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BGH - Entscheidung vom 18.12.2014

III ZR 472/13

Normen:
EGZPO § 26 Nr. 8 Satz 2; GVG § 198
EGZPO § 26 Nr. 8 S. 2
GVG § 198
GVG § 201 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
NJW 2015, 8

BGH, Beschluss vom 18.12.2014 - Aktenzeichen III ZR 472/13

DRsp Nr. 2015/984

Inanspruchnahme eines Bundeslandes auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen unangemessener Dauer eines Zivilprozesses

EGZPO § 26 Nr. 8 Satz 2; GVG § 198 § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO stellt eine den Besonderheiten des Berufungsverfahrens Rechnung tragende Ausnahmebestimmung dar. Auf die Abweisung der Entschädigungsklage als unzulässig durch das erstinstanzlich entscheidende Oberlandesgericht (§ 201 Abs. 1 Satz 1 GVG ) ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 4. Oktober 2013 - 1 SchH 1/12 - wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 10.000 €

Normenkette:

EGZPO § 26 Nr. 8 S. 2; GVG § 198 ; GVG § 201 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von 7.200 € wegen unangemessener Dauer eines Zivilprozesses in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.

Das Ausgangsverfahren, in dem der Kläger Auseinandersetzungsansprüche im Zusammenhang mit der Auflösung einer Anwaltssozietät verfolgt, ist seit dem Jahr 2004 bei dem Landgericht S. anhängig und noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Rechtsstreit hätte bereits im Jahr 2005 erledigt werden können und sei seither ungerechtfertigt verzögert.

Das Oberlandesgericht R. hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Kläger die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht "unverzüglich" im Sinne von Art. 23 Satz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) erhoben und zudem die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht eingehalten habe.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 201 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GVG i.V.m. § 544 ZPO , § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ).

1.

Die Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist auf Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in erstinstanzlichen Urteilen der Oberlandesgerichte über Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff GVG entsprechend anwendbar. Solche Urteile unterliegen daher nur dann der Nichtzulassungsbeschwerde, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (Senatsbeschlüsse vom 25. Juli 2013 - III ZR 400/12 und III ZR 413/12, BeckRS 2013, 14571 und NJW 2013, 2762 jeweils Rn. 3 ff und vom 27. Februar 2014 - III ZR 161/13, BeckRS 2014, 05764 Rn. 6 ff).

2.

Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils (BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - I ZR 160/11, BeckRS 2012, 10947 Rn. 3 und vom 15. Mai 2014 - I ZR 176/13, BeckRS 2014, 11248 Rn. 5; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 26 EGZPO Rn. 9 f). Hier will sich der Kläger mit der Revision gegen die Abweisung seiner Entschädigungsklage wenden. Der Wert der Beschwer richtet sich daher nach dem Interesse des Klägers an einer Verurteilung des Beklagten. Das Oberlandesgericht hat den Streitwert für die Klage entsprechend dem Vorbringen in der Klageschrift auf bis zu 10.000 € festgesetzt. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerde auch gar nicht geltend gemacht, dass diese Wertfestsetzung unrichtig ist. Der Wert des Beschwerdegegenstands erreicht somit nicht die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO .

3.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde folgt die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht aus § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO . Nach dieser Bestimmung werden Urteile eines Berufungsgerichts, durch die die Berufung als unzulässig verworfen wird, vom Anwendungsbereich der Übergangsregelung ausgenommen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass eine unzulässige Berufung sowohl durch Beschluss (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO ) als auch durch Urteil verworfen werden kann. Wird die Berufung durch Beschluss verworfen, so findet stets - unabhängig vom Wert der Beschwer - die Rechtsbeschwerde statt (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ). Um einen Gleichlauf des Rechtsschutzes herbeizuführen, hat der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) bestimmt, dass gegen Urteile, die die Berufung als unzulässig verwerfen, die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Bindung an eine Wertgrenze gegeben ist (MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 26 EGZPO Rn. 6; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO , 35. Aufl., § 26 EGZPO Rn. 9a; Zöller/Heßler, ZPO , 30. Aufl., § 26 EGZPO Rn. 15b). Bei § 26 Nr. 8 Satz 2 EGZPO handelt es sich somit um eine den Besonderheiten des Berufungsverfahrens Rechnung tragende Ausnahmebestimmung. Auf die Abweisung der Entschädigungsklage als unzulässig durch das erstinstanzlich entscheidende Oberlandesgericht (§ 201 Abs. 1 Satz 1 GVG ) ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar. Sie ist für den Entschädigungsprozess nach §§ 198 ff GVG , der keinen Berufungsrechtszug kennt (§ 201 Abs. 2 Satz 3 ZPO ), ohne Bedeutung.

Vorinstanz: OLG Rostock, vom 04.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 1 SchH 1/12
Fundstellen
NJW 2015, 8