu gefasst worden. Die Bestimmung lautet nunmehr, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann, wenn das Gericht feststellt, dass "die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht". Das Kriterium der Offensichtlichkeit ist im Text nicht mehr ausdrücklich angesprochen. Aus der Entstehungsgeschichte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5274 S. 59) ergibt sich allerdings nichts dafür, dass der Gesetzgeber - zudem nur für das Schiedsverfahren und nicht im Anwendungsbereich der unverändert gebliebenen Art. 6 EGBGB , § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO - insoweit etwas an der bisherigen Rechtslage ändern wollte. Vielmehr hatte die Änderung sprachliche Gründe (aaO); eine Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs sollte jedoch ebenso wie nach bisherigem Recht weiter ausgeschlossen bleiben (aaO S. 58 f). Ein anderes Verständnis der Norm würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz die Schiedsgerichtsbarkeit als "Alternative zur staatlichen Justiz" beziehungsweise "als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit" zu stärken (aaO S. 1, 34).

Vor diesem Hintergrund hat der Senat (vgl. Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 17/08, WM 2009, 573 , 574) ausdrücklich festgestellt, dass auch nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes die Aufhebung eines Schiedsspruchs voraussetzt, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public darstellt.

Hieran hält der Senat weiter fest. Insoweit ist ergänzend auch anzumerken, dass das Offensichtlichkeitskriterium inzwischen durchgängig in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt verwandt wird (vgl. neben Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nur Art. 22 Buchst. a, Art. 23 Buchst. a EuEheVO, Art. 24 Buchst. a EuUnterhVO, Art. 40 Buchst. a EuErbRVO zur Anerkennung von Entscheidungen sowie Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 12 Rom III-VO, Art. 13 HUntProt, Art. 35 EuErbVO zur Anwendung ausländischen Rechts; siehe auch § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ).

2. Das Oberlandesgericht hat damit nicht - schon gar nicht in symptomatischer Weise - den Begriff des ordre public verkannt. Auch im Übrigen liegen die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gründe für eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht vor. Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs des Oberschiedsgerichts vom 27. Juni 2012 nicht zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung widerspricht (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO ). Auf eine weitere Begründung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 2, 3 ZPO verzichtet.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 25.04.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 8 Sch 8/12