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BGH - Entscheidung vom 08.07.2014

1 StR 240/14

Normen:
AO § 370 Abs. 1 Nr. 2
TabStG § 2
TabStG § 23 Abs. 1 S. 3

Fundstellen:
AO-StB 2015, 126
AO-StB 2015, 12

BGH, Beschluss vom 08.07.2014 - Aktenzeichen 1 StR 240/14

DRsp Nr. 2014/14569

Pflicht zur Abgabe einer unverzüglichen Steuererklärung bei Einfuhr von Zigaretten in das Steuergebiet der BRD bzgl. Steuerhinterziehung

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. November 2013 wird

a)

das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b)

das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 59 Fällen schuldig ist.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

3.

Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 ; TabStG § 2 ; TabStG § 23 Abs. 1 S. 3;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO .

1. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, ist insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten.

Der Angeklagte ist seiner Pflicht, für die ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben (vgl. § 19 Satz 3 TabStG aF; § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG ), nicht nachgekommen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ). Da in solchen Fällen mangels kontinuierlichen abschnittsbezogenen Veranlagungsverfahrens kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann und § 168 AO - anders als bei Steueranmeldungen (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO ) nicht eingreift, ist für die Tatvollendung derjenige Zeitpunkt maßgeblich, zu dem bei rechtzeitiger Abgabe einer Steuererklärung mit der Bekanntgabe einer Steuerfestsetzung zu rechnen gewesen wäre (vgl. zur Hinterziehung von Schenkungsteuer BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10, Rn. 41, wistra 2011, 428 ). Tatbeendigung tritt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG bzw. § 19 Satz 3 TabStG aF nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs demgegenüber erst dann ein, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer oder Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben und dort "zur Ruhe gekommen" sind (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 StR 635/09, wistra 2010, 226 mwN).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist angesichts des für den Monat Februar 2008 nicht sicher feststehenden Lieferzeitpunkts der Zigaretten zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tat im Fall 1 der Urteilsgründe bereits in den ersten Tagen des Februar 2008 beendet war (zur Anwendung des Zweifelsatzes auf für die Verjährung bedeutsame Tatsachen vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2006 - 1 StR 224/06, StraFo 2006, 408 und vom 31. August 1987 - 4 StR 435/87, BGHR StGB § 78 Abs. 3 Fristablauf 1). Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB konnte daher im Fall 1 durch den Erlass eines Haftbefehls sowie von Durchsuchungsbeschlüssen am 13. Februar 2013 nicht mehr unterbrochen werden. Die Voraussetzungen einer zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO lagen nicht vor.

2. Die Schuldsprüche in den Fällen 2 bis 60 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht zu beanstanden.

3. Die Einzelstrafaussprüche in diesen Fällen haben trotz unvollständiger Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen der Tabaksteuer sowie unzureichender Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer Bestand.

Zwar fehlt es mit Ausnahme der Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 an den für die Berechnung der Tabaksteuer gemäß § 4 TabStG aF bzw. § 2 TabStG erforderlichen Feststellungen zum jeweiligen Kleinverkaufspreis der betreffenden Zigaretten. Zudem wird das Urteil den Anforderungen an die Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer nicht in vollem Umfang gerecht. Die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts. Das Tatgericht ist zwar nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm als Rechtsanwendung obliegende - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, NStZ-RR 2010, 207 mwN). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte keine Einwände gegen die von den Finanzbehörden vorgenommene Schadensberechnung erhoben hat. Daran fehlt es hier. Die Urteilsgründe ermöglichen es dem Revisionsgericht mit Ausnahme der exemplarisch dargestellten Berechnungen für die Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 nicht, die Berechnung der von dem Angeklagten hinterzogenen Tabaksteuern nachzuvollziehen.

Der Senat schließt jedoch angesichts der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten nur geringfügigen Abweichung der vom Tatgericht der Strafzumessung zugrunde gelegten verkürzten Tabaksteuer von der niedrigsten rechnerisch möglichen Tabaksteuer (zur Berechnung vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, NStZ-RR 2010, 207 ) aus, dass sich dies auf die festgesetzten Einzelstrafen ausgewirkt hat.

4. Die Teileinstellung des Verfahrens führt zum Wegfall der im Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafausspruch bleibt hiervon unberührt, da der Senat angesichts der verbleibenden Einzelstrafen ausschließt, dass das Landgericht ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

Fundstellen
AO-StB 2015, 126
AO-StB 2015, 12