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BGH - Entscheidung vom 18.07.2014

V ZR 151/13

Normen:
BGB § 1028
BGB § 1028
BGB § 197 Nr. 2
BGB § 902 Abs. 1 S. 1
BGB § 1004 Abs. 1
BGB § 1027
BGB § 1028 Abs. 1 S. 2
BGB § 1028 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1-2

Fundstellen:
MDR 2014, 1137
NJW 2014, 6
NZM 2015, 95
NotBZ 2015, 95
WM 2014, 1975

BGH, Urteil vom 18.07.2014 - Aktenzeichen V ZR 151/13

DRsp Nr. 2014/12555

Verjährung eines Anspruchs auf Beseitigung einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit durch Verursachung einer Anlage (hier: Beseitigung von Fichten an einem Fahrtweg)

Der Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit, die durch eine Anlage auf dem dienenden Grundstück verursacht wird, verjährt in entsprechender Anwendung von § 197 Nr. 2 BGB in dreißig Jahren, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht (Fortführung von Senat, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 ).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut - 1. Zivilkammer - vom 31. Mai 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 197 Nr. 2 ; BGB § 902 Abs. 1 S. 1; BGB § 1004 Abs. 1 ; BGB § 1027 ; BGB § 1028 Abs. 1 S. 2; BGB § 1028 Abs. 2 ; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1-2;

Tatbestand

Zu Lasten des im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks und zugunsten des dem Kläger gehörenden angrenzenden Grundstücks ist im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit des Inhalts eingetragen, dass ein an der nördlichen Grundstücksgrenze verlaufender Fahrtweg jederzeit begangen und mit Fuhrwerken jeder Art befahren werden kann, um das klägerische Grundstück von der Hauptstraße aus zu erreichen. Im Bereich des Fahrtweges befinden sich zwei Fichten; sie stehen der Nutzung des Wegs mit einem mehrspurigen Fahrzeug entgegen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Beseitigung der Fichten. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe zwar ein Beseitigungsanspruch zu; der Anspruch sei aber verjährt. Die beiden Bäume seien als eine Anlage im Sinne des § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Dabei könne offen bleiben, ob sie bewusst an dieser Stelle gepflanzt worden seien. Auch wenn die Bäume aus einem angeflogenen Samen gewachsen seien, habe der Eigentümer sie jedenfalls geduldet und damit in die gärtnerische Gestaltung seines Grundstücks einbezogen. Der Beseitigungsanspruch sei verjährt, da das Alter der beiden Bäume auf mindestens 20 Jahre zu schätzen sei. Aber selbst wenn die Bäume keine Anlagen darstellten, sei Verjährung eingetreten. Beeinträchtigt sei das Fahrtrecht nur insoweit, als mehrspurige Fahrzeuge den Weg nicht mehr benutzen könnten. Eine Durchfahrt mit einem einspurigen Fahrzeug sei noch möglich, ebenso das Begehen des Weges. Damit störe die Beklagte die Grunddienstbarkeit nur in ihrer konkreten Ausgestaltung, entziehe aber nicht das Recht als Ganzes.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht sieht den Beseitigungsanspruch des Klägers rechtsfehlerhaft als verjährt an.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Anspruch aus § 1027 , § 1004 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte besteht.

a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Beseitigungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil die von dem Kläger beabsichtigte Nutzung des Weges mit einem Personenkraftwagen nicht von der eingetragenen Grunddienstbarkeit erfasst sei.

Inhalt und Umfang einer - wie hier - zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit liegen nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten fest, sondern sind Veränderungen unterworfen, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben. Maßgeblich ist nicht die augenblickliche, bei Bestellung der Dienstbarkeit gerade bestehende Nutzung. Vielmehr kommt es auf den allgemeinen, der Verkehrsauffassung entsprechenden Charakter des betroffenen Grundstücks an sowie auf das Bedürfnis, von dem Wegerecht in diesem Rahmen Gebrauch zu machen (vgl. Senat, Urteil vom 11. April 2003 - V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235 , 1236 mwN). Hiervon ausgehend umfasst das zum Befahren "mit Fuhrwerken" bestellte Wegerecht heute ein Befahren mit Personen- wie auch mit Lastkraftwagen. Die damit verbundene Bedarfssteigerung hält sich in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des Grundstücks und stellt keine willkürliche Benutzungsänderung dar. Einem Befahren mit Fuhrwerken entspricht heute ein Befahren mit Kraftwagen. Fuhrwerke dienten gerade dem Transport von Personen und Gegenständen. Diese Aufgaben haben heute Personen-, Last- und Lieferwagen übernommen. Auf einen solchen Fahrzeugverkehr erstreckt sich bei vernünftiger Betrachtung die Grunddienstbarkeit (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 318/02, NJW-RR 2003, 1237 ).

b) Die Grunddienstbarkeit wird durch die beiden streitgegenständlichen Bäume beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1027 BGB ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit (Senat, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 Rn. 18). Dass der Fahrtweg auf dem Grundstück der Beklagten von mehrspurigen Kraftfahrzeugen nicht benutzt werden kann, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.

c) Das Berufungsgericht geht ferner zu Recht davon aus, dass die Beklagte Zustandsstörerin ist. Die Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit ist ihr bei wertender Betrachtung zurechenbar (vgl. dazu Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, NJW-RR 2013, 652 Rn. 9; Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 13 mwN), was ebenfalls von der Beklagten nicht angegriffen wird.

2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beseitigungsanspruch sei verjährt, weil die von den Bäumen ausgehende Beeinträchtigung nicht die Verwirklichung der eingetragenen Grunddienstbarkeit betreffe.

a) Der Anspruch des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit auf Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts nach § 1004 Abs. 1 BGB , der aus der Vorschrift des § 1027 BGB folgt, unterliegt nach § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann nicht der Verjährung, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 Rn. 19 mwN). Die hier bestehende Beeinträchtigung führt dazu, dass dem Kläger die Ausübung eines Teils der ihm eingeräumten Rechtsmacht verwehrt ist. Damit zielt der Beseitigungsanspruch auf die Verwirklichung des Rechts.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann das durch die Grunddienstbarkeit gesicherte Gehrecht noch ausgeübt werden. Auch ist ein Befahren des Weges mit einspurigen Fahrzeugen noch möglich. Allerdings führen die beiden streitgegenständlichen Bäume dazu, dass das durch die Grunddienstbarkeit ebenfalls eingeräumte Recht, den Weg mit mehrspurigen Fahrzeugen zu befahren, nicht mehr ausgeübt werden kann. Dem Kläger ist es nicht mehr möglich, sein Grundstück mit einem Personenkraft- oder Lastkraftwagen von der Hauptstraße aus zu erreichen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts handelt es sich dabei nicht um eine bloße Störung in der Ausübung der dem Berechtigten durch die Grunddienstbarkeit eingeräumten Rechte. Eine solche liegt nur vor, wenn der Rechtsinhaber sein Recht zwar noch ausüben kann, dies aber nur erschwert möglich ist. Hiervon wäre etwa auszugehen, wenn dem Kläger die Zufahrt mit mehrspurigen Fahrzeugen zu seinem Grundstück zwar noch möglich wäre, er aber Einschränkungen unterworfen ist, indem er etwa das Fahrzeug mehrmals vor- und zurücksetzen muss, um auf sein Grundstück zu gelangen. Kann er demgegenüber - wie hier - von seinem Recht in einzelnen abgrenzbaren Ausprägungen der Grunddienstbarkeit überhaupt keinen Gebrauch mehr machen, steht die Verwirklichung der ihm durch die Grundbucheintragung eingeräumten Rechtsmacht in Rede. Daher würde im vorliegenden Fall die Grundbucheintragung bei Annahme einer Verjährung des Beseitigungsanspruchs teilweise zu einer leeren rechtlichen Hülse.

3. Anders als das Berufungsgericht meint, kann eine Verjährung des Beseitigungsanspruchs auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen werden. Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden, so unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des Rechts nach dieser Vorschrift allerdings auch dann der Verjährung, wenn die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist. Die Norm kommt auch zur Anwendung, wenn der Beseitigungsanspruch zum Zweck der Verwirklichung des Rechts aus der Dienstbarkeit geltend gemacht wird. In diesem Fall beträgt die Verjährungsfrist aber nicht - wie von dem Berufungsgericht angenommen - drei, sondern in entsprechender Anwendung von § 197 Nr. 2 BGB 30 Jahre.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die streitgegenständlichen Bäume eine Anlage im Sinne von § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen.

aa) Unter dem Begriff der Anlage ist ebenso wie in § 1020 BGB eine für eine gewisse Dauer bestimmte, von Menschenhand zur Benutzung des Grundstücks geschaffene Einrichtung zu verstehen (vgl. zu § 1020 BGB : Senat, Urteil vom 17. Februar 2006 - V ZR 49/05, NJW 2006, 1428 , 1429). Er geht, wie sich aus § 1022 BGB ergibt, über bauliche Anlagen hinaus. Auch Pflanzen können unter den Anlagenbegriff fallen (OLG Köln, MittRhNotK 1990, 219 , 220; KG, JFK 6, 282, 286 f; Erman/Westermann, BGB , 13. Aufl., § 1020 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1020 Rn. 8; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1020 Rn. 12; vgl. auch RGZ 51, 251 , 253). Dies belegt mittelbar auch § 907 Abs. 2 BGB . Die - nicht verallgemeinerungsfähige (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035 , 1036) - Vorschrift nimmt Bäume und Sträucher ausdrücklich von dem Begriff der Anlage in § 907 Abs. 1 BGB aus, um Widersprüche zu den Sonderregelungen der §§ 910 , 911 , 923 BGB und den landesrechtlichen Bestimmungen (vgl. Art. 122 , 124 EGBGB ) zu vermeiden. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn Pflanzen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht unter den Begriff der Anlage subsumiert werden könnten.

bb) Auch der Gesichtspunkt, dass § 1028 Abs. 1 BGB von dem in § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz der Unverjährbarkeit in einem besonderen Fall abweicht und damit Ausnahmecharakter hat (Senat, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 Rn. 23; Urteil vom 9. Januar 1963 - V ZR 125/61, BGHZ 39, 5 , 11), bietet keine Grundlage dafür, den Anlagenbegriff in dieser Norm enger zu fassen. Unter funktionalen Gesichtspunkten macht es keinen Unterschied, ob die Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit von einem Bauwerk oder von Pflanzen ausgeht. So kann etwa ein Fahrtrecht statt durch einen Zaun, ein Tor oder einem Pfosten in gleicher Weise dadurch beeinträchtigt werden, dass eine Hecke oder Bäume angepflanzt werden. In diesem Zusammenhang weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass es unter funktionalen Gesichtspunkten ohne Belang ist, ob die Pflanzen, die zu einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit führen, gesetzt worden sind oder zwar wild gewachsen, aber bewusst durch den Nutzer des dienenden Grundstücks an der Stelle belassen worden sind. In beiden Fällen handelt es sich um einen von Menschen geschaffenen Zustand zur Gestaltung des Grundstücks.

cc) Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts stellen die streitgegenständlichen Bäume nach diesen Maßstäben eine Anlage im Sinne des § 1028 Abs. 1 BGB dar. Es ist von einer bewussten Entscheidung des Eigentümers des dienenden Grundstücks ausgegangen, die beiden Bäume an der Stelle zu belassen, an der sie in natürliche Weise entstanden sind. Diese tatrichterliche Würdigung, die sich auf die Wohnnutzung des Grundstücks, seine begrenzte Größe und das Alter der Bäume von mindestens zwanzig Jahren stützt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass der Beseitigungsanspruch von dem Kläger erst nach Ablauf der Verjährungsfrist klageweise geltend gemacht worden ist.

aa) Das Berufungsgericht geht davon aus, dass sich die Verjährung des Beseitigungsanspruchs aus §§ 1027 , 1004 BGB nach den Regelungen in §§ 195 , 199 Abs. 1 , 4 und 5 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung richtet. Dies entspricht gängiger Meinung. Da § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB den Beseitigungsanspruch der Verjährung unterwirft, aber eine besondere Verjährungsfrist nicht anordnet, wird die für den Beseitigungsanspruch geltende Verjährungsfrist als maßgebend angesehen. Nach der Neuregelung des Verjährungsrechts soll daher nicht mehr die frühere regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB a. F.), sondern die neue Frist von drei Jahren nach § 195 BGB gelten (OLG Hamm, NJOZ 2012, 2009, 2010; OLG Saarbrücken, NJOZ 2009, 4561, 4563; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB , 3. Aufl., § 1028 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1028 Rn. 1; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1028 Rn. 4; Palandt/Bassenge, BGB , 73. Aufl., § 1028 Rn. 1). Dem kann, soweit es um die Beseitigung einer Beeinträchtigung geht, die der Verwirklichung des Rechts entgegensteht, nicht beigetreten werden.

bb) § 1028 BGB enthält eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Ansprüche aus eingetragenen Rechten, die nicht auf Rückstände wiederkehrender Leistungen oder auf Schadensersatz gerichtet sind, nicht der Verjährung unterliegen (§ 902 Abs. 1 BGB ). Denn er unterwirft den Anspruch auf Beseitigung der von einer Anlage ausgehenden Beeinträchtigung generell der Verjährung, also auch dann, wenn die Beeinträchtigung die Verwirklichung des eingetragenen Rechts hindert und damit nach allgemeinen Grundsätzen nicht verjährt (vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2010 - V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 Rn. 21 ff.). Dies ergibt sich aus der Regelung des § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB , nach der die Dienstbarkeit mit der Verjährung des Beseitigungsanspruchs erlischt, soweit der Bestand der Anlage mit der Dienstbarkeit in Widerspruch steht. Sie hat zum Ziel, dass sich die Wirklichkeit nach einer gewissen Zeit gegen den Inhalt des Grundbuchs durchsetzt (vgl. Soergel/Stürner, BGB , 13. Aufl., § 1028 Rn. 1), will also gerade erreichen, dass eine Grunddienstbarkeit, die ansonsten nur noch als leere Hülse bestünde, mit Wirkung gegenüber jedermann (vgl. § 1028 Abs. 2 BGB ) erlischt.

cc) Dies belegt die Gesetzgebungsgeschichte. Vorgeschlagen war zunächst, dem Eigentümer des belasteten Grundstücks einen Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Grunddienstbarkeit einzuräumen, wenn diese seit 30 Jahren nicht mehr ausgeübt worden ist. Begründet wurde dies damit, dass erfahrungsgemäß vielfach Servituten durch Nichtausübung, besonders aufgrund völlig veränderter Verhältnisse, in Vergessenheit gerieten. Eine Grundbuchberichtigung sei in solchen Fällen oft mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Zudem würden der Wert und die Verkäuflichkeit der mit derartigen Servituten belasteten Grundstücke ungünstig beeinflusst. Regierungsseitig wurden Bedenken im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geäußert. Der Vorschlag, das Grundbuch bei langjährig nicht ausgeübten Dienstbarkeiten bereinigen zu können, wurde - wenn auch in rechtstechnisch anderer Form - aufgegriffen. Es wurde die heute in § 1028 Abs. 1 BGB enthaltene Fassung gewählt. In zweiter Lesung wurde ein Antrag, die Vorschrift ganz zu streichen, abgelehnt und in Absatz 2 die Regelung eingefügt, dass die Vorschrift über den Gutglaubensschutz des Grundbuchs nicht gelten sollte (vgl. zum Ganzen Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. III, 1899, S. 1002 f.). Auch wenn in die schließlich Gesetz gewordene Fassung nicht die Frist von 30 Jahren aufgenommen, sondern stattdessen der Beseitigungsanspruch lediglich allgemein der Verjährung unterstellt wurde - wobei die regelmäßige Verjährungsfrist zum damaligen Zeitpunkt 30 Jahre betrug -, zeigt die Entstehungsgeschichte, dass dieser langen Zeitdauer entscheidende Bedeutung zukam. Hierzu passt, dass einige bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltenden landesrechtlichen Regelungen ebenfalls das Erlöschen einer Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch über einen Zeitraum von 30 Jahren vorsahen (vgl. Mugdan, aaO, S. 141 mwN).

dd) Die Heranziehung der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführten regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren auch in Fällen, in denen die Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit nicht nur die Ausübung des Rechts erschwert, sondern dessen Verwirklichung hindert, würde einen gravierenden Eingriff in die von dem Gesetzgeber bei Einführung des § 1028 Abs. 1 BGB vorgenommene Abwägung der Interessen des Eigentümers und des Dienstbarkeitsberechtigten darstellen. Sie würde dazu führen, dass ein im Grundbuch eingetragenes Recht bereits dann erlischt, wenn der Berechtigte drei Jahre lang eine die Verwirklichung des Rechts hindernde Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit durch eine Anlage hinnimmt (krit. insoweit auch MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1028 Rn. 1; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1028 Rn. 1; NK-BGB/Otto, 3. Aufl., § 1028 Rn. 12).

Die Interessen des Berechtigten würden in einem erheblichen Maße geschwächt, obwohl ein überzeugender sachlicher Grund hierfür nicht gegeben ist. Der Eigentümer eines Grundstücks, der eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit - § 1028 BGB ist über die Verweisung in § 1090 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden - bestellt, muss vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung von einer dauerhaften Belastung seines Grundstücks ausgehen, während der Berechtigte, der in der Regel ein Entgelt für den Erwerb des dinglichen Rechts an dem Grundstück entrichtet hat, ebenfalls von einem dauerhaften Bestand seines Rechts ausgehen kann. Dies belegt der Grundsatz der Unverjährbarkeit dinglicher Rechte in § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB . Der Gesetzgeber hat von diesem Grundsatz ausweislich der Entstehungsgeschichte des § 1028 Abs. 1 BGB nur dann eine Ausnahme machen wollen, wenn der Berechtigte die Beeinträchtigung der Dienstbarkeit über 30 Jahre hinnimmt. Für diesen Fall hat er es als gerechtfertigt angesehen, dass das Interesse des Berechtigten an dem Bestand der Dienstbarkeit hinter das Interesse des Eigentümers und der Allgemeinheit an der Bereinigung zwar noch eingetragener, aber faktisch überholter Dienstbarkeiten zurücktritt. Eine ähnliche Wertung liegt der Buchersitzung in § 900 BGB zugrunde, bei der der Rechtsverlust des tatsächlich Berechtigten ebenfalls erst nach 30 Jahren eintritt.

Nimmt der Berechtigte eine Beeinträchtigung drei Jahre lang hin, kann demgegenüber noch nicht darauf geschlossen werden, dass die Dienstbarkeit für ihn keinen Wert hat und wegen der Nichtausübung faktisch überholt ist. Der Berechtigte kann vorübergehend keinen Bedarf für die Ausübung der Dienstbarkeit haben und deshalb keinen Anlass sehen, seinen Nachbarn klageweise auf Beseitigung einer die Dienstbarkeit hindernde Anlage in Anspruch zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Beeinträchtigung der Rechtsverwirklichung der Dienstbarkeit mittels einer Anlage - nur dann findet § 1028 BGB Anwendung - in der Regel wissentlich und willentlich durch den Eigentümer des dienenden Grundstücks herbeigeführt wird. Die Stärkung seiner Rechtsposition bei einer Heranziehung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren ist gerade vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als der durch § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Rechtsverlust auch dann eintritt, wenn der Eigentümer die die Rechtsverwirklichung beeinträchtigende Anlage nach dem Ablauf der Verjährungsfrist aus eigenem Antrieb wieder entfernt (MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1028 Rn. 3). Umstritten ist insoweit lediglich, ob sich in einem solchen Fall der Erwerber trotz der Regelung des § 1028 Abs. 2 BGB auf einen Gutglaubensschutz berufen kann, wenn er das herrschende Grundstück erst nach der Beseitigung der Anlage erworben hat (so Bamberger/Roth/Wegmann, BGB , 3. Aufl., § 1028 Rn. 7; Soergel/Stürner, BGB , 13. Aufl., § 1028 Rn. 2; Palandt/Bassenge, BGB , 73. Aufl., § 1028 Rn. 2; aA MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1028 Rn. 3; RGRK/Rothe, BGB , 12. Aufl., § 1028 Rn. 5; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1028 Rn. 6 jeweils mwN).

ee) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber bei der Überarbeitung des Verjährungsrechts die Folgen der Anwendung der neuen regelmäßigen Verjährungsfrist im Rahmen des § 1028 Abs. 1 BGB bewusst waren und er gleichwohl deren Geltung auch in diesem Regelungszusammenhang anordnen wollte.

Motiv für die Überarbeitung des Verjährungsrechts war die Beseitigung der als undurchschaubar und als nicht systematisch angesehenen unterschiedlichen Verjährungsfristen (BT-Drucks. 14/6040, S. 102) und in einem zweiten Schritt die Anpassung der außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehenden Verjährungsvorschriften (BT-Drucks. 15/3653, S. 10 ff.). Die lange Verjährungsfrist von 30 Jahren sollte in einigen Fällen, insbesondere für Herausgabeansprüche aus dinglichen Rechten, erhalten bleiben. Zur Begründung wurde angeführt, dass diese Ansprüche auf die Verwirklichung des Stammrechts abzielen und die kurzen Fristen dieses in Frage stellen würden (BT-Drucks. 14/6040, S. 105). Dieser Gesichtspunkt wie auch der Umstand, dass der Grundsatz der Unverjährbarkeit von im Grundbuch eingetragenen Rechten nicht angetastet wurde, belegen, dass der Gesetzgeber eingetragene Rechte und ihre Verwirklichung nicht schwächen wollte.

Zwar hat er Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus absoluten Rechten bewusst nicht der langen Verjährungsfrist von 30 Jahren unterstellt, da Abgrenzungsschwierigkeiten zu dem deliktischen Beseitigungsanspruch befürchtet wurden, der nach der Regelverjährungsfrist von drei Jahren verjährt, und weil der Gläubiger insoweit durch den kenntnisabhängigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 BGB vor einem unerwarteten Rechtsverlust geschützt ist (BT-Drucks. 14/6040, S. 106). Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber auch die Regelung des § 1028 Abs. 1 BGB mit ihrer Besonderheit - das Erlöschen eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts - im Blick hatte. Während die Verjährung des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB das Stammrecht und die übrigen daraus fließenden Befugnisse unberührt lässt (siehe etwa Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 141/10, NJW 2011, 1068 Rn. 9 zu der Möglichkeit des Eigentümers, die Störung selbst zu beseitigen), führt sie im Rahmen von § 1028 BGB zu dem ersatzlosen Verlust des Stammrechts und zugleich zu einer - für Dritte nicht erkennbaren, nach § 1028 Abs. 2 BGB gleichwohl hinzunehmenden - Unrichtigkeit des Grundbuchs. Die mit der Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig auf drei Jahre einhergehenden Folgen sind in diesem Zusammenhang derart gravierend, dass eine Begründung zu erwarten gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber auch diese gewollt hätte.

Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber mit einer solchen Regelung in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition eingegriffen hätte. § 1028 BGB begrenzt die verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Grunddienstbarkeit. Die Norm stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Der Gesetzgeber besitzt bei der inhaltlichen Ausgestaltung und Begrenzung von Rechten keinen unbegrenzten Gestaltungsspielraum. Vielmehr muss er bei der Verwirklichung seines Regelungsauftrags die Anerkennung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beachten und sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten. Er ist, wenn er von der Ermächtigung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet, die Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. BVerfGE 104, 1 , 10 f.; BVerfG, NVwZ 2009, 1158 , 1159). Eine erhebliche Veränderung der Gewichtung der Interessen von Eigentümer und Grunddienstbarkeitsberechtigten, die einträte, wenn die dreijährige Regelverjährungsfrist uneingeschränkt auch im Rahmen von § 1028 BGB Anwendung fände, bedürfte einer sachlichen Rechtfertigung. Auch deshalb spricht das Schweigen des Gesetzgebers dafür, dass ihm das durch die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist im Rahmen des § 1028 BGB eintretende Problem nicht bewusst war.

ff) Vor diesem Hintergrund ist von einer durch die Überarbeitung des Verjährungsrechts nachträglich entstandenen verdeckten Lücke auszugehen (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 377). Sie ist in der Weise zu schließen, dass der Anspruch auf Beseitigung einer Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit, die durch eine Anlage auf dem dienenden Grundstück verursacht wird, in entsprechender Anwendung von § 197 Nr. 2 BGB in 30 Jahren verjährt, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht. Hätte der Gesetzgeber die Folgen der neuen auf drei Jahre verkürzten Verjährungsfrist im Zusammenhang mit § 1028 BGB bedacht, so spricht alles dafür, dass er es - soweit die Rechtsverwirklichung in Rede steht - bei der dreißigjährigen Verjährungsfrist belassen hätte.

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 , § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Der Rechtsstreit ist nicht im Sinne von § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht sich - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - darauf beschränkt hat, das Alter der Bäume auf mindestens 20 Jahre zu schätzen. Verjährt wäre der Anspruch des Klägers aber nur, wenn das Befahren des Weges mit mehrspurigen Fahrzeugen infolge der Bäume bereits seit 30 Jahren nicht mehr möglich ist. Da die Parteien bisher keinen Anlass hatten, die letzten 30 Jahre vor der Klageerhebung in den Blick zu nehmen, muss ihnen, insbesondere der für die Einrede der Verjährung darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, die Möglichkeit zur Ergänzung ihres Vortrages gegeben werden. Zugleich gibt die Zurückverweisung dem Berufungsgericht Gelegenheit, mit dem Kläger die Fassung des Klageantrags unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit zu erörtern.

Verkündet am: 18. Juli 2014

Vorinstanz: LG Landshut, vom 31.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 12 S 3244/12
Vorinstanz: AG Landshut, vom 02.11.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 2 C 1534/12
Fundstellen
MDR 2014, 1137
NJW 2014, 6
NZM 2015, 95
NotBZ 2015, 95
WM 2014, 1975