Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 04.11.2014

4 StR 200/14

Normen:
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 224 Abs. 2
StGB § 22
StGB § 23 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 04.11.2014 - Aktenzeichen 4 StR 200/14

DRsp Nr. 2014/18166

Anforderungen an einen auf die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gerichteten Tatvorsatz

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2013 wird

a)

das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1.a und II.6.a der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b)

das vorbezeichnete Urteil

aa) im Fall II.9.a der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig ist;

c)

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

bb) im Strafausspruch hinsichtlich Fall II.9.a der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 ; StGB § 224 Abs. 2 ; StGB § 22 ; StGB § 23 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Fall II.9.a der Urteilsgründe), wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen, wegen Betruges in neun Fällen, versuchten Betruges in drei Fällen und wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es angeordnet, dass drei Monate der Gesamtstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er auf mehrere Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in den Fällen II.1.a und II.6.a der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist.

2. Die (tateinheitliche) Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 , §§ 22 , 23 Abs. 1 StGB im Fall II.9.a der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass der Angeklagte den erforderlichen Tatvorsatz hatte.

a) Nach den Feststellungen fasste der mit seinem Pkw vor einer Rotlicht zeigenden Ampel wartende Angeklagte den Entschluss, einen Anstoß mit dem direkt vor ihm stehenden Motorroller des Zeugen E. zu provozieren. Als die Ampelanlage grünes Licht zeigte, überholte er E. und scherte ohne zu blinken direkt vor ihm ein. Dabei stieß er mit der rechten hinteren Fahrzeugseite gegen die linke Seite des Motorrollers. Der mit ca. 40 bis 50 km/h fahrende E. konnte einen Sturz nur mit großer Mühe verhindern. Das Landgericht hat zwar angenommen, dass der Angeklagte erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit des Zeugen billigend in Kauf nahm, hierzu in der rechtlichen Würdigung aber weiter ausgeführt, dass sich diese Inkaufnahme auf einen Sturz und dadurch ausgelöste Verletzungen bezog.

b) Damit ist nicht belegt, dass der Angeklagte mit dem für die Annahme einer versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 , §§ 22 , 23 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatz gehandelt hat.

Einen auf die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gerichteten Vorsatz hat, wer eine andere Person durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB misshandeln oder an der Gesundheit beschädigen will oder dies zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 551/12, Rn. 24; Beschluss vom 25. April 2012 - 4 StR 30/12, NStZ 2012, 697 , 698; Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Rn. 5). Fährt der Täter mit einem Pkw auf einen anderen Verkehrsteilnehmer zu, ist der innere Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB daher nur dann erfüllt, wenn er sich dabei wenigstens mit der Möglichkeit abgefunden hat, dass die betroffene Person angefahren oder überfahren wird und unmittelbar hierdurch eine Körperverletzung erleidet (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 4 StR 453/13; Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36 f.; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405 ; Lackner/Kühl, StGB , 28. Aufl., § 224 Rn. 5). Rechnet der Täter - wie hier - dagegen nur mit Verletzungen infolge von Ausweichbewegungen oder einem Sturz, scheidet die Annahme einer versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 , §§ 22 , 23 Abs. 1 StGB aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 551/12, NStZ-RR 2013, 369 f.).

3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB rechtfertigen würden. Da die Annahme einer versuchten vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 2 , §§ 22 , 23 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt, weil es an den Voraussetzungen des § 230 Abs. 1 StGB fehlt, ist der Angeklagte im Fall II.9.a der Urteilsgründe nur des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a und 1b StGB schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

4. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.9.a der Urteilsgründe zur Folge, weil das Landgericht bei der Bemessung der dem Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB entnommenen Strafe ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat, dass er tateinheitlich einer versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. Dies und das durch die Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO bedingte Entfallen der in den Fällen II.1.a und II.6.a der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.