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BGH - Entscheidung vom 02.12.2014

VI ZR 520/13

Normen:
BGB § 31
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
BGB § 831
StGB § 263

BGH, Urteil vom 02.12.2014 - Aktenzeichen VI ZR 520/13

DRsp Nr. 2015/582

Erwerb von Unternehmensanteilen durch Abschluss eines Anlagevertrages nach einem Beratungsgespräch mit dem Filialleiter als Verrichtungsgehilfen des Unternehmens i.R.v. Schadensersatzansprüchen

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 31 ; BGB § 823 Abs. 2 ; BGB § 826 ; BGB § 831 ; StGB § 263 ;

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft nach türkischem Recht, deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Unternehmensanteilen geltend.

Die Beklagte wurde im Jahr 1998 gegründet und ist ein Unternehmen der Kombassan-Gruppe, zu der auch die Kombassan Holdings S. A. 1929 gehörte. Vorstandsvorsitzender beider Gesellschaften war B. Über das Vermögen der Kombassan Holdings S. A. 1929 wurde am 5. Oktober 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 26. Februar 2000 unterzeichnete der Kläger eine Vertragsurkunde, nach deren Inhalt er bei der Kombassan Holdings S. A. 1929 einen Betrag von 20.250 DM anlegte. Er erhielt dafür ein Zertifikat, das zu einem späteren Zeitpunkt in Anteilsscheine der Beklagten umgetauscht wurde. Dem Vertragsschluss ging ein Beratungsgespräch mit dem Zeugen S. voraus, einem Angestellten der Kombassan Holdings S. A. 1929. Vor der Gründung der Kombassan Holdings S. A. 1929 hatte S. als selbständiger Vermittler Anteile der Beklagten veräußert. Anfang 2008 bemühte sich der Kläger erfolglos um eine Rückerstattung des angelegten Betrags.

Der Kläger behauptet, die Beklagte sei der Mutterkonzern der Kombassan-Gruppe. Die Gesellschaften seien personell und infrastrukturell verbunden gewesen. Der Zeuge S. sei der regionale bzw. "gebietszuständige" Filialleiter der Beklagten gewesen, der im Raum H. Kapitalanlagen der Kombassan Holdings S. A. 1929 und der Beklagten vermittelt und zu diesem Zweck ein von der Beklagten finanziertes Büro unterhalten habe. Der Zeuge S. habe, Vorgaben des Vorstandsvorsitzenden B. folgend, den Kläger über die zu erwartende Rendite und darüber getäuscht, dass eine Rückzahlungsgarantie innerhalb von drei Monaten nach einer Kündigung gegeben sei. Auch sei dem Kläger nicht bewusst gewesen, dass er sich an der Kombassan Holdings S. A. 1929 und nicht an der Beklagten beteilige. Hätte er gewusst, dass die Kombassan Holdings S. A. 1929 eine selbständige Gesellschaft sei, hätte er die Anlage nicht getätigt. Das Zertifikat sei außerdem vertragswidrig nicht in Aktien der Kombassan Holdings S. A. 1929, sondern in solche der Beklagten umgetauscht worden. Er verlangt, so gestellt zu werden, als hätte er die Kapitalanlage nicht getätigt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Anteilsscheine verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Kläger Inhaber der Anteilsscheine ist. Der Beklagten sei jedenfalls ein sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Kläger nicht vorzuwerfen. Es sei nicht erwiesen, dass der Zeuge S. dem Kläger eine Rendite zwischen 15 und 20 Prozent versprochen habe. Der Kläger habe außerdem einen Anlagevertrag mit der Kombassan Holdings S. A. 1929 und nicht mit der Beklagten geschlossen. Die Kombassan Holdings S. A. 1929 habe den Austausch des Zeichnungszertifikats gegen Aktien ihrer Gesellschaft und nicht der Beklagten geschuldet. Sie wäre deshalb wegen der fehlenden Erfüllungswirkung verpflichtet gewesen, die Anteile der Beklagten zurückzunehmen. In rechtlicher Hinsicht habe es mehrere, voneinander unabhängige Gesellschaften gegeben, ohne dass ausgeschlossen gewesen sei, dass sie Anteile der jeweils anderen Gesellschaft erwerben und halten konnten. Ob die Beklagte oder deren Vorstandsvorsitzender gegenüber den Vermittlern und/oder Anlegern den Eindruck erweckten, dass es nur "eine Firma Kombassan" gebe, spiele für die Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger keine Rolle. Die Beklagte habe weder in dem vom Kläger vorgelegten Rundschreiben des Vorstandsvorsitzenden B. eine rechtlich verbindliche Garantie für die Rückgewähr der Einlage gegenüber dem Kläger übernommen, noch hafte sie für Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden B. auf Schulungen für Mitarbeiter der Gesellschaften.

Weder dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten B. noch dem Zeugen S. könne ein Schädigungsvorsatz angelastet werden. Zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Klägers seien nämlich Rückzahlungen tatsächlich erfolgt. Es gebe außerdem keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, wäre er darüber aufgeklärt worden, dass eine Rückabwicklung einen Zweiterwerb voraussetze, von der Anlage Abstand genommen hätte. Schließlich sei nicht davon auszugehen, dass die Anteile beim Erwerb wertlos gewesen seien.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Das Berufungsgericht hat deliktische Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen des Anteilserwerbs im Ergebnis zutreffend verneint. Eine Haftung käme nur in Betracht, wenn die Beklagte nach § 31 BGB oder nach § 831 BGB für das Handeln des S. anlässlich des Vertragsschlusses mit dem Kläger oder nach § 31 BGB für das Verhalten ihres früheren Vorstandsvorsitzenden B. rechtlich einzustehen hätte. Das ist nicht der Fall.

a) Eine Haftung der Beklagten für die Erklärungen des S. gemäß § 831 BGB scheidet aus, weil S. nicht als Verrichtungsgehilfe der Beklagten gehandelt hat.

aa) Entscheidend für die Verrichtungsgehilfeneigenschaft ist, dass die Tätigkeit in einer organisatorisch abhängigen Stellung vorgenommen wird und der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, VersR 2014, 466 Rn. 12; vom 6. November 2012 - VI ZR 174/11, VersR 2013, 203 Rn. 15; vom 10. März 2009 - VI ZR 39/08, VersR 2009, 784 Rn. 11; BGH, Urteile vom 30. Juni 1966 - VII ZR 23/65, BGHZ 45, 311, 313 und vom 12. Juni 1997 - I ZR 36/95, VersR 1998, 862 , 863). Die Qualifikation als Verrichtungsgehilfe setzt mithin Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298 , 303; MünchKomm-BGB/Wagner, 6. Aufl., § 831 Rn. 14). Der Geschäftsherr haftet für einen Verrichtungsgehilfen deshalb, weil er aufgrund eines objektiven Abhängigkeitsverhältnisses befugt ist, auf das Verhalten des Dritten tatsächlich Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls auch das Verhältnis zu diesem zu beenden. Bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Anspruchstellers, dem grundsätzlich der Beweis dafür obliegt, dass ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Geschäftsherrn zugefügt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, aaO und vom 21. Juni 1994 - VI ZR 215/93, VersR 1994, 1202 , 1203).

bb) Umstände, die die Verrichtungsgehilfeneigenschaft des S. im Verhältnis zur Beklagten begründen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Solche sind ersichtlich nicht gegeben. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 9. März 2011 selbst vorgetragen, dass nach Gründung der Kombassan Holdings S. A. 1929 ab dem Jahre 2000 sämtliche Vermittler, die bis dahin ohne vertragliche Grundlage auch für die Beklagte tätig waren, Angestellte der Kombassan Holdings S. A. 1929 geworden sind. Darauf weist die Revisionserwiderung zutreffend hin. Die Revision wendet sich auch nicht dagegen, dass das Berufungsgericht - übereinstimmend mit der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 9. Oktober 2013 die Auffassung vertreten hat, dass der Kläger den Anlagevertrag mit der Kombassan Holdings S. A. 1929 und nicht mit der Beklagten geschlossen hat. Mit Recht stützt sich das Berufungsgericht hierfür auf den eindeutigen Wortlaut des als Anlage K1 vorgelegten Formularvertrages (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB , 73. Aufl. § 133 Rn. 6). Dort wurde als Verwender die Kombassan Holdings S. A. 1929 ausdrücklich genannt. Der Zeuge S. versah dazu seine Unterschrift mit dem Stempelaufdruck der "Kombassan Holdings S. A. 1929 Y. S.".

Eine Haftung der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger - nach seiner Behauptung - für das erworbene Zertifikat Aktien der Beklagten erhielt. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Kläger mit dem Vertrag vom 26. Februar 2000 einen Zeichnungsschein der Kombassan Holdings S. A. 1929 erwarb, aufgrund dessen ihm in der Folgezeit erst die Anteile an der Beklagten zugewiesen worden sind, maßgebend für die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaften.

Ist mithin davon auszugehen, dass der Zeuge S. bei Vertragsschluss für die Kombassan Holdings S. A. 1929 aufgetreten ist, hat die Beklagte rechtlich gemäß § 831 BGB für die Erklärungen des Zeugen S. im Zusammenhang mit dem Anlagegeschäft nicht einzustehen.

b) Eine Einstandspflicht der Beklagten für S. nach § 31 BGB wäre nur gegeben, wenn S. als Organ der Beklagten gehandelt hätte. Hierfür sind nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte nicht gegeben.

c) Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht gemäß § 31 , § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB , § 826 BGB für etwaige Äußerungen ihres früheren Vorstandsvorsitzenden B. (vgl. Senatsurteile vom 14. Oktober 2014 - VI ZR 465/13, [...] Rn. 13 und VI ZR 466/13, [...] Rn. 20).

aa) Die nach § 31 BGB normierte haftungsrechtliche Zurechnung knüpft an die Fähigkeit des Organs an, für die juristische Person zu handeln (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1987 - VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298 , 299 f. und vom 8. Juli 1986 - VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148 , 151). Sie setzt deshalb voraus, dass das Organ in dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis handelte (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1958 - VI ZR 114/57, WM 1959, 80, 81; vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, VersR 1979, 523, 524; vom 8. Juli 1986 - VI ZR 47/85, aaO, S. 151 f. und vom 13. Januar 1987 - VI ZR 303/85, aaO, S. 300). Für ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten ihres früheren Vorstandsvorsitzenden B. müsste die Beklagte in rechtlicher Hinsicht nur insoweit einstehen, als B. als ihr Organ für sie gehandelt hat. Dies kann nach den Umständen des Streitfalls nicht angenommen werden.

bb) Zwar weist die Revision auf Vortrag des Klägers hin, wonach B. im Rahmen von Informationsveranstaltungen die Vermittler und damit auch S. angewiesen habe, bei den Beratungsgesprächen zu erklären, dass angelegte Beträge auf Verlangen innerhalb von drei Monaten zurückerstattet würden, um Anlageinteressenten zum Erwerb von Anteilen zu veranlassen. Doch fehlt Vortrag zu den weiteren Voraussetzungen für eine Zurechnung. Mangels entsprechenden Tatsachenvortrags ist nicht festgestellt, dass B. die behaupteten Äußerungen als Vorstandsvorsitzender der Beklagten tätigte und er für die Beklagte auftrat (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 2014 - VI ZR 469/12, [...] Rn. 11). Für eine alle Gesellschaften der Kombassan-Gruppe umfassende Zurechnung reicht nicht aus, dass es nach der Auffassung des Zeugen S. nur "eine Kombassan" gegeben habe.

2. Ist der Beklagten ein für den Vertragsschluss des Klägers mit der Kombassan Holdings S. A. 1929 ursächlich gewordenes Verhalten des S. und des Vorstandsvorsitzenden B. rechtlich nicht zuzurechnen, kommt es auf die Angriffe der Revision gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und eines Eingehungsbetrugs nicht gegeben sind, nicht an.

Verkündet am: 2. Dezember 2014

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 17.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 333 O 204/08
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 31.10.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 34/12