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BFH - Entscheidung vom 22.10.2014

I B 99/13

Normen:
§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002
§ 96 Abs 1 S 1 FGO
§ 105 Abs 2 Nr 5 FGO
§ 119 Nr 6 FGO
Art 3 Abs 1 Nr 4 StrWG BY
Art 6 Abs 1 StrWG BY
Art 9 Abs 1 StrWG BY
Art 54a StrWG BY
§ 27 KStG 2002
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2

Fundstellen:
DB 2015, 2293

BFH, Beschluss vom 22.10.2014 - Aktenzeichen I B 99/13

DRsp Nr. 2015/787

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die Behandlung von Aufwendungen eines Eigenbetriebes in einem Kurort für Wege als verdeckte Gewinnausschüttung mangels Darlegung eines Divergenzfalls

NV: Zum Vorliegen einer vGA, wenn zwischen einem Kurort und seinem Kurbetrieb (Eigenbetrieb) keine Vereinbarung über die vom Eigenbetrieb getragenen Unterhaltskosten für das Wanderwegenetz und Spazierwegenetz getroffen wird.

Für eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ) ist es insbesondere erforderlich, einen abstrakten tragenden Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer genau bezeichneten divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüber zustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH - I B 189/11 - 25.09.2012 - BFH/NV 2013, 92 , m.w.N.).

Normenkette:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2;

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), ein anerkannter Kurort, ist Träger des Eigenbetriebs "Kurbetriebe X" (KBO). Nach der Eigenbetriebssatzung ist Aufgabe des KBO die Errichtung und der Betrieb von Kureinrichtungen und die Förderung des Fremdenverkehrs in der Gemeinde. Im Gemeindegebiet besteht ein weitläufiges Netz von Spazier- und Wanderwegen. Die Kosten für die Befestigung dieser Wege wie auch für den Unterhalt und den Winterdienst übernahm in den Streitjahren (2002 bis 2004) der KBO. 81% dieser Wege sind als sog. beschränkt-öffentliche Wege dem öffentlichen Verkehr gewidmet.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) ging davon aus, dass die vom KBO getragenen Aufwendungen für die Wege, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet waren, als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an die Klägerin zu qualifizieren waren.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG monierte, dass es an jeglichen klaren und eindeutigen Vereinbarungen und Regelungen darüber fehlen würde, welche Kosten die Klägerin aufgrund ihrer hoheitlichen Aufgaben zu tragen und welche Kosten der KBO im Rahmen seines speziellen Auftrages übernehmen könne und auch tatsächlich übernommen habe. Das FG wies außerdem einen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurück, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu erhöhen. Die Revision gegen sein Urteil vom 7. Mai 2013 6 K 2254/09 ließ das FG nicht zu. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Klägerin hat die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ) genügenden Form dargelegt.

1. Soweit die Klägerin eine fehlende Begründung der Entscheidung und einen Verstoß gegen die Denkgesetze als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend macht, ist diese Rüge nicht schlüssig erhoben worden.

a) Eine Entscheidung ist nur dann i.S. des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn überhaupt jede Begründung fehlt. Dem steht es gleich, wenn diese zwar vorhanden, aber derart unverständlich und verworren ist, dass nicht mehr erkennbar ist, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend waren. Lediglich lückenhafte oder vermeintlich rechtsfehlerhafte Begründungen stellen dagegen keinen Verfahrensmangel dar (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 119 Rz 23 und 24, m.w.N.).

b) Aus der Beschwerdebegründung selbst geht hervor, dass das FG-Urteil mit Entscheidungsgründen versehen war. Dass das FG auf einzelne Fragen und Argumentationen laut Klägerin nicht eingegangen ist, macht die Urteilsbegründung allenfalls lückenhaft. Das stellt für sich genommen aber keinen Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO dar. Im Kern rügt die Klägerin mit diesen Ausführungen lediglich, dass sie die vom FG gegebene Begründung für unzutreffend hält. Auch der geltend gemachte Verstoß gegen die Denkgesetze vermag die Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht zu rechtfertigen. Denn Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze stellen in der Regel materiell-rechtliche Fehler dar und sind deshalb der Nachprüfung durch den Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen. Sie können nur --nach erfolgter Zulassung aufgrund eines gegebenen gesetzlichen Revisionszulassungsgrundes (§ 115 Abs. 2 FGO )-- im Revisionsverfahren beanstandet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2014 I B 94/13, BFH/NV 2014, 890 ).

2. Mit dem gerügten Verstoß gegen die BFH-Rechtsprechung kann die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO keinen Erfolg haben. Denn die Klägerin hat den Zulassungsgrund der Divergenz nicht ordnungsgemäß bezeichnet.

a) Für eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ) ist es insbesondere erforderlich, einen abstrakten tragenden Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils sowie einen tragenden abstrakten Rechtssatz einer genau bezeichneten divergierenden Entscheidung herauszuarbeiten und so gegenüberzustellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 25. September 2012 I B 189/11, BFH/NV 2013, 92 , m.w.N.).

b) Die Beschwerdeschrift enthält eine solche Gegenüberstellung abstrakter Rechtssätze nicht. Dort wird lediglich pauschal ein Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung gerügt.

Im Übrigen hat sich das FG in der angegriffenen Entscheidung nicht ausschließlich auf das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung über die Verteilung von Aufgaben und Kosten in Bezug auf die Wanderwege gestützt. Es hat das Fehlen jeglicher --ausdrücklicher oder konkludenter-- Absprachen, Übereinkünfte, Beschlüsse oder Regelungen festgestellt. Daher liegt die Klägerin schon im Ansatz falsch, wenn sie die vermeintliche Abweichung damit begründet, das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung genüge allein noch nicht, um nach der zu Dauerschuldverhältnissen ergangenen BFH-Rechtsprechung (Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279 , BStBl II 1992, 362 ) von einer vGA ausgehen zu können.

Soweit die Klägerin weiter behauptet, im Streitfall habe es überhaupt keiner Vereinbarung zwischen der Gemeinde und dem Eigenbetrieb bedurft, rügt sie die Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Einzelfall, was für eine Revisionszulassung wegen Divergenz indes nicht ausreicht (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55). Sie hält eine Vereinbarung auch nur deswegen für entbehrlich, weil sie den Sachverhalt ersichtlich anders würdigt als die Vorinstanz. Während diese davon ausgeht, dass es zunächst Sache der Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast für die beschränkt-öffentlichen Wege (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 , Art. 54a des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes -- BayStrWG --) ist, die durch den Widmungsakt (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG ) zur öffentlichen Straße gewordenen Wege zu bauen und zu unterhalten (Art. 9 Abs. 1 BayStrWG ) und die Verlagerung dieser kommunalen Pflichtaufgabe (Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kapitel 13 Rz 7; Zimniok, BayStrWG , 8. Aufl., S. 274) auf einen anderen (hier: den KBO) einer klaren Regelung bedarf, geht die Klägerin von der ihres Erachtens nicht weiter begründungsbedürftigen Prämisse aus, dass es die "ureigenste" Aufgabe des Kurbetriebs ist, die Wege zu unterhalten und für die daraus entstehenden Kosten aufzukommen, so wie "kein Gesellschafter einer GmbH ... mit seiner Gesellschaft eine Vereinbarung schließen" müsse, "wonach sich die GmbH verpflichtet die Wartung eigener Maschinen selbst zu tragen" und nicht der Gesellschafter. Mit derartigen Einwänden gegen die Richtigkeit der Tatsachenwürdigung wird ein materieller Mangel geltend gemacht, der eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt (BFH-Beschluss vom 21. Januar 2013 III B 167/11, BFH/NV 2013, 754 , m.w.N.).

3. Die Rüge, das FG habe eine Zuführung zum steuerlichen Einlagekonto in Folge der Nichtberücksichtigung einer nach Aktenlage feststehenden Tatsache verweigert und deswegen seinem Urteil entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, ist unschlüssig.

a) Eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. November 2002 X B 86/02, BFH/NV 2003, 337 ; vom 24. Februar 2006 II B 102/05, BFH/NV 2006, 1064 , m.w.N.). Zur ordnungsgemäßen Rüge dieses Verfahrensmangels müssen die vom FG nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht berücksichtigten Aktenteile genau bezeichnet und ferner dargelegt werden, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. April 2010 II B 131/08, BFH/NV 2010, 1854 , m.w.N.).

b) Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich schon nicht mit der erforderlichen Klarheit, welche konkrete Tatsache unberücksichtigt geblieben sein soll. Einerseits ist von den Vorjahreswerten der Bilanz zum 31. Dezember 2002 die Rede, aus denen sich der geltend gemachte Einlagenbetrag herleiten lasse. Andererseits wird behauptet, dass bei Zweifeln, ob die in der Bilanz ausgewiesene Kapitalrücklage stets dem Stand des Einlagekontos entsprechen muss, weitere Ermittlungen vorzunehmen gewesen seien. Damit wird aber eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO : Nichtermittlung an sich entscheidungserheblicher Tatsachen), und nicht eine solche des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO angesprochen (Nichtberücksichtigung ermittelter entscheidungserheblicher Tatsachen). Es bleibt somit offen, welcher Fehler gerügt werden soll.

Vor allem wird aber nicht substantiiert aufgezeigt, ob das Urteil ohne den Verfahrensverstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre ("Beruhen"). So bleibt im Dunkeln, welche tatsächlichen Vorgänge der begehrten Erhöhung des Einlagekontos überhaupt zugrunde liegen. In der Beschwerdebegründung wird zunächst von einem Rundungsbetrag aus der Umrechnung des Stammkapitals in Euro gesprochen, aber auch davon, dass das Einlagekonto im Fall der Nennkapitalherabsetzung zu erhöhen sei, ohne dass hierbei klargestellt wird, ob eine solche Nennkapitalherabsetzung im Streitfall stattgefunden hat oder ob diese Ausführungen lediglich die Vergleichbarkeit der Rechtslage beschreiben sollen. Schließlich heißt es, dass die Rücklagen --gemeint ist wohl die Kapitalrücklage im handelsrechtlichen Sinne (§ 272 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches )-- "vor allem wegen der Umbuchung des Anpassungsbetrages des Stammkapitals an die neue Betriebssatzung" angestiegen seien. Erhöhungen der Kapitalrücklage führen aber nicht zwingend zu Bestandsveränderungen beim steuerlichen Einlagekonto. Zu Abweichungen kann es ohne weiteres kommen, weil im Anwendungsbereich des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 allein der steuerrechtliche Einlagenbegriff maßgeblich ist (Gosch/Heger, KStG , 2. Aufl., § 27 Rz 13). Eine in sich geschlossene Darstellung der tatsächlichen Vorgänge fehlt damit ebenso wie die rechtliche Beurteilung dieser Vorgänge auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts. Aus den bruchstückhaften und die rechtlichen und tatsächlichen Elemente des Streitstoffs vermengenden Darlegungen vermag der Senat jedenfalls nicht zu entnehmen, dass ohne den vermeintlichen Verfahrensverstoß ein für die Klägerin vorteilhafter Prozessausgang zu erwarten gewesen wäre.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG München, vom 07.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 2254/09
Fundstellen
DB 2015, 2293