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BFH - Entscheidung vom 18.11.2014

IX R 30/13

Normen:
§ 17 Abs 1 EStG 1997 vom 24.03.1999
§ 17 Abs 2 EStG 1997 vom 24.03.1999
§ 52 Abs 1 S 1 EStG 1997 vom 24.03.1999
§ 39 AO
EStG § 17 Abs. 1 S. 1
FGO § 118 Abs. 2

BFH, Urteil vom 18.11.2014 - Aktenzeichen IX R 30/13

DRsp Nr. 2015/3855

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung eines Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 Abs. 1 S. 1 EStG Bindung des Revisionsgerichs an die tatsächlichen Feststellung der finanzgerichtlichen Entscheidung

1. NV: Der Veräußerungszeitpunkt i.S. des § 17 EStG ist der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist. Wenn das zivilrechtliche Eigentum auf den Erwerber übertragen worden ist, stellt sich die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums grundsätzlich nicht mehr. 2. NV: Entsprechend dem Normzweck, den aufgrund der Veräußerung eines Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs der finanziellen Leistungsfähigkeit zu erfassen, sind im Zeitpunkt der Veräußerung realisierte Wertsteigerungen von in einer Fremdwährung veräußerten Kapitalgesellschaftsanteilen, die auf Währungskursänderungen nach dem 31. März 1999 beruhen, bei der Ermittlung des steuerbaren Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen.

Hat das Finanzgericht festgestellt, dass ein Veräußerungsgewinn nicht im streitigen Veranlagungszeitraum, sondern zu einem früheren Zeitpunkt entstanden ist, zu dem die Wesentlichkeitsgrenze für Veräußerungsvorgänge nicht erreicht wird, so unterliegt ein Veräußerungsgewinn nicht der Besteuerung.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 26. Februar 2013 11 K 446/08 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

EStG § 17 Abs. 1 S. 1; FGO § 118 Abs. 2 ;

Gründe

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1 und 3 sind …. Sie wurden im Streitjahr 1999 mit ihren Ehefrauen (Kläger und Revisionsbeklagte zu 2 und 4) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Kläger hielten an der im November 1989 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) gegründeten A–Inc. (A) jeweils … shares an dem … shares (abzüglich … eigene shares ["treasury stock"]) betragenden share capital, mithin jeweils 23,06 %. Neben den Klägern war die X an der A mit … shares (rund 7,8 %) beteiligt.

Am 22. Dezember 1998 erwarb die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Y-AG für … CHF das gesamte Aktienkapital an der in der Schweiz ansässigen Z-AG, deren Gesellschaftszweck das Halten von Beteiligungen im In– und Ausland sowie Finanzierungen von Unternehmen aller Art war.

Mit Vereinbarung vom 28. Dezember 1998 übertrugen die Kläger ihre Anteile an der A an die Z-AG für einen Gesamtkaufpreis von … US–$. Nach dem Kaufvertrag sollten die Kläger "dafür (...) sorgen, dass die Übertragung der Aktien im Aktienregister der Gesellschaft, sobald sich dies als zweckmäßig erweist, erfolgt". Eine Übertragung im Aktienregister bzw. die Übergabe der Aktien an die Z-AG erfolgte nicht. Die Aktien blieben —wie bisher— bei der Y-AG hinterlegt.

Da eine Finanzierung des Kaufpreises mit der Kapitalausstattung der Z-AG nicht möglich war, beschlossen die Kläger mit Vereinbarung vom 7. September 1999, an der Sanierung der Z-AG mitzuwirken und u.a. rückwirkend zum 28. Dezember 1998 die Kaufpreisforderung in vier feste Darlehen in Höhe von jeweils … US–$ sowie vier rangrücktrittsbelastete Darlehen in Höhe von jeweils … US–$ umzuwandeln, die festen Darlehen zinslos zu gewähren sowie diese bis zum ordnungsgemäßen Vollzug der Aktienübertragungen, d.h. der Registrierung der Z-AG als Aktionärin, nicht zur Rückzahlung zu kündigen.

Ebenfalls im September 1999 schlossen die Kläger mit der Z-AG einen Treuhandvertrag. Neben der Vereinbarung, dass sie künftig die Aktienzertifikate als Treuhänder für die Z-AG halten, verpflichteten sich die Kläger u.a., die ihnen als Aktionäre nach außen zustehenden Rechte, insbesondere die Stimmrechte aus der Beteiligung, nur nach Weisung des Treugebers auszuüben (§ 3a des Vertrages), alle Leistungen, die sie als Aktionäre erhalten, unverzüglich an den Treugeber weiterzugeben (§ 3c des Vertrages), über die Aktien nur nach vorheriger Zustimmung des Treugebers zu verfügen (§ 3d des Vertrages), die Aktien auf Verlangen des Treugebers auf ihn oder einen von ihm benannten Dritten zu übertragen (§ 3e des Vertrages) sowie die Aktien für den Treugeber zu verwahren.

Am 1. Dezember 1999 gewährte die Y-AG der Z-AG zum Zwecke des Erwerbs von Gesellschaftsanteilen ein Darlehen in Höhe von … US–$. Die Z-AG erwarb zu diesem Preis von X deren Anteile an der A.

Mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 2000 übertrug die Z-AG die von ihr an der A gehaltenen … shares auf die Y-AG. Der Kaufpreis betrug … US–$ und wurde durch die Erwerberin zum Teil durch Verrechnungen, zum Teil durch Übernahme bestehender Schuld– und Darlehensverpflichtungen gegenüber den Klägern beglichen.

Da nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt —FA—) eine Übertragung der Anteile an der A auf die Z-AG zum 28. Dezember 1998 steuerrechtlich mangels Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung —AO—) nicht anzuerkennen war, berücksichtigte das FA jeweils einen Veräußerungsgewinn in Höhe von … DM gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) in den Einkommensteuerbescheiden der Kläger für das Jahr 2000 vom 11. November 2005.

Nach Einspruchseinlegung kam das FA zu der Auffassung, dass die Veräußerungsgewinne nicht im Jahr 2000, sondern im Streitjahr zu erfassen seien, und setzte daher mit den Einspruchsentscheidungen vom 27. Februar 2008 die Einkommensteuer für 2000 der Kläger entsprechend herab. Das FA berücksichtigte den bisher im Jahr 2000 angesetzten Veräußerungsgewinn in den für jeden Kläger nach § 174 Abs. 4 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 27. Februar 2008. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Am 1. Juni 2011 erließ das FA geänderte, zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Einkommensteuerbescheide für 1999, in denen die Veräußerungsgewinne unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG—; BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 , BStBl II 2011, 86 ) auf jeweils … DM herabgesetzt wurden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1751 veröffentlichten Urteil statt. Die Veräußerung und rechtliche Übertragung der Anteile der Kläger an der A sei am 28. Dezember 1998 erfolgt. Auch wenn das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien erst im September 1999 auf die Z-AG übergegangen sei, entstünde bei Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG (in BVerfGE 127, 61 , BStBl II 2011, 86 ) kein steuerbarer Veräußerungsgewinn in Form von Wertsteigerungen in der Zeit zwischen 1. April 1999 und September 1999.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG ). Die steuerrechtlich maßgebliche Veräußerung i.S. des § 17 EStG sei im September 1999 mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen an der A auf die Z–AG erfolgt. Steuerbar seien im Rahmen dieser Veräußerung alle Wertsteigerungen, die auf den Zeitraum vom 1. April 1999 bis zur Veräußerung entfallen. Im Rahmen des Veräußerungsgewinns seien auch Wertsteigerungen zu erfassen, die auf eine Wechselkurssteigerung zurückzuführen seien. Da Feststellungen zum gemeinen Wert der Anteile an der A zum Veräußerungszeitpunkt im September 1999 fehlten, könne nicht beurteilt werden, ob der Kaufpreis von … US–$ adäquat zum gemeinen Wert der veräußerten Anteile an der A sei.

Das FA beantragt,das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,hilfsweise, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass im Streitjahr 1999 kein steuerbarer Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG entstanden ist, da die dingliche Übertragung der streitbefangenen Anteile an der A im Jahr 1998 erfolgt ist.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung im Privatvermögen hielt. Wesentlich ist eine Beteiligung für Veräußerungsvorgänge ab dem Veranlagungszeitraum 1999 ab einer Quote von 10 % (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 —StEntlG 1999/2000/2002—, BGBl I 1999, 402 ), für Veräußerungsvorgänge davor ab einer Quote von mehr als 25 %.

a) Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 10. März 1988 IV R 226/85, BFHE 153, 318 , BStBl II 1988, 832 ; vom 7. März 1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116 , BStBl II 1995, 693 ; Beschluss des FG München vom 6. Juli 2006 5 V 2015/06, juris).

b) Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des —dinglichen— Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH-Urteile in BFHE 178, 116 , BStBl II 1995, 693 ; vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658 ).

c) Bei einer in ausländischer Währung angeschafften und veräußerten Beteiligung sind die für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns maßgeblichen Bemessungsgrundlagen (Anschaffungskosten, Veräußerungspreis, Veräußerungskosten) im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entstehung in DM/€ umzurechnen. Für eine in Fremdwährung veräußerte Beteiligung i.S. von § 17 EStG ist der Veräußerungspreis im Zeitpunkt der Veräußerung in DM/€ umzurechnen (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 1658 ; vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, BFHE 236, 362 , BStBl II 2012, 564 , m.w.N.). Maßgeblich ist grundsätzlich der amtliche Umrechnungskurs im Bewertungszeitpunkt (BFH-Urteile vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327 , BStBl II 1978, 295 ; in BFH/NV 2008, 1658 ; in BFHE 236, 362 , BStBl II 2012, 564 ).

2. Das FG ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass etwaige Wertsteigerungen der in US–$ angeschafften und mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 1998 veräußerten Anteile an der A, die durch eine Veränderung des amtlichen Umrechnungskurses des US–$ zur DM im Zeitraum nach dem 31. März 1999 entstanden sind, nicht der Besteuerung unterworfen werden dürften, wenn die Anteile erst im September 1999 übertragen worden wären. Die Entscheidung des FG stellt sich allerdings im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO ).

a) Das BVerfG hat in dem Beschluss in BVerfGE 127, 61 , BStBl II 2011, 86 entschieden, dass die in § 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 geregelte rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze von 25 % auf 10 % nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstanden sind und die entweder —bei einer Veräußerung bis zu diesem Zeitpunkt— nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei realisiert worden sind oder —bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes— sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.

b) Es sind daher —wie der Senat (BFH-Urteil vom 25. November 2010 IX R 47/10, BFHE 232, 335 ) bereits entschieden hat— nur solche Wertsteigerungen steuerbar, welche nach dem 31. März 1999 entstanden sind. Entsprechend dem Normzweck des § 17 EStG , den aufgrund der Veräußerung eines Geschäftsanteils eintretenden Zuwachs der finanziellen Leistungsfähigkeit zu erfassen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16. Mai 1995 VIII R 33/94, BFHE 178, 197 , BStBl II 1995, 870 ), sind Währungskursänderungen nach dem 31. März 1999 im Zeitpunkt der späteren Veräußerung —entgegen der Auffassung des FG und der Kläger— bei der Ermittlung des steuerbaren Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen, da sie sich auf die Höhe eines nach § 17 EStG steuerbaren Gewinns —gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen— auswirken (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2010 VIII R 58/07, BFHE 232, 337 , BStBl II 2011, 491 ). Das Urteil des FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen.

c) Im Streitfall stellt sich die Entscheidung des FG jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO ).

Die Veräußerung erfolgte bereits im Jahr 1998. Nach der Würdigung des FG ist das Eigentum an den streitbefangenen Anteilen der Kläger an der A am 28. Dezember 1998 auf die Erwerberin übergegangen. Diese Würdigung der vom FG auf der Grundlage der Vorvertragsverhandlungen und des Kaufvertragsabschlusses getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Mai 2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1 , BStBl II 2011, 787 ; vom 13. Januar 2011 V R 63/09, BFHE 233, 64 , BStBl II 2011, 461 , m.w.N.). Da im Jahr 1998 indes die Wesentlichkeitsgrenze für die Veräußerungsvorgänge nicht erreicht wird, unterliegt ein etwaiger Veräußerungsgewinn im Streitfall nicht der Besteuerung. Die Frage nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums stellt sich im Streitfall nicht mehr, da das zivilrechtliche Eigentum übergegangen ist (zu einem Sonderfall s. BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 73/06, BFHE 223, 145 , BStBl II 2009, 140 ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: Finanzgericht München, vom 26.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 11 K 446/08