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BGH - Entscheidung vom 19.03.2014

I ZR 209/12

Normen:
ZPO § 68
HGB § 475 Satz 1
ZPO § 68
HGB § 475 S. 1
BGB § 278
HGB § 475 S. 1
VVG § 86 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
MDR 2014, 1169
NJW 2014, 6
NJW-RR 2014, 1379
WM 2014, 2015

BGH, Urteil vom 19.03.2014 - Aktenzeichen I ZR 209/12

DRsp Nr. 2014/12220

Schadensersatzanspruch eines Einlagerers wegen Beschädigung des Gutes

a) Die Frage, ob ein Gericht die Interventionswirkung der in einem Vorprozess ergangenen Entscheidung rechtsfehlerfrei beurteilt hat, ist auch ohne Revisionsrüge von Amts wegen zu prüfen.b) Der Einlagerer, der Schadensersatz wegen Beschädigung des Gutes während der Lagerzeit beansprucht, muss grundsätzlich darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er das Gut in unbeschädigtem Zustand eingelagert und der Lagerhalter es beschädigt zurückgegeben hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 6. Zivilsenat - vom 8. Oktober 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

BGB § 278 ; HGB § 475 S. 1; VVG § 86 Abs. 1 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerin ist führender Transportversicherer der O. GmbH in Hamburg (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die beklagte Lagerhalterin wegen Beschädigung eines medizinischen Analysegeräts - teilweise in gewillkürter Prozessstandschaft - aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz in Anspruch. Darüber hinaus verlangt sie von der Beklagten die Erstattung der in einem erfolglos geführten Vorprozess entstandenen Kosten sowie Ersatz vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten.

Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte im Januar 2008 auf der Grundlage eines seit dem 1. April 2007 bestehenden Dienstleistungsvertrags mit der Einlagerung eines medizinischen Analysegeräts, das am 22. Januar 2008 an die Beklagte als "Retourensendung" übergeben wurde. Die Einlagerung erfolgte am Sitz der Beklagten in Hamburg, B.-Straße . Am 12. August 2008 wurde das Gerät nebst Zubehör dort im Auftrag der Versicherungsnehmerin von einem Transportunternehmen abgeholt und zu der ebenfalls in Hamburg ansässigen Ol. GmbH befördert, wo das Gerät in beschädigtem Zustand ankam. Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort die Beschädigung entstanden war, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin hat wegen des streitgegenständlichen Schadens unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts ihrer Versicherungsnehmerin Ersatz in Höhe von 108.733,54 € geleistet. Diesen Betrag nebst Selbstbehalt in Höhe von 2.500 € und Zinsen hat sie zunächst - gestützt auf § 425 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 VVG und § 398 BGB - ohne Erfolg gegenüber dem von der Versicherungsnehmerin beauftragten Transportunternehmen geltend gemacht (Urteil vom 9. April 2010 des Landgerichts Hamburg, Kammer 012 für Handelssachen - 412 O 106/09). In jenem Verfahren war die Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als Streithelferin beigetreten.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Analysegerät sei der Beklagten am 22. Januar 2008 in unbeschädigtem Zustand übergeben worden. Dies ergebe sich aus der von einem Mitarbeiter der Beklagten am selben Tag unterzeichneten Anlieferungsquittung. Aufgrund der im Vorprozess getroffenen Feststellungen stehe fest, dass das Gerät zum Zeitpunkt der Auslagerung beschädigt gewesen sei. Die Beschädigung sei während der Obhutszeit der Beklagten in deren alleinigem Verantwortungsbereich entstanden. Der ihrer Versicherungsnehmerin entstandene Schaden habe 111.233,54 € betragen. Darüber hinaus schulde die Beklagte ihr den Ersatz der Kosten des Vorprozesses in Höhe von 15.883,87 €. Diese Beträge nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.356,68 € hat die Klägerin gegen die Beklagte geltend gemacht.

Die Beklagte hat eine Verantwortlichkeit für den eingetretenen Schaden in Abrede gestellt. Sie hat vorgebracht, das als "Retourensendung" verbuchte Analysegerät sei - wie mit der Versicherungsnehmerin vereinbart - nach der Anlieferung in den von ihrem Warenlager räumlich getrennten und für sie nicht zugänglichen, von der Versicherungsnehmerin zur technischen Überprüfung und Vorbereitung von Geräten genutzten Bereich gebracht worden, in dem es bis zur Auslieferung verblieben sei. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin freien Zugang zu den in ihren, der Beklagten, Lagerräumen verwahrten Waren, so dass sie diese jederzeit in den Gerätevorbereitungsbereich verbringen und auch wieder zurückstellen könnten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte schulde für die Beschädigung des Analysegeräts gemäß § 475 Satz 1 HGB Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe. Darüber hinaus sei sie wegen Verzugs zum Ersatz der Kosten des Vorprozesses und der von der Klägerin beanspruchten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verpflichtet. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Die Klägerin verlange wegen Beschädigung von eingelagertem Gut Schadensersatz. Sie müsse in einem solchen Fall nur beweisen, dass das Gut an den Lagerhalter unbeschädigt übergeben worden sei. Diesen Beweis habe die Klägerin durch Vorlage der von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Einlieferungsquittung geführt. Aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg im Vorprozess ergebe sich, dass der äußere Verpackungskarton bei der Übergabe des Analysegeräts an den Fahrer, der den Transport vom Lager der Beklagten zur Sachsenstraße in Hamburg durchgeführt habe, beschädigt gewesen sei. Die Beschädigungen am Karton seien mit den am Gerät festgestellten Schäden deckungsgleich gewesen. Das Landgericht sei daher im Vorprozess zu dem Ergebnis gelangt, dass die am Analysegerät vorhandenen Schäden vor dessen Auslagerung im Lager der Beklagten entstanden seien. An diese Feststellungen des Landgerichts im Vorprozess sei die Beklagte aufgrund ihrer Nebenintervention im vorangegangenen Rechtsstreit gebunden.

Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass das Analysegerät vor der Auslagerung in den Gerätevorbereitungsbereich der Versicherungsnehmerin verbracht und auf diese Weise ihrer Obhut entzogen worden sei. Ebenso wenig habe die Beklagte konkret dargelegt, dass das Gerät während seiner Verwahrung in ihrem Lager durch Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin beschädigt worden sei. Die Beklagte habe auch nicht das Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes ausgeräumt.

Die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzes sei nicht zu beanstanden. Auf Haftungsbegrenzungen könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen, weil sie vertragswesentliche Pflichten verletzt habe.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 475 Satz 1 HGB , § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG , § 398 BGB wegen Beschädigung des Analysegeräts zum Schadensersatz verpflichtet ist.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich eine mögliche Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Schaden grundsätzlich nach § 475 Satz 1 HGB beurteilt, da sie das Analysegerät in Erfüllung des mit der Versicherungsnehmerin im März 2007 geschlossenen Dienstleistungsvertrags zur Einlagerung übernommen hat. Von der Revision wird dagegen auch nichts erinnert.

2. Die Revision wendet sich im Ergebnis mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Analysegerät habe einen Totalschaden erlitten, als es sich in der Obhut der Beklagten befunden habe. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine solche Annahme nicht.

a) Eine Haftung der Beklagten für den streitgegenständlichen Schaden setzt nach § 475 Satz 1 HGB voraus, dass die Beschädigung des Analysegeräts in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung, also in der Obhut des Lagerhalters, entstanden ist. Der Einlagerer muss somit darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass das Gut unversehrt in die Verwahrung des Lagerhalters gelangt und beschädigt aus ihr herausgelangt ist. Der Lagerhalter hat dagegen darzutun, wie der Schaden entstanden ist und dass er durch die gebotene Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BGH, Urteil vom 19. Juni 1986 - I ZR 15/84, TranspR 1986, 459 , 461 = VersR 1986, 1019 ; Urteil vom 26. September 1991 - I ZR 143/89, TranspR 1992, 38 , 39 = VersR 1991, 1432 ; MünchKomm.HGB/Frantzioch, 2. Aufl., § 475 Rn. 15 f.).

b) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das Analysegerät der Beklagten in unbeschädigtem Zustand zur Einlagerung übergeben worden ist. Es hat sich dabei auf die von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichnete Anlieferungsquittung vom 22. Januar 2008 und die Bekundungen der in erster Instanz vernommenen Zeugen W. und B. , die seinerzeit bei der Beklagten beschäftigt waren, gestützt. In der von dem Zeugen W.

unterzeichneten Quittung wird bestätigt, dass die Sendung "vollzählig und in äußerlich guter Beschaffenheit ordnungsgemäß empfangen" wurde. Der Zeuge B. hat bei seiner Vernehmung zudem ausgesagt, er habe sich speziell damit befasst, ob die angelieferte Kiste beschädigt gewesen sei. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er die Beschädigungen fotografiert, die Schäden in das System eingegeben und eine Meldung an die Importabteilung sowie an die Versicherungsnehmerin gerichtet. Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annehmen, dass das Analysegerät zum Zeitpunkt der Einlieferung am 22. Januar 2008 unbeschädigt war. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandungen.

c) Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht seine Annahme, das Analysegerät sei während des Einlagerungszeitraums durch die Beklagte oder Dritte, für deren Verhalten die Beklagte gemäß § 278 BGB einzustehen habe, beschädigt worden.

aa) Die Revision macht insoweit allerdings vergeblich geltend, die Beklagte brauche schon deshalb nicht für eine Beschädigung des Analysegeräts während dessen Aufbewahrung in ihren Lagerräumen zu haften, weil sich das Gerät in dieser Zeit nicht ununterbrochen in ihrer alleinigen Obhut befunden habe. Die Revision meint, aus dem Umstand, dass Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin jederzeit Zugriff auf das Gerät gehabt hätten, ergebe sich, dass sie es in den Gerätevorbereitungsbereich hätten bringen und dort auch beschädigen können. Dementsprechend müsse die Klägerin nachweisen, dass das Analysegerät dem Verantwortungsbereich der Beklagten nicht entzogen und von Mitarbeitern der Beklagten beschädigt worden sei.

(1) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Der Senat hat in seinem von der Revision in diesem Zusammenhang herangezogenen Urteil vom 26. September 1991 - I ZR 143/89 ( TranspR 1992, 38 , 39) zwar entschieden, dass der Einlagerer, der einzelne der eingelagerten Waren wieder entnommen hat, beweisbelastet dafür ist, dass ein bestimmtes, bei Abholung des restlichen Warensortiments nicht mehr im Lager befindliches Gut während seiner Verwahrung durch den Lagerhalter verlorengegangen ist. Diese Senatsentscheidung besagt jedoch nicht, dass sich die Beweislast generell ändert, wenn der Einlagerer während der Lagerzeit Zugriff auf die eingelagerten Waren hat (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2007, 480, 481). Der Senat hat die Beweislastverteilung im seinerzeit entschiedenen Fall nur deshalb abweichend von § 475 Satz 1 HGB beurteilt, weil eine Auflistung des Gutes bei seiner Einlagerung auf Wunsch des Einlagerers unterblieben und dieser deshalb dafür verantwortlich war, dass dem Lagerhalter bereits zum Zeitpunkt der Einlagerung jede Kontrollmöglichkeit hinsichtlich des Gutes genommen war. Eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Beklagte die einzulagernden Neuwaren und Retouren über ein Lagerführungssystem erfasst.

(2) In den Fällen, die der Senatsentscheidung vom 26. September 1991 ( TranspR 1992, 38 ) und dem von der Revision ebenfalls herangezogenen Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Oktober 2006 - 15 U 48/06 (OLGR Karlsruhe, 2007, 480) zugrunde lagen, war zudem unstreitig, dass der Einlagerer einzelne der eingelagerten Waren später wieder an sich genommen hatte. Im Streitfall hat das Berufungsgericht dagegen nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin das eingelagerte Analysegerät - wenn auch nur vorübergehend - in ihre Obhut genommen haben. Dagegen erinnert die Revision ebenfalls nichts.

bb) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass sich die Beklagte ihrer lagervertraglichen Verantwortlichkeit für das Analysegerät nicht dadurch entledigt hat, dass sie das Gerät in den ihrer Einflussnahme entzogenen Bereich der Gerätevorbereitung der Versicherungsnehmerin gegeben hat.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte für diesen Vortrag mit Recht als beweisbelastet angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1973 - I ZR 8/72, VersR 1973, 342 , 343; Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 133/91, NJW 1993, 1704 , 1706; OLG Karlsruhe, OLGR 2007, 480; Teutsch in Fremuth/Thume, Transportrecht, § 475 HGB Rn. 20) und angenommen, die Beklagte habe den Nachweis einer vorzeitigen Obhutsaufgabe nicht geführt. Auch das begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel der Beklagten nicht ohne vorherige Vernehmung des Zeugen G. zurückweisen dürfen. Das Berufungsgericht hat den Beweisantritt der Beklagten beachtet. Es hat eine Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen für nicht geboten erachtet, weil er lediglich für die vereinbarte allgemeine Behandlung von Retourensendungen benannt worden sei. Darauf kommt es für eine mögliche Haftungsbefreiung der Beklagten jedoch nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob das Analysegerät nach seiner Einlieferung im Lager der Beklagten tatsächlich in den von der Versicherungsnehmerin dort unterhaltenen Gerätevorbereitungsbereich verbracht wurde, weil die vereinbarte allgemeine Behandlung von Retourensendungen nicht ohne weiteres den Schluss darauf zulässt, dass auch mit dem streitgegenständlichen Gerät so verfahren wurde. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, die Beklagte habe nicht dargelegt, der als Zeuge benannte Mitarbeiter G. könne aus eigener Wahrnehmung Angaben zum konkreten Verbleib des Analysegeräts nach der Übernahme durch die Mitarbeiter W. und B. der Beklagten machen. Unter den gegebenen Umständen brauchte eine Vernehmung des Zeugen G. nicht zu erfolgen.

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschädigung des Analysegeräts sei im Verantwortungsbereich der Beklagten entstanden, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch deshalb nicht stand, weil auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass das unversehrt eingelagerte Analysegerät bei seiner Auslieferung an das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen am 12. August 2008 beschädigt war.

An den Zeitraum, in dem die Beklagte das Analysegerät in Verwahrung hatte, hat sich eine Phase angeschlossen, in der sich das Gerät in der Obhut des mit dem Transport zur Sachsenstraße in Hamburg beauftragten Transportunternehmens befunden hat. Die Beschädigung des Geräts ist erst nach der Ablieferung am Bestimmungsort bemerkt worden. Im Hinblick darauf rechtfertigen die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht die Annahme, dass die Schäden bereits im Verantwortungsbereich der Beklagten entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, für eine Haftung der Beklagten aus § 475 Satz 1 HGB brauche die Klägerin nicht nachzuweisen, dass das Analysegerät in beschädigtem Zustand ausgelagert worden sei. Die Beklagte habe für die Schäden am Gerät schon deshalb einzustehen, weil diese nach den Feststellungen in dem im Vorprozess ergangenen Urteil des Landgerichts Hamburg vor der Übergabe an das Transportunternehmen eingetreten seien. Davon sei aufgrund der Interventionswirkung des vorausgegangenen Urteils auch im vorliegenden Rechtsstreit auszugehen. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht aufgrund der Interventionswirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils des Landgerichts Hamburg nicht fest, dass das Analysegerät in beschädigtem Zustand an das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen übergeben worden ist.

Die Revision hat zwar nicht gerügt, dass das Berufungsgericht die Interventionswirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils, in dem die Beklagte als Streithelferin der Klägerin beteiligt war, rechtsfehlerhaft beurteilt hat. Die Frage, ob und inwieweit das Gericht durch das Urteil im Vorprozess gebunden ist, bezieht sich jedoch auf die Urteilsfindung selbst und ist daher auch ohne Revisionsrüge von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 4. Februar 1955 - I ZR 105/53, BGHZ 16, 217 , 228; Urteil vom 26. September 1985 - III ZR 61/84, BGHZ 96, 50 , 54; Urteil vom 26. März 1987 - VII ZR 122/86, BGHZ 100, 257 , 263; Stein/Jonas/Bork, ZPO , 22. Aufl., § 68 Rn. 25; MünchKomm.ZPO/Schultes, 4. Aufl., § 68 Rn. 23; Musielak/Weth, ZPO , 10. Aufl., § 68 Rn. 1; Wieczorek/Schütze/Mansel, ZPO , 3. Aufl., § 68 Rn. 163 f.).

Die Interventionswirkung gemäß § 68 ZPO beschränkt sich auf die die Entscheidung tragenden Feststellungen des Ersturteils (BGH, Urteil vom 9. November 1982 - VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252 , 255; Zöller/Vollkommer, ZPO , 30. Aufl., § 68 Rn. 9). Die Schadensersatzklage der Klägerin gegen das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen ist mit der Begründung abgewiesen worden, die Klägerin habe die Unversehrtheit des Analysegeräts bei seiner Übergabe an den Fahrer nicht bewiesen. Ist der Kläger im vorausgegangenen Rechtsstreit aus Gründen der Beweislast unterlegen, steht für den Folgeprozess nur die Unaufklärbarkeit der zu beweisenden Tatsache - im vorliegenden Fall die Unversehrtheit des Analysegeräts bei dessen Auslagerung - fest. Nur dies muss sich der Streitverkündete im Folgeprozess entgegenhalten lassen. Ist der vormalige Streitverkündete im Folgeprozess nicht beweisbelastet, dann geht es nicht zu seinen Lasten, dass die streitige Tatsache im Vorprozess nicht bewiesen worden ist (BGHZ 85, 252 , 257 f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2005, 629, 630). Das "non liquet" im Ausgangsprozess beschwert die im vorliegenden Rechtsstreit für den Zustand des Analysegeräts bei der Auslagerung nicht beweispflichtige Beklagte daher nicht. Dementsprechend konnte das Berufungsgericht nicht ohne eigene Sachverhaltsfeststellungen davon ausgehen, dass das Analysegerät in beschädigtem Zustand an das von der Versicherungsnehmerin beauftragte Transportunternehmen übergeben worden ist. Denn der Einlagerer muss grundsätzlich darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihm das in unbeschädigtem Zustand eingelagerte Gut nach Beendigung der Lagerzeit vom Lagerhalter beschädigt übergeben worden ist (vgl. MünchKomm.HGB/Frantzioch aaO § 475 Rn. 15 f.; Koller, Transportrecht, 8. Aufl., § 475 HGB Rn. 5).

III. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO ).

Verkündet am: 19. März 2014

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 08.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 179/11
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 20.10.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 413 HKO 154/10
Fundstellen
MDR 2014, 1169
NJW 2014, 6
NJW-RR 2014, 1379
WM 2014, 2015