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BGH - Entscheidung vom 11.02.2014

II ZR 107/13

Normen:
ZPO § 561

BGH, Urteil vom 11.02.2014 - Aktenzeichen II ZR 107/13

DRsp Nr. 2014/6878

Schadensersatz wegen Beratungsfehlers im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer stillen Gesellschaft bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. Februar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 561 ;

Tatbestand

Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 29. März 2001 als atypisch stille Gesellschafterin an der Beklagten im Rahmen des Beteiligungsprogramms "Sprint", bei dem die Einlage in Raten bezahlt wird, mit einem Betrag in Höhe von 18.000 DM zuzüglich einem Agio von 1.080 DM.

Mit der Behauptung, der für ihre Anlageentscheidung maßgebliche Emissionsprospekt Stand 2001/2002 weise zahlreiche, von ihr im Einzelnen dargelegte Fehler auf und die Beklagte sei ihr daher zum Schadensersatz verpflichtet, hat die Klägerin von der Beklagten Rückzahlung ihrer bisher geleisteten Einlage nebst Agio in Höhe von 6.391,23 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung, entgangenen Gewinn in Höhe von 1.808,58 € und Ersatz außergerichtlicher Kosten verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihr gegenüber aus der Beteiligung keinerlei Rechte mehr geltend machen könne und sie von jeglicher Haftung freizustellen habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ersatz ihres Zeichnungsschadens nach den regelmäßig auch auf eine stille Gesellschaft anwendbaren Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft nicht zu. Nach diesen Grundsätzen sei es einem Gesellschafter verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen; vielmehr sei er regelmäßig auf seinen Abfindungsanspruch beschränkt.

Das streitgegenständliche Gesellschaftsverhältnis sei kein zweigliedriges, bei dem die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegenstünden, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sei, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte dieser den Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen. Es liege vielmehr eine mehrgliedrige stille Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft vor, bei der die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft dem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage entgegenstünden. Es komme daher nicht darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen für diesen Anspruch, namentlich die gerügten Prospektfehler, gegeben seien.

II. 1. Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, sondern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat in den am 19. November 2013 verkündeten Urteilen in entsprechende Beteiligungen an der Beklagten betreffende Parallelverfahren im Einzelnen begründet hat (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 320/12, [...], Rn. 14 ff.; Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, ZIP 2013, 2355 Rn. 17 ff.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr - nach ihrem Vorbringen - durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungsoder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, ZIP 2013, 2355 Rn. 28 ff.).

2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht geprüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ).

Da in der Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit rückwirkender Kraft beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974 - II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 344 f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214 , 223), kann auch im vorliegenden Fall von einer Kündigung des (stillen) Gesellschaftsverhältnisses durch die Klägerin ausgegangen werden. Dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwaigen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 4 mwN) und der Klägerin daher Gelegenheit gegeben werden muss, ihr Klagevorbringen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben angesprochenen rechtlichen Vorgaben der Senatsentscheidungen vom 19. November 2013 anzupassen. Für die Berechnung ihres etwaigen Abfindungsanspruchs, dem die nur den weitergehenden Schadensersatzanspruch betreffende, auf die Sicherung ungeschmälerter eventueller Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter gerichtete Sperre nicht entgegenstünde, ist die Klägerin zudem auf die Mitwirkung der Beklagten angewiesen, die gemäß § 16 Nr. 1 Buchst. g des stillen Gesellschaftsvertrags mit der Ermittlung des Abfindungsguthabens einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen hat.

Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegehren der Klägerin zur Sicherung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesellschafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungsund Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumindest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonstigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegeben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungsoder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.

III. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 11. Februar 2014

Vorinstanz: LG München I, vom 04.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 27 O 19702/11
Vorinstanz: OLG München, vom 07.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 2868/12