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BGH - Entscheidung vom 21.07.2014

NotZ(Brfg) 3/14

Normen:
BNotO § 6 Abs. 1
BNotO § 6
BNotO § 111d S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
DB 2014, 8
MDR 2014, 1115
NJW 2014, 8

BGH, Beschluss vom 21.07.2014 - Aktenzeichen NotZ(Brfg) 3/14

DRsp Nr. 2014/12563

Anforderungen an die Pflicht eines Notarbewerbers zur vollständigen Selbstauskunft gegenüber der Landesjustizverwaltung

Wenn der Bewerber um eine Notarstelle seine Angaben zur Selbstauskunft im Bewerbungsverfahren ergänzt, erfordert die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der seitens der Landesjustizverwaltung an ihn gerichteten Fragen, dass die Ergänzung vollständig erfolgt.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 2. Dezember 2013 wird auf seine Kosten abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BNotO § 6 ; BNotO § 111d S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Kammergerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO ), die der Kläger allein als Zulassungsgrund geltend macht, bestehen nicht.

1. Die Beklagte hat zu Recht den Kläger nicht zum Notar bestellt, weil Zweifel an seiner persönlichen Eignung bestehen. Er hat seine Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Beantwortung der seitens der Landesjustizverwaltung an ihn gerichteten Fragen wiederholt missachtet.

a) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des Kammergerichts, es sei zu seinen Lasten in die Gesamtwürdigung einzustellen, dass er über seine Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben hinreichend unterrichtet gewesen sei, was durch sein Verhalten im vorangegangenen Konkurrentenklageverfahren belegt sei. In dem vorangegangenen Verfahren hatte er schriftsätzlich die mangelnde Eignung des Konkurrenten wegen unrichtiger Angaben in der Selbstauskunft geltend gemacht. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass dem Kläger die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben in der Selbstauskunft bekannt war. Ob der von dem Kläger gegen den Mitbewerber erhobene Vorwurf der falschen bzw. unvollständigen Auskunft nach Art oder Umfang genau denselben Vorwurf enthielt, der hier gegen den Kläger zu erheben ist, ist ohne Bedeutung. Es kommt nur auf den - dem Kläger bekannten - Grundsatz an, dass Notarvertreter und Bewerber um Notarvertretungen richtige und vollständige Selbstauskünfte zu erteilen haben.

b) Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, dass er im Bestellungsverfahren zum Notar das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren angegeben und er sich habe darauf verlassen können, dass diese Angabe auch bei den entsprechenden Anträgen auf Notarvertreterbestellung beachtet würde. Im Gegensatz zu der Annahme des Kammergerichts sei die Zeit von der Antragstellung bis zur Notarvertreterbebestellung nicht so kurz, dass eine Überprüfung der Angaben durch die Justizverwaltung ausgeschlossen sei. Es habe lediglich in einem Fall eine Überprüfungszeit von drei Tagen bestanden, sonst eine solche von zwei oder drei Wochen. Es habe der Beklagten oblegen, auf Widersprüche zwischen verschiedenen Vorgängen hinzuweisen und den Kläger zu beraten. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass eine einheitliche, personenbezogene Akte geführt werde und es ausreiche, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren einmal zu benennen.

Die vorbeschriebenen Vorstellungen des Klägers von den Verwaltungsabläufen in der Notarabteilung der Beklagten sind unerheblich. Sie stehen nicht der Auffassung des Kammergerichts entgegen, der Kläger sei bei Selbstauskünften sehr nachlässig verfahren; er habe sich durch wiederholte unrichtige Auskünfte als unzuverlässig erwiesen und damit Zweifel an seiner persönlichen Eignung begründet. Wie der Senat (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2012 - NotZ(Brfg) 12/11, BGHZ 194, 165 Rn. 14 mwN) bereits mehrfach ausgesprochen hat, muss sich die Landesjustizverwaltung darauf verlassen können, dass Notare und Notarbewerber ihnen vollständige und wahrheitsgemäße Auskünfte erteilen. Das gilt auch - und erst recht - für die Selbstauskunft, die im Zusammenhang mit einem Antrag auf Bestellung zum Notarvertreter der Landesjustizverwaltung vorgelegt wird. Diese soll, worauf das Kammergericht zu Recht hingewiesen hat, die Landesjustizverwaltung instand setzen, über einen solchen Antrag schnell und ohne weitere Nachforschungen zu entscheiden. Deshalb wird von dem Bewerber um eine Notarvertretung in den Selbstauskunftsformularen stets eine ausdrückliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte verlangt. Auf diese klare Anfrage hatte ein Bewerber - unabhängig von den persönlichen und sachlichen Gegebenheiten bei der betreffenden Landesjustizverwaltung - ohne weitere Umstände richtig und vollständig zu antworten. Bei dem Kläger war dies, wie das Kammergericht im Einzelnen dargelegt hat, infolge sehr nachlässigen Verhaltens nicht der Fall.

c) Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Berücksichtigung der Nichtangabe der bei der Rechtsanwaltskammer gegen ihn geführten Beschwerdeverfahren mit den Aktenzeichen V BS 2602.09, V BS 2375.09, V BS 1960.09. Nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung (Senatsbeschluss vom 10. März 1997 - NotZ 22/96, DNotZ 1997, 894) hätten diese Beschwerdeverfahren im Notarbestellungsverfahren mitgeteilt werden müssen, was unterblieben ist. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob - wovon das Kammergericht ausgeht - eine Pflicht zur Vervollständigung der Angaben im Bewerbungsverfahren unabhängig davon bestand, dass die Beschwerdeverfahren erst nach Einreichung des Antrags auf Bestellung zum Notar und der Erstellung der in diesem Verfahren gemachten Selbstauskunft eingeleitet wurden und somit in diesem Zeitpunkt noch nicht angegeben werden konnten. Der Senat hat in seiner oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass jedenfalls eine nachträgliche Berichtigung der ursprünglich gemachten Angaben dann besteht, wenn die zunächst unbekannten Verfahren zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung bereits eingeleitet sind, die Kenntnis jedoch erst später davon erlangt wird. Es gilt jedoch unabhängig davon der Grundsatz, dass ein Notarbewerber, der Auskunft gibt, diese vollständig und richtig zu machen hat. Das gilt jedenfalls in dem Umfang, in dem die erfragten Umstände von Bedeutung für die Entscheidung der Behörde sein können und dürfen (vgl. Senatsurteil aaO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger im laufenden Bewerbungsverfahren weitere Angaben zur Selbstauskunft im Verfahren zur Bestellung als Notar gemacht. So hat er in der Anlage zur Selbstauskunft für eine Notarvertretung vom 25. Februar 2012 bis zum 27. Februar 2012 unter dem 2. Februar 2012 und mit Schreiben vom 29. August 2011 [Verwaltungsakten Aktenordner Bl. 157, 159, 648] seine Angaben im Verfahren zur Bestellung zum Notar ergänzt. Deshalb hatte er unbeschadet der weiteren hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen jedenfalls die Pflicht, eine vollständige Angabe zu machen. Dies hat er nicht getan, sondern die hier maßgeblichen Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer trotz Kenntnis hiervon gegenüber der Beklagten nicht offenbart. Damit hat er seine Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten verletzt. Da er mit Schreiben vom 29. August 2011 auch ein anderes letztlich erfolglos gebliebenes Beschwerdeverfahren vor der Rechtsanwaltskammer der Beklagten mitgeteilt hat, war ihm auch bewusst, dass diese Verfahren generell gegenüber der Beklagten zu offenbaren sind. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte zuvor einen Hinweis erteilt hat, dass nachträglich eingeleitete Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer von sich aus nachgemeldet werden müssten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob diese Vorwürfe allein berechtigt gewesen wären, einen Widerruf der Bestellung zum Notar zu begründen. Mit dem Kammergericht ist davon auszugehen, dass sie bei der Gesamtwürdigung der Einzelumstände mit zu berücksichtigen sind.

d) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Verneinung seiner persönlichen Eignung nach § 6 BNotO und die deswegen erfolgte Zurückweisung seines Antrags auf Bestellung zum Notar sei unverhältnismäßig. Nach der Rechtsprechung des Senats kann auch ein Fehlverhalten als Bewerber zum Notarvertreter bei der Prüfung der persönlichen Voraussetzungen mit einbezogen werden. An die Prüfung der persönlichen Eignung dürfen jedoch wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern müssen stets in Beziehung zu den Bedürfnissen einer leistungsfähigen vorsorgenden Rechtspflege gesetzt werden. Gefordert ist eine Gesamtbewertung aller - gemessen an den persönlichen Anforderungen an einen Notar - aussagekräftigen Umstände, die in der Persönlichkeit und im früheren Verhalten des Bewerbers zutage getreten sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2012 - NotZ(Brfg) 12/11, BGHZ 194, 165 Rn. 14; Senatsbeschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 20/13). Die Annahme der Verhältnismäßigkeit im konkreten Einzelfall, die das Kammergericht auch unter dem persönlichen Eindruck des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist nicht in einer die Zulassung der Berufung fordernden Weise angegriffen worden. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei kann der Blick nicht allein auf die Schwere der Pflichtverletzung der unterbliebenen Angabe des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in Anträgen auf Bestellung zum Notarvertreter begrenzt werden. Vielmehr sind alle unrichtigen Auskünfte in den Vertreterbestellungsanträgen zu berücksichtigen. Zugunsten des Klägers ist zu erwägen, dass er die Notarvertretungen beanstandungsfrei durchgeführt hat. Zugunsten des Klägers ist auch einzubeziehen, dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren im Verfahren um die Bewerbung als Notar angegeben und "nur" bei den Anträgen auf Bestellung zum Notarvertreter nicht nochmals erwähnt wurde. Zugunsten des Klägers ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die berufsgerichtlichen Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer in zwei Fällen mit der Benachrichtigung des Klägers über das Verfahren zugleich auch dessen Erledigung enthielt, so dass sich für ihn der Eindruck ergeben konnte, diese Verfahren seien nicht weiter von Bedeutung, wenngleich er diese Einschätzung letztlich der Beklagten zu überlassen hatte und es nichts an der Pflicht zur Angabe des Verfahrens änderte. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist weiter zu berücksichtigen, dass die Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer und die zivilrechtlichen Klageverfahren nicht in einer Weise geendet haben, die aus Sicht des Beklagten einer Bestellung zum Notarvertreter oder als Notar entgegengestanden hätten. Auf der anderen Seite fällt die Vielzahl der unrichtigen Auskünfte im Rahmen von Anträgen auf Notarvertreterbestellung zu Lasten des Klägers ins Gewicht. In der Gesamtabwägung verbleiben Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers zum Notar, da sein Verhalten einen sehr nachlässigen Umgang mit der Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Beantwortung der an ihn von der Landesjustizverwaltung gestellten Fragen erkennen lässt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO . Die Wertfestsetzung ist gemäß § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO erfolgt.

Vorinstanz: KG Berlin, vom 02.12.2013 - Vorinstanzaktenzeichen Not 12/13
Fundstellen
DB 2014, 8
MDR 2014, 1115
NJW 2014, 8