Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 27.01.2014

4 StR 499/13

Normen:
StGB § 23 Abs. 2
StGB § 263 Abs. 3 S. 1
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 55

Fundstellen:
StV 2014, 481

BGH, Beschluss vom 27.01.2014 - Aktenzeichen 4 StR 499/13

DRsp Nr. 2014/3819

Verschiebung des Strafrahmens i.R.d. Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem Betrug

Der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität verbietet es, Einzelgeldstrafen aus einem früheren Strafbefehl mangels Zustimmung der ausliefernden Behörden in eine neue zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten S. K. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 9. Juli 2013, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460 , 462 StPO zu treffen ist.

2.

Die Revisionen der Angeklagten Kn. und O. gegen das oben genannte Urteil und die weiter gehende Revision des Angeklagten S. K. werden verworfen.

3.

Die Angeklagten Kn. und O. tragen jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels; die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten S. K. bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460 , 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Normenkette:

StGB § 23 Abs. 2 ; StGB § 263 Abs. 3 S. 1; StGB § 49 Abs. 1 ; StGB § 55 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. K. wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, wegen versuchten Betrugs in drei Fällen und wegen Vortäuschens einer Straftat unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 17. August 2010 verhängten Geldstrafen und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Wegen eines weiteren Betrugs hat es ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Entscheidung über die Anrechnung von Auslieferungshaft getroffen. Der Angeklagte wurde aufgrund von zwei Europäischen Haftbefehlen wegen der verfahrensgegenständlichen Taten am 21. Januar 2013 in Spanien festgenommen und am 31. Januar 2013 nach Deutschland überstellt.

Die Angeklagte Kn. ist wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, wegen Betrugs, wegen versuchten Betrugs in drei Fällen und wegen veruntreuender Unterschlagung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 8. Mai 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Gegen die Angeklagte O. ist wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr und wegen versuchten Betrugs in drei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten erkannt worden.

Mit ihren gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts; die Angeklagten Kn. und S. K. beanstanden zudem das Verfahren.

Das Rechtsmittel des Angeklagten S. K. führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe, im Übrigen bleibt es wie die Rechtsmittel der Angeklagten Kn. und O. ohne Erfolg.

1. Die Verfahrensbeschwerden greifen aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 13. November 2013 nicht durch.

2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt hinsichtlich der Angeklagten Kn. und O. insgesamt und hinsichtlich des Angeklagten S. K. zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

Zwar hat das Landgericht in den drei Fällen des versuchten Betrugs bei allen drei Angeklagten eine Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2 , 49 Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich erwogen. Es hatte aber den Umstand, dass der Betrug nur versucht war, bei allen drei Angeklagten im Blick. Die Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB wurde jeweils ausdrücklich "unter weiterer Berücksichtigung insbesondere des Umstandes, dass die Tat nicht vollendet wurde" bejaht. Die vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafen liegen zwischen einem Jahr und drei Monaten und zwei Jahren und sechs Monaten, mithin jeweils deutlich über dem Mindestmaß und weit unter dem Höchstmaß beider Strafrahmen. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn es die Untergrenze des Strafrahmens mit einem Monat statt mit sechs Monaten und die Obergrenze mit sieben Jahren sechs Monaten statt mit zehn Jahren bestimmt hätte.

3. Bei dem Angeklagten S. K. gibt die Gesamtstrafenbildung Anlass zu rechtlichen Beanstandungen.

Der Angeklagte ist vom Königreich Spanien aufgrund Europäischer Haftbefehle nur zur Verfolgung der in den Haftbefehlen des Amtsgerichts Dresden vom 2. November 2012 und vom 17. Dezember 2012 dargelegten Straftaten ausgeliefert worden. Der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität verbietet es, die Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden mangels Zustimmung der spanischen Behörden in eine neue zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2013 - 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178 ; vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100 ; vom 12. August 1997 - 4 StR 345/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 7 jeweils mwN). Das führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

Solange die Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 17. August 2010 nicht in eine neue Gesamtstrafe einbezogen werden dürfen, ist aus allen hier verhängten Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. August 1997 - 4 StR 345/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 7; vom 24. Februar 1981 - 5 StR 36/81; BGH, Urteil vom 4. April 1978 - 5 StR 806/77). Urteile, deren Strafen nicht nach § 55 StGB einbeziehungsfähig sind, entfalten keine Zäsurwirkung (Fischer, StGB , 61. Aufl., § 55 Rn. 10 mwN).

Der Senat verweist die Sache daher zur Bildung einer neuen Gesamtstrafe zurück. Der Aufhebung der Feststellungen zur Gesamtstrafenbildung bedarf es nicht; ergänzende Feststellungen bleiben zulässig.

Sollten die Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Anschluss an ein Nachtragsersuchen, vollstreckbar werden, so ist nach § 460 StPO aus diesen Strafen und aus den im vorliegenden Verfahren für die vor dem 17. August 2010 begangenen Taten festgesetzten Einzelstrafen unter Berücksichtigung des § 358 Abs. 2 StPO nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden.

Vorinstanz: LG Dresden, vom 09.07.2013
Fundstellen
StV 2014, 481