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BGH - Entscheidung vom 09.04.2014

5 StR 106/14

Normen:
StGB § 63

BGH, Beschluss vom 09.04.2014 - Aktenzeichen 5 StR 106/14

DRsp Nr. 2014/6874

Strafschärfende Berücksichtigung eines erheblichen Missverhältnisses zwischen der Tat und deren Anlass bei Begehung der Tat in einem schuldmindernden destruktiven Impulsdurchbruch

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 63 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der allgemeinen Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO .

1. Schuld- und Maßregelausspruch weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Namentlich ist die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke noch tragfähig begründet. Der Senat entnimmt den Urteilsgründen, dass die Wehrlosigkeit des Opfers entgegen missverständlichen Ausführungen (UA S. 32 f.) nicht auf dessen körperlicher Beeinträchtigung beruhte, sondern maßgebend durch die Arglosigkeit begründet war. Auch die Annahme des Ausnutzungsbewusstseins bei dem in seinen kognitiven Fähigkeiten nicht beeinträchtigten Angeklagten ist in Anbetracht der offensichtlichen Tatsituation letztlich nicht rechtsfehlerhaft (zu den Anforderungen Jähnke in LK, 11. Aufl., § 211 Rn. 45). Im Ergebnis Gleiches gilt trotz offener Formulierungen (UA S. 14, 38) im Blick auf die gravierenden Auswirkungen der geistigseelischen Beeinträchtigung des Angeklagten für die Diagnose des nach § 63 StGB erforderlichen länger dauernden Defektzustandes (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. April 1998 - 1 StR 103/98, NJW 1998, 2986 , 2987; Beschluss vom 5. Februar 2003 - 2 StR 1/03, NStZ-RR 2003, 168 , 169).

2. Die durch die Schwurgerichtskammer angestellten Strafzumessungserwägungen halten hingegen rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen einem Angeklagten Anlass und Modalitäten der Tat nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistigseelischen Beeinträchtigung zu finden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 - 5 StR 365/02, NStZ-RR 2003, 104 ; vom 31. Januar 2012 - 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169 ; vom 12. März 2014 - 5 StR 69/14 mwN).

Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht lastet dem Angeklagten bei der Strafbemessung wesentlich an, dass die Tat "mit nicht unerheblicher Brutalität und massiver Gewaltanwendung einherging" und dass "objektiv ein erhebliches Missverhältnis zwischen der Tat und deren Anlass" bestand (UA S. 37). Indessen hat der Angeklagte die Tat nach den Feststellungen in einem schuldmindernden "destruktiven Impulsdurchbruch" begangen, der auf ihn seit Jahren beherrschende wahnhafte Vorstellungen zurückgeht (UA S. 25 f.). Hiermit setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander, obgleich sich aufdrängt, dass die genannten Umstände Ausfluss des beim Angeklagten bestehenden und zur Unterbringung nach § 63 StGB führenden gravierenden Defektzustandes gewesen sind. Auch bei einer Gesamtschau der Ausführungen zur Strafzumessung kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht diese Möglichkeit bei der strafschärfenden Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungstatsachen aus den Augen verloren hat.

3. Der Strafausspruch bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die der Strafzumessung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Wertungsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 28.10.2013