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BGH - Entscheidung vom 19.03.2014

XII ZB 367/12

Normen:
BGB § 1603
BGB § 1603
ZPO § 850c
BGB § 1603

Fundstellen:
FamRB 2014, 203
FamRZ 2014, 923
FuR 2014, 415
MDR 2014, 661
NJW 2014, 1531

BGH, Beschluss vom 19.03.2014 - Aktenzeichen XII ZB 367/12

DRsp Nr. 2014/6483

Bemessung des Wohnwerts einer vom Unterhaltspflichtigen genutzten Immobilie bei der Inanspruchnahme auf Kindesunterhalt

Zur Bemessung des Wohnwerts einer vom Unterhaltspflichtigen genutzten Immobilie bei der Inanspruchnahme auf Kindesunterhalt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Mai 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung des Antragsgegners das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 1. März 2011 hinsichtlich des ab 1. Juli 2012 zu zahlenden Unterhalts abgeändert worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

ZPO § 850c; BGB § 1603 ;

Gründe

I.

Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.

Der Antragsgegner ist Vater der Kinder Mi., geboren am 31. Januar 1996, A., geboren am 6. März 1998, und Ma., geboren am 6. April 2006, die aus seiner im Jahr 2010 geschiedenen Ehe stammen und in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum bei ihrer Mutter lebten. Der Antragsteller hat insoweit für die Kinder Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II in einer den Mindestunterhalt übersteigenden Höhe erbracht. Durch Rechtswahrungsanzeigen hat er dies dem Antragsgegner 2008 bzw. 2009 mitgeteilt.

Der Antragsgegner ist Vater einer weiteren Tochter C., geboren am 26. Juli 1993, die im Haushalt ihrer Mutter lebte und im Jahr 2013 das Abitur anstrebte. Sein Erwerbseinkommen belief sich im Jahr 2011 auf 2.276,16 € netto monatlich.

Die geschiedenen Eheleute sind Miteigentümer eines Einfamilienhauses, das auf einem Erbpachtgrundstück errichtet worden ist. Zur Finanzierung der Immobilie nahmen sie zum einen ein Darlehen über 107.000 € bei der V. auf, auf das monatliche Raten von 535 € zu zahlen sind- Das Darlehen valutierte im Jahr 2011 noch mit rund 90.000 €. Zum anderen nahmen der Vater und die Stiefmutter des Antragsgegners ein Darlehen über 50.000 € auf und stellten den Eheleuten den Betrag zur Finanzierung des Hauses zur Verfügung. Diese verpflichteten sich im Innenverhältnis, die monatliche Kreditrate von 243,75 € zu übernehmen- Der Antragsgegner erbringt die vorgenannten Annuitäten allein. Das Haus, das früher als Familienheim diente, sollte verkauft werden. Zu diesem Zweck beauftragte der Antragsgegner im Jahr 2010 allein einen Makler, da seine Ehefrau ihre Mitwirkung verweigerte. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war eine Veräußerung noch nicht erfolgt. Anfang 2012 entzog der Antragsgegner dem Makler den Auftrag, um die Immobilienabteilung der örtlichen Sparkasse mit der Vermarktung des Objekts zu beauftragen. Diese wollte allerdings nur tätig werden, wenn auch die Ehefrau den Maklervertrag unterschreibt, wozu Letztere jedenfalls zunächst nicht bereit war.

Über die vorgenannten Darlehensbelastungen hinaus schulden die Eheleute Raten für eine Pkw-Finanzierung in Höhe von monatlich 163 €- Außerdem hat der Antragsgegner geltend gemacht, seine Mutter habe zum Ausgleich des überzogenen Girokontos der Eheleute einen Kredit aufgenommen, auf den monatlich 144,99 € zu zahlen seien- Die Ehegatten hätten sich der Mutter gegenüber zur Rückführung des Darlehens verpflichtet.

Der Antragsteller hat beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Unterhalts sowie ab 1. Juli 2010 zur laufenden Zahlung in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts für die drei ehelichen Kinder unter Anrechnung des jeweiligen hälftigen Kindergeldes zu verpflichten. Das Amtsgericht hat dem Antrag in dem noch streitgegenständlichen Umfang stattgegeben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Beschluss teilweise abgeändert und den Antragsgegner neben Unterhaltsrückständen für die Zeit ab 1. Mai 2012 verpflichtet, für Mi. 135 €, für A. 134 € und für Ma. 104 € - jeweils monatlich - zu zahlen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsteller die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung für die Zeit ab 1. Juli 2012.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat den Antragsgegner für nur teilweise in der Lage gehalten, den Mindestunterhalt der Kinder aufzubringen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt:

Für die Zeit ab 2011 sei von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners von 2.276,16 € auszugehen. Hinzuzurechnen seien Steuererstattungen von monatsanteilig 33,28 €- Abzusetzen seien Fahrtkosten zur Arbeitsstelle in Höhe der reinen Betriebskosten mit monatlich 33 € (18 km x 0,1 € x 220 : 12). Zu berücksichtigen sei weiterhin der Wohnvorteil des Einfamilienhauses, der mit monatlich 400 € anzusetzen sei- Hierbei handele es sich um den Betrag, den der Antragsgegner für eine seinen Bedürfnissen entsprechende Wohnung aufwenden müsse. Eine fiktiv erzielbare Kaltmiete von monatlich 570 € sei dagegen nicht zugrunde zu legen. Dies komme nur unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen eine Obliegenheit, solche Erträge zu erwirtschaften, in Betracht. Eine Obliegenheitsverletzung sei hier jedoch nicht feststellbar. Dem Antragsgegner sei es nicht zuzumuten, das Haus - etwa an den Antragsteller zur Nutzung durch seine geschiedene Ehefrau und die Kinder - zu vermieten. Denn durch eine Vermietung werde die angestrebte Veräußerung gehindert. Nachdem die Ehefrau des Antragsgegners bislang jede Mitwirkung an der Verwertung der Immobilie verweigert habe, sei auch nicht zu erwarten, dass sie die Veräußerung fördern und durch einen Auszug aus dem Haus ermöglichen werde. An der Absicht der Veräußerung und deren zielstrebiger Realisierung durch den Antragsgegner bestünden keine Zweifel. Er habe hierzu das ihm Mögliche getan, indem er zunächst den besten Makler am Ort beauftragt und seine Preisvorstellungen dem Rat des Maklers folgend von zunächst 129-000 € schrittweise auf 99-500 € reduziert habe. Deshalb sei ihm nicht vorzuwerfen, dass eine Veräußerung zur Verringerung der Schuldenlast noch nicht erfolgt sei.

Dem Wohnwert entgegenzusetzen seien die Annuitäten der zur Finanzierung des Hauses aufgenommenen Darlehen einschließlich der Tilgungsanteile sowie der Erbpachtzins von 78,91 € monatlich- Es sei davon auszugehen, dass die Kreditgeber eine Tilgungsaussetzung oder -streckung abgelehnt und auf der Bedienung der vollen vereinbarten Raten bestanden hätten. Dem sei der Antragsteller auch nicht substantiiert entgegengetreten, sondern lediglich mit der allgemein gehaltenen Behauptung, Kreditinstitute stellten in Fällen bestehender Veräußerungsabsicht Kredite tilgungsfrei. Ein Erfahrungssatz dieser Art bestehe indessen nicht. Das gelte insbesondere bei wie hier schwierigen Verwertungsmöglichkeiten, zumal bei dem jetzt als Verhandlungsbasis genannten Preis von rund 100.000 € etwa 35.000 € an Verbindlichkeiten verblieben- Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass die Darlehenstilgung bereits die Ehe des Antragsgegners geprägt und sich - ihre Fortdauer unterstellt - auch auf den Bedarf der Kinder ausgewirkt hätte. Deshalb sei es unangemessen, lediglich den Antragsgegner mit den wirtschaftlichen Folgen des Hauserwerbs zu belasten, insbesondere weil es sich um eine vorübergehende, von der Veräußerung der Immobilie abhängige Situation handele. Dem zuletzt genannten Umstand komme gegenüber dem ansonsten ausschlaggebenden Interesse der Kinder an der Sicherstellung ihres Mindestunterhalts besonderes Gewicht zu.

Eine zumutbare Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation zu entspannen, bestehe für den Antragsgegner nicht. Sie sei insbesondere nicht in der Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zu sehen. Zwar würde danach - jedenfalls für die Zukunft - die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners wiederhergestellt, während der Antragsteller mit einem Teil der streitgegenständlichen Ansprüche infolge der Insolvenz ausfallen oder allenfalls auf die Insolvenzquote beschränkt würde. Allerdings liege hier die Besonderheit vor, dass die Unfähigkeit, die laufenden Verbindlichkeiten zu erfüllen und den Mindestunterhalt der Kinder ohne Gefährdung des eigenen notwendigen Selbstbehalts sicherzustellen, im Fall der Verwertung der Immobilie jederzeit einer Situation ausreichender Leistungsfähigkeit weichen könne. Dann sei es aber nicht erforderlich, dass der Antragsgegner für die folgenden sechs Jahre nach Maßgabe der sich aus der Tabelle zu § 850 c ZPO ergebenden Pfändungsfreibeträge leben müsse. Darüber hinaus würde er eine Insolvenz zu Lasten der Interessen seiner Eltern durchführen, die ihm und seiner geschiedenen Ehefrau im Vertrauen darauf, dass er die Belastungen im Innenverhältnis trage, den im eigenen Namen aufgenommenen Kredit für die Immobilienfinanzierung zur Verfügung gestellt hätten.

Bei Abwägung der Interessen des Antragsgegners und der Kinder an der Sicherstellung des Mindestunterhalts sei letztlich auch das Verhalten der Mutter zu berücksichtigen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihr unkooperatives Verhalten im Rahmen der Veräußerungsbemühungen mitursächlich für die bislang erfolglosen Verwertungsbemühungen sei. Da die Mutter unterhaltsrechtlich die Interessen der Kinder zu vertreten habe, erscheine es auch aus diesem Gesichtspunkt angemessen, dem Antragsgegner zumindest für die Dauer der Blockadehaltung die Möglichkeit einzuräumen, zur Vermeidung einer Insolvenz auch den Tilgungsanteil zu bedienen und unterhaltsrechtlich geltend zu machen. Diese Erwägungen müssten grundsätzlich auch für die Pkw-Finanzierungsrate gelten, die im weiteren Sinne bedarfsprägend sei. Da diese Rate unterhaltsrechtlich anerkannt werde, seien allerdings nur die reinen Betriebskosten als notwendige Fahrtkosten zur Arbeit zu berücksichtigen und nicht der volle Pauschalsatz von 0,30 € pro Kilometer anzusetzen, der auch Finanzierungskosten beinhalte.

Danach sei für die Zeit ab 2011 von einem bereinigten Einkommen des Antragsgegners von 1.445,29 € (rechnerisch richtig 1.510,79 €) auszugehen (2.276,16 € zuzüglich Steuererstattung: 33,28 €, zuzüglich Wohnvorteil: 400 €, abzüglich Fahrtkosten: 33 €, abzüglich Erbbauzins: 78,91, € abzüglich Hauskredite: 535 € und 243,75 €, abzüglich Pkw-Darlehen: 163 €, abzüglich an die Mutter des Antragsgegners zu zahlende Kreditrate: 144,99 €)- Unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts des Antragsgegners von monatlich 950 € ab 2011 ergebe sich ein für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehender Betrag von 495,29 €- In die vorzunehmende Mangelverteilung sei auch die Tochter C. einzubeziehen, da der Ausgang ihrer Abiturprüfung noch ungewiss und deshalb nicht auszuschließen sei, dass sie als privilegierte Volljährige den ehelichen Kindern weiterhin im Rang gleichstehe. Die Mangelverteilung führe ausgehend von Bedarfsbeträgen von insgesamt 1.225,50 € ab April 2012 zu einer Kürzung des Unterhalts um jeweils 59,6 % und damit zu den ausgeurteilten Zahlbeträgen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Die sich aus § 1601 BGB ergebende Unterhaltspflicht des Antragsgegners für seine Kinder aus der geschiedenen Ehe steht zwischen den Parteien dem Grunde nach ebenso wenig im Streit wie die Aktivlegitimation des Antragstellers. Das gilt gleichermaßen für das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners aus seiner Erwerbstätigkeit, das das Berufungsgericht für die Zeit ab 2011 mit monatlich 2.276,16 € festgestellt hat, sowie die ihm monatsanteilig zuzurechnende Steuererstattung. Insoweit ist gegen die Ausführungen des Beschwerdegerichts aus Rechtsgründen auch nichts zu erinnern.

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner weiterhin Einkünfte wegen der Nutzung des im Miteigentum der geschiedenen Ehegatten stehenden Einfamilienhauses anrechnen lassen muss. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch seine Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise durch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen bestimmt, die er aus seinem Vermögen zieht. Dazu können auch die Gebrauchsvorteile eines Eigenheims zählen, denn durch das Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung entfällt die Notwendigkeit der Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 FamRZ 2008, 963 Rn. 11 mwN).

aa) Ob der Wohnvorteil nach dem objektiven Mietwert oder in einer geringeren Höhe zu bemessen ist, hängt maßgeblich davon ab, ob der die Immobilie Nutzende gehalten ist, diese anderweitig zu verwerten. Soweit das von einem Ehegatten vor dem endgültigen Scheitern der Ehe (regelmäßig vor Zustellung des Scheidungsantrags) mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch nicht erwartet werden kann, ist der Wohnvorteil in dieser Zeit nur in einer Höhe in Rechnung zu stellen, wie es sich für eine Wohnungsnutzung des in der Ehewohnung allein verbliebenen Ehegatten als angemessen darstellt. Der Gebrauchswert der - für den die Wohnung weiter nutzenden Ehegatten an sich zu großen - Wohnung ist deswegen regelmäßig danach zu bestimmen, welchen Mietzins er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Der volle Wohnvorteil kommt grundsätzlich erst dann zum Tragen, wenn mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist (Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 FamRZ 2008, 963 Rn. 14 ff.).

bb) Bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt hat der Senat demgegenüber darauf abgehoben, dass es auf eine vom Unterhaltspflichtigen nicht hinzunehmende Schmälerung des eigenen Bedarfs hinauslaufen würde, wenn bei der Bestimmung seiner Leistungsfähigkeit Mittel berücksichtigt würden, die ihm tatsächlich nicht zur Verfügung stehen und die er - wie es bei der Differenz zwischen den für sich und seine Familie angemessenen Wohnkosten und dem objektiven Mietwert seines Eigenheims der Fall ist - nur durch eine Verwertung der Immobilie erzielen könnte. Da durch eine Veräußerung oder Vermietung des Familienheims die bisherige häufig bereits langjährig gestaltete Lebensführung grundlegend beeinträchtigt würde, muss beides im Rahmen des rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteten Unterhaltsanspruchs von Eltern als unterhaltsrechtlich unzumutbar angesehen werden. In solchen Fällen ist deshalb grundsätzlich nur die für eine angemessene Wohnung ersparte Miete als Einkommen anzurechnen (Senatsurteil BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179 , 1180 f.).

cc) Geht es dagegen um die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des Wohnwerts grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 298/12 FamRZ 2013, 1563 Rn. 16). Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist zwar nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber aber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht). Dies beruht auf ihrer besonderen Verantwortung für den angemessenen, nicht nur den notwendigen Unterhalt ihrer Kinder. Für die Eltern besteht deshalb eine besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und zur Ertrag bringenden Nutzung von Vermögenswerten. Wenn in dieser Hinsicht mögliche und zumutbare Anstrengungen unterlassen werden, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch insoweit nicht nur die tatsächlichen, sondern ebenfalls fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 30. Januar 2013 - XII ZR 158/10 FamRZ 2013, 616 Rn. 18 mwN).

dd) Dass das Beschwerdegericht den Wohnwert in Höhe der vom Antragsgegner ersparten angemessenen Miete mit monatlich 400 € anstelle der objektiven Marktmiete von 570 € bemessen hat, begegnet nach den getroffenen Feststellungen gleichwohl keinen rechtlichen Bedenken. Danach will der Antragsgegner das Haus, das er während der Ehe zusammen mit der Mutter der unterhaltsberechtigten Kinder als Familienheim erworben hat, veräußern, um zumindest den überwiegenden Teil der Darlehensverbindlichkeiten ablösen zu können und nicht mehr den - gemessen an seinem Einkommen - hohen monatlichen Belastungen ausgesetzt zu sein. Dies komme letztlich auch den Unterhaltsberechtigten zugute. Zu diesem Zweck habe der Antragsgegner einen an seinem Wohnort renommierten Makler eingeschaltet und seine Preisvorstellungen dessen Empfehlungen angepasst. Würde er das Haus in dieser Situation vermieten, um hierdurch Einkünfte in Höhe der objektiven Marktmiete zu erzielen, würde eine Veräußerung nicht unerheblich erschwert. Denn Einfamilienhäuser der hier in Rede stehenden Art würden üblicherweise nicht als Renditeobjekte, sondern zur eigenen Nutzung erworben. Der Nutzung durch einen Erwerber würde aber ein grundsätzlich nicht ohne weiteres und alsbald beendbares Mietverhältnis entgegenstehen. Nach diesen Feststellungen konnte dem Antragsgegner eine Vermietung nicht angesonnen werden.

Das gilt auch für eine Vermietung an den Antragsteller zur Nutzung des Hauses durch die geschiedene Ehefrau und die Kinder. Insofern fällt zum einen ins Gewicht, dass zu dem Zeitpunkt, als dieses Angebot unterbreitet wurde, nicht absehbar war, wie lange eine Vermietung überhaupt hätte realisiert werden können. Im Fall einer baldigen Veräußerung hätte sich die Ehefrau erneut um eine andere Wohnung bemühen und abermals umziehen müssen. Zum anderen müsste der Antragsgegner befürchten, dass die Ehefrau das Haus nicht innerhalb einer angemessenen Zeitspanne räumen würde, nachdem sie sich schon im Rahmen der Veräußerungsbemühungen nicht kooperativ gezeigt hat, wie die Probleme mit der Unterzeichnung der beiden Maklerverträge belegen. Wenn von dem Antragsgegner aber nicht erwartet werden kann, dass er das Haus vermietet, besteht kein Grund, ihm hierdurch erzielbare höhere Einkünfte, die über den Betrag der ersparten angemessenen Miete von 400 € monatlich hinausgehen, anzurechnen.

c) Soweit das Berufungsgericht von dem Einkommen des Antragsgegners die Darlehensraten abgezogen hat, hält dies der rechtlichen Nachprüfung indessen nicht stand.

aa) Zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings eine Obliegenheit des Antragsgegners zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz verneint. Zwar trifft den Unterhaltsschuldner grundsätzlich eine solche Obliegenheit, wenn das Insolvenzverfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt seiner minderjährigen Kinder dadurch sicherzustellen, dass ihm Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird (Senatsurteil BGHZ 162, 234 = FamRZ 2005, 608 , 609 ff.). Bei der in jedem Fall gebotenen Abwägung der Vorteile einer Einleitung des Insolvenzverfahrens mit dessen Nachteilen konnte das Beschwerdegericht nach den getroffenen Feststellungen aber zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Antragsgegner die Einleitung einer Verbraucherinsolvenz nicht oblag. Entscheidend ist dabei, dass es nur um die Bewältigung eines bis zur Veräußerung des Hauses bestehenden finanziellen Engpasses geht. Die danach verbleibenden Verbindlichkeiten dürfte der Antragsgegner angesichts seines Einkommens in angemessener Zeit zurückführen können. Bei dieser Sachlage überwiegen die Nachteile einer Verbraucherinsolvenz, nämlich die Einschränkungen der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Antragsgegners, die hierdurch erreichbaren Vorteile. Gegen diese Würdigung des Berufungsgerichts hat auch die Rechtsbeschwerde nichts erinnert.

bb) Gleichwohl können die Hausdarlehen jedenfalls nicht in voller Höhe als abzugsfähig angesehen werden.

(1) Ob und gegebenenfalls in welcher Weise Schulden des Unterhaltspflichtigen beim Verwandtenunterhalt zu beachten sind, ist nach der allgemeinen Regel des § 1603 BGB zu entscheiden, der in Absatz 1 die Berücksichtigung der sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners vorsieht. Andererseits dürfen die anderen Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen getilgt werden. Vielmehr bedarf es eines Ausgleichs der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger. Insoweit sind in Fällen, in denen der Mindestbedarf Unterhaltsberechtigter beeinträchtigt würde, insbesondere der Zweck der daneben eingegangenen Verpflichtungen, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten bedeutsam, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise wiederherzustellen. Beim Verwandtenunterhalt der §§ 1601 ff. BGB wird allerdings der Umstand, dass Verbindlichkeiten im Einverständnis mit dem Ehegatten und im Zuge der gemeinsamen Lebensführung eingegangen worden sind, nicht in gleichem Maße Bedeutung gewinnen können wie gegenüber dem - früheren - Ehegatten.

Bei minderjährigen Kindern wird darüber hinaus zu beachten sein, dass für diese wegen ihres Alters von vornherein die Möglichkeit ausscheidet, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs beizutragen, weswegen ihnen sowie privilegierten volljährigen Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht besteht. Diese Gesichtspunkte mögen regelmäßig einer Unterschreitung des Mindestunterhalts wegen anderer Verbindlichkeiten entgegenstehen. Eine solche erscheint andererseits aus Rechtsgründen nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Sie wird - ausnahmsweise - etwa dann in Betracht kommen können, wenn und soweit dem Unterhaltsschuldner wegen Grund und Höhe seiner anderweitigen Schulden die Berufung auf diese Verpflichtungen nicht nach Treu und Glauben versagt ist und ihm deshalb billigerweise nicht abverlangt werden kann, ohne Bedienung der anderen Schulden weiterhin Unterhalt in Höhe des vollen Bedarfs der Kinder zu leisten (Senatsurteile vom 30. Januar 2013 - XII ZR 158/10 FamRZ 2013, 616 Rn. 20; vom 21. September 1994 - XII ZR 161/93 NJW-RR 1995, 129 und vom 11. Dezember 1985 - IVb ZR 80/84 FamRZ 1986, 254 , 256 f.).

(2) Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zunächst ins Gewicht, dass der Antragsgegner den Mindestunterhalt seiner Kinder nicht gewährleisten kann, wenn die Darlehensraten in voller Höhe von seinem Einkommen abgezogen werden. Andererseits handelt es sich um Verbindlichkeiten, die der Antragsgegner im Interesse seiner Familie eingegangen ist, um ihr ein Eigenheim zu bieten. Jedenfalls ein Anwachsen der Verschuldung durch Zinsen, das Folge des Nichtbedienens der Darlehen wäre, braucht der Antragsgegner deshalb grundsätzlich nicht hinzunehmen. Im vorliegenden Fall besteht indessen die Besonderheit, dass das Haus verkauft werden sollte. Im Hinblick darauf hat der Antragsteller geltend gemacht, Kreditinstitute stellten in Fällen bestehender Veräußerungsabsicht Kredite tilgungsfrei. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hat der für seine Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2002 - XII ZR 295/00 FamRZ 2003, 444 , 445) zu konkreten Bemühungen um eine Minderung der aktuellen Belastung im Wege der Stundung oder Streckung der Raten bzw. Aussetzung der Tilgung nichts vorgetragen. Auf welcher tatsächlichen Grundlage das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Kreditinstitute hätten eine Tilgungsstreckung oder -aussetzung abgelehnt, ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Solange hierzu indessen keine konkreten Feststellungen getroffen sind, ist die Annahme, auf die Kredite müssten zwingend die vereinbarten Raten gezahlt werden, nicht gerechtfertigt.

(3) Hinsichtlich des Darlehens, das die Eheleute dem Vorbringen des Antragsgegners zufolge bei dessen Mutter zum Ausgleich eines überzogenen Girokontos aufgenommen haben, macht die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend, dass der Antragsteller die Aufnahme dieses Darlehens bestritten habe, da weder ein Darlehensvertrag noch die Notwendigkeit der Darlehensaufnahme und die regelmäßige Zahlung der Raten nachgewiesen worden seien. Nachdem das Familiengericht diese Position bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, habe sich der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren auf die Erklärung beschränkt, seine Mutter sei zu einer Streckung des Kredits nicht bereit. Die vom Antragsteller als fehlend gerügten Nachweise seien dagegen nicht beigebracht worden. Feststellungen zu diesem Darlehen enthält der angefochtene Beschluss nicht. Angesichts dessen kommt eine Berücksichtigung nicht in Betracht.

(4) Was die Kreditrate für den Kauf eines Pkw anbelangt, hat das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht beanstandet, nicht die erforderliche umfassende Interessenabwägung vorgenommen, sondern auf seine Ausführungen zu den für die Hausfinanzierung aufgenommenen Krediten Bezug genommen. Ob der Antragsgegner, der an seinem Wohnort arbeitet, aus beruflichen Gründen einen Pkw benötigt, ist nicht festgestellt. Da es andererseits um den Mindestunterhalt der Kinder des Antragsgegners geht, kann ihm nicht zugestanden werden, Kreditverbindlichkeiten ohne Rücksicht auf die Belange der Unterhaltsberechtigten zu tilgen. Falls er auf die Nutzung eines Fahrzeugs nicht angewiesen sein sollte, obliegt es ihm, dieses zu veräußern. Andernfalls wären seine Fahrtkosten nach Maßgabe der vom Berufungsgericht herangezogenen Leitlinien in der Weise zu bemessen, dass damit auch anteilige Finanzierungskosten abgedeckt werden.

3. Danach kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben, weil die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht auf zutreffender Grundlage ermittelt worden ist. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, das auch der Frage nachzugehen haben wird, ob das Kind C. mit den Kindern Mi., A. und Ma. noch gleichrangig unterhaltsberechtigt ist.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 19. März 2014

Vorinstanz: AG Minden, vom 01.03.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 30 F 95/10
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 24.05.2012 - Vorinstanzaktenzeichen II-1 UF 97/11
Fundstellen
FamRB 2014, 203
FamRZ 2014, 923
FuR 2014, 415
MDR 2014, 661
NJW 2014, 1531