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BGH - Entscheidung vom 26.03.2014

VI ZR 254/12

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 544 Abs. 4 S. 2

BGH, Beschluss vom 26.03.2014 - Aktenzeichen VI ZR 254/12

DRsp Nr. 2014/6694

Fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung als Gehörsverletzung

1. Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen nicht nachgekommen ist.2. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG erfordert, dass die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und die Rechtslage in krasser Weise verkannt worden ist.

Tenor

Die Anhörungsrüge vom 17. Februar 2014 gegen den Beschluss des Senats vom 28. Januar 2014 wird auf Kosten der Beklagten zu 2 bis 4 zurückgewiesen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 544 Abs. 4 S. 2;

Gründe

Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen jedoch nicht das Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205 , 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432 f.). Nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann das Revisionsgericht von einer Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Von dieser Möglichkeit hat der Senat im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Er hat bei seiner Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das Vorbringen der Beklagten in vollem Umfang geprüft, ihm aber keine Gründe für eine Zulassung der Revision entnehmen können.

Insbesondere hat der Senat die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG wegen einer fehlerhaften Ermittlung Schweizer Rechts gemäß § 293 ZPO geprüft, eine solche Verletzung jedoch nicht feststellen können.

Ein zulassungsrelevanter Gehörsverstoß liegt nicht vor. Das Gebot des rechtlichen Gehörs sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfGE 107, 395 , 409). Insbesondere verpflichtet es das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (so etwa BVerfGE 86, 133 , 145 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 300 f.). Die Nichtzulassungsbeschwerde hat nicht gerügt, das Berufungsgericht habe Vortrag der Beklagten zum Inhalt des Schweizer Rechts übergangen oder sie zu seiner Beurteilung des ausländischen Rechts nicht angehört. Die Anhörungsrüge räumt selbst ein, dass sich das Berufungsgericht mit dem Sachvortrag der Beklagten zum Inhalt Schweizer Rechts befasst hat. Sie rügt vielmehr, dass das Beschwerdegericht ermessensfehlerhaft keine Ermittlung des Schweizer Rechts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorgenommen habe.

Darin ist jedoch weder eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen einer willkürlichen Entscheidung zu sehen. Eine nur fragwürdige oder sogar fehlerhafte Rechtsanwendung reicht dafür nicht aus; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 299 f.). Dies ist im Streitfall nicht gegeben.

Das Berufungsgericht hat sich auf eine ausländische Kommentarstelle gestützt, die ihrerseits Bezug auf eine Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts nimmt. Die Beklagten haben auch nach dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde keine abweichende ausländische Gerichtspraxis vorgetragen und das Berufungsgericht musste mithin nicht vor Augen haben, einen unzutreffenden Inhalt des (praktizierten) Schweizer Rechts ermittelt zu haben. Das Ermittlungsermessen des Tatgerichts wird indes auch vom Vortrag der Parteien mitbestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 , 164; Beschluss vom 21. Dezember 2011 - I ZR 144/09, TranspR 2012, 110 Rn. 11). Angesichts dieser Einzelfallumstände und des grundsätzlich gegebenen Ermessensspielraums des Tatrichters bei der Weise der Kenntnisverschaffung über das ausländische Recht (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 1987 - VI ZR 112/86, VersR 1987, 818 , 819 mwN; BGH, Urteile vom 30. April 2013 - VII ZB 22/12, MDR 2013, 866 Rn. 39; vom 23. Juni 2003 - II ZR 305/01, NJW 2003, 2685 , 2686) ist die Nichteinholung eines Rechtsgutachtens nicht willkürlich gewesen und stellt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

Vorinstanz: LG München II, vom 20.10.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 11 O 6065/10
Vorinstanz: OLG München, vom 17.04.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 18 U 4640/11