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BVerwG - Entscheidung vom 18.01.2013

3 B 88.12

Normen:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 18.01.2013 - Aktenzeichen 3 B 88.12

DRsp Nr. 2013/2703

Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit einem Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen bzgl. eines ehemals dem preußischen Vermögen gehörenden Flurstück

Ein allgemein gehaltener Hinweis auf die vergangenen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse sagt noch nichts darüber aus, wie die einschlägigen Rechtsnormen in der seinerzeitigen Rechtswirklichkeit gehandhabt wurden.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Normenkette:

VwGO § 108 Abs. 1 S. 2; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, mit dem ein Flurstück, das ihr im Jahre 1994 einvernehmlich zugeordnet worden war, unter Änderung des seinerzeitigen Bescheides dem beigeladenen Land zugeordnet wurde. Zur Begründung der geänderten Vermögenszuordnung wies das Bundesamt darauf hin, dass das zum ehemals preußischen Vermögen gehörende Flurstück mit 60-jährigen Birken bestockt sei, sodass eine kommunale Nutzung am Zuordnungsstichtag, dem 3. Oktober 1990, nicht vorgelegen haben könne. Die Zuordnungsentscheidung zugunsten des Beigeladenen beruhe auf der zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen getroffenen Einigung über eine Regelung für die ehemals preußischen Vermögenswerte. Der Zuordnungsbescheid aus dem Jahre 1994 enthielt bereits einen Vorbehalt im Hinblick auf solche Ansprüche des Beigeladenen. Die maßgeblichen Passagen des Bescheides lauteten:

"Die Übertragung erfolgt unbeschadet der Rechte Dritter gemäß § 7 Abs. 1 Vermögenszuordnungsgesetz. Hierzu gehören auch mögliche Ansprüche des Landes Brandenburg auf ehemaliges Eigentum des Staates Preußen.

Sofern der Rechtsstreit des Landes Brandenburg gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtsnachfolge des Eigentums des Staates Preußen zugunsten des Landes Brandenburg entschieden wird, verpflichtet sich das Land Brandenburg, mit der im Bescheid Begünstigten einen langfristigen Pachtvertrag abzuschließen."

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Änderungsbescheid im Ergebnis rechtmäßig sei. Zwar falle das betroffene Flurstück nicht unter das Vermögen, das nach der sogenannten Preußeneinigung dem beigeladenen Land zu übertragen sei; dieses habe jedoch einen Restitutionsanspruch nach Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 Halbs. 1 des Einigungsvertrages - EV - und § 11 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG -, weil der Vermögenswert von dem seinerzeitigen Land Mark Brandenburg, das aus der Provinz Mark Brandenburg hervorgegangen sei, dem Zentralstaat DDR unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensfehler sind nicht erkennbar.

1. Die Klägerin sieht eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht sich mit einem zentralen rechtlichen Gesichtspunkt ihres Vortrags in den Entscheidungsgründen nicht auseinandergesetzt habe. Sie habe argumentiert, dass es nicht darauf ankomme, ob dem beigeladenen Land unabhängig von der Preußeneinigung ein Restitutionsanspruch an dem umstrittenen Flurstück zustehe, weil in dem zu ihren Gunsten ergangenen Vermögenszuordnungsbescheid geregelt gewesen sei, dass das Land nur dann auf das Flurstück zugreifen könne, wenn es sich insoweit gegenüber dem Bund in der damals laufenden Auseinandersetzung - die später zu der Preußeneinigung geführt hat - durchsetzen würde. Ein weiterer zentraler Aspekt ihres Vortrages sei gewesen, dass der Preußeneinigung schon für sich gesehen zu entnehmen sei, dass der Beigeladene nicht mehr auf Grundstücke zugreifen könne, die im Rahmen der Einigung dem Bund zugesprochen worden seien. Zwar erwähne das Verwaltungsgericht dieses Vorbringen im Tatbestand seines Urteils, es ziehe es aber nicht in Erwägung; denn das setze voraus, dass es in den Entscheidungsgründen verarbeitet werde. Dies sei nicht geschehen.

Die Gehörsrüge ist nicht berechtigt. Aus den Gründen des angegriffenen Urteils ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass sich das Verwaltungsgericht mit der Argumentation der Klägerin durchaus befasst hat. Unter Abschnitt 2.3.4 der Urteilsbegründung (Seite 26 f. des Entscheidungsabdrucks) behandelt das Verwaltungsgericht die Klausel der Preußeneinigung, nach der das beigeladene Land "keine weiteren Ansprüche auf Vermögenswerte des preußischen Staates oder seiner Untergliederungen" erhebt (Nr. 6 Satz 1 der Einigung). Das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, dass diese Klausel sich nur auf das Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen beziehe und keinen Verzicht zugunsten der Klägerin enthalte. Damit hat es zu dem Vortrag der Klägerin, auch aus der Preußeneinigung als solcher ergebe sich bereits, dass das Land nicht mehr auf das umstrittene Grundstück zugreifen könne, zweifelsfrei Stellung bezogen. Diese Stellungnahme erfasst zwar nicht ausdrücklich die vorrangige Argumentation der Klägerin, der Bescheid aus dem Jahre 1994 selbst regele mit Wirkung gegenüber allen Verfahrensbeteiligten, dass die dortige einvernehmliche Zuordnung nur vorbehaltlich solcher Ansprüche des beigeladenen Landes auf ehemals preußische Vermögenswerte gelten solle, hinsichtlich derer es sich in den seinerzeit laufenden Verhandlungen mit dem Bund durchsetzen werde. Dennoch ergibt sich bei zutreffendem Verständnis des Gesamtzusammenhangs der Begründung, dass die Verneinung einer in der Verzichtsklausel der Preußeneinigung enthaltenen "Drittbegünstigung" durch das Gericht zugleich bedeutet, dass es ausgeschlossen sein soll, abweichend davon eine solche Begünstigung der Klägerin dem Vorbehalt zu entnehmen, der dem Bescheid aus dem Jahre 1994 beigefügt war.

Abgesehen davon geht die gesamte auf das Preußenvermögen zielende Argumentation der Klägerin daran vorbei, dass das Verwaltungsgericht mit seiner das Urteil tragenden Begründung nicht an eine restitutionsbegründende "Schädigung" des preußischen Staates anknüpft, sondern an einen Eigentumsverlust des Landes Mark Brandenburg und einen sich daraus ergebenden Restitutionsanspruch. Selbst wenn der angefochtene Bescheid - was nach der Formulierung des zitierten Vorbehaltes eher fern liegt - alle denkbaren Ansprüche des Beigeladenen auf ehemals preußisches Vermögen ausschließen wollte, soweit es ihm nicht in der Preußeneinigung zugesprochen worden ist, ist dies für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerheblich; denn danach geht es nicht mehr um die Restitution ehemals preußischen Vermögens, sondern um die Rückgabe von Vermögenswerten der Mark Brandenburg, mögen sie zuvor auch einmal preußisch gewesen sein.

Scheidet somit eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs in diesem Zusammenhang aus, kommt aus denselben Gründen der daneben gerügte Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ebenfalls nicht in Betracht.

2. Ebenso wenig begründet ist die Nichtzulassungsbeschwerde, soweit die Klägerin die Feststellung des Verwaltungsgerichts als verfahrensfehlerhaft rügt, das betroffene Grundstück habe vor der Überführung in Volkseigentum im Eigentum des früheren Landes Mark Brandenburg gestanden. Auch insoweit liegt weder eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes vor, noch ergibt sich ein Mangel richterlicher Sachaufklärung.

a) Den Mangel der Überzeugungsbildung und zugleich einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sieht die Klägerin darin, dass das Verwaltungsgericht seine Annahme, das Eigentum an dem umstrittenen Flurstück sei im Jahr 1945 auf die Provinz Mark Brandenburg übergegangen, lediglich auf § 1 der Verordnung über den Übergang von Forderungen und anderen Rechten auf die Provinz Mark Brandenburg (Verordnungsblatt der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg 1945, 29) gestützt habe, ohne Feststellungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm zu treffen, insbesondere soweit dort für den Eigentumsübergang auf die Provinz verlangt wird, dass "die Stellen, welche für die Geltendmachung oder Verwaltung dieser Forderungen und anderer Rechte zuständig waren oder die Schuldner innerhalb des jetzigen Gebietes der Provinz Mark Brandenburg ihren Sitz oder Wohnsitz haben oder hatten".

Der gerügte Verfahrensmangel ist nicht erkennbar. Zweifel an der Anwendbarkeit dieser von ihr selbst ins Gespräch gebrachten Verordnungsbestimmung (vgl. Abschnitt 2.3 ihres Schriftsatzes vom 1. April 2010 - Bl. 129 der VG-Akte) hatte die Klägerin während des Gerichtsverfahrens nur im Hinblick auf deren Rechtsgültigkeit sowie darauf geäußert, dass es nach dem Wortlaut der Bestimmung fraglich sei, ob sie "sachenrechtliches Vermögen" betreffe. Zu den Gültigkeitsbedenken der Klägerin hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich Stellung genommen (vgl. Abschnitt 2.3.3 Absatz 3 der Urteilsgründe - Seite 23 des Urteilsabdrucks). Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage näher einzugehen, ob die Verordnung überhaupt das Eigentumsrecht an Sachen erfasse, war angesichts des vom Verwaltungsgericht zitierten klaren Wortlauts der Norm, die das Eigentum an erster Stelle nennt, entbehrlich. Welche weiteren Voraussetzungen der Norm Zweifel an ihrer Anwendbarkeit im vorliegenden Fall begründen und daher eine ausdrückliche Subsumtion des Sachverhalts unter die betreffenden Tatbestandsmerkmale in der Urteilsbegründung erfordert hätten, legt die Klägerin nicht dar; das ergibt sich auch nicht aus den übrigen Umständen des Verfahrens. Ein Mangel der Überzeugungsbildung ist insoweit ebenso wenig feststellbar wie eine Verletzung der Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO .

b) Eine unzureichende richterliche Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO soll nach Auffassung der Klägerin darin begründet liegen, dass das Verwaltungsgericht nicht ermittelt habe, wie sich die genannte Verordnung in der Praxis ausgewirkt habe.

Zwar trifft es zu, dass solche Ermittlungen dann geboten sind, wenn greifbare Anhaltspunkte für eine von der Vorschrift abweichende Praxis vorhanden sind; denn nach ständiger Rechtsprechung ist bei solchen an einen Eigentumswechsel anknüpfenden vermögensrechtlichen Ansprüchen und damit sowohl für die Beantwortung der Frage, wann sich der frühere Eigentümer als endgültig aus seinem Eigentum verdrängt betrachten durfte, wie für die, wann ein Erwerber eine unangreifbare Eigentumsposition erlangt hatte, maßgebend, wie die einschlägigen Rechtsnormen in der seinerzeitigen Rechtswirklichkeit gehandhabt wurden (grundlegend Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 7 C 24.93 - BverwGE 96, 178 <180 ff.> sowie - für die Besatzungszeit - Urteil vom 13. Februar 1997 -BVerwG 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 <87 f.>). Solche greifbaren Anhaltspunkte hat die Klägerin jedoch nicht vorgebracht; sie drängen sich auch nicht unabhängig davon auf. Zwar beruft sich die Klägerin darauf, dass die Vorgänge in die Zeit des vollständigen staatlichen und gesellschaftlichen Umbruchs unter Mitwirkung einer Besatzungsmacht fielen, und darauf, dass die erst im Jahre 1952 vorgenommene Änderung des Grundbuchs - ohne Voreintragung der Provinz oder des Landes Mark Brandenburg - verdeutliche, dass die vom Verwaltungsgericht herangezogene Verordnung praktisch keine Wirkung entfaltet habe. Dieser allgemein gehaltene Hinweis auf die damaligen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse bildet jedoch keinen konkreten Ansatzpunkt für die Annahme, die Provinz Mark Brandenburg habe seinerzeit entgegen dem Verordnungswortlaut in der Rechtswirklichkeit von vornherein keine Eigentümerposition hinsichtlich des betroffenen Grundstücks innegehabt. Gerade der Umstand, dass im Jahre 1945 die Oberhoheit von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgeübt wurde und daher nicht ernstlich angenommen werden kann, dass die Verordnung ohne ihr Wissen erlassen wurde, sondern im Gegenteil davon ausgegangen werden muss, dass sie von ihr zumindest gebilligt worden ist (so zu Recht das Verwaltungsgericht Berlin im von der Beklagten vorgelegten Urteil vom 13. Dezember 2002 - VG 3 A 539.02 - Seite 9 unten des Urteilsabdrucks), spricht dafür, dass der Eigentumswechsel jedenfalls in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der zunächst die ordnungsgemäße Verwaltung des preußischen Vermögens sichergestellt werden musste, ernst gemeint war. Dass die sowjetische Besatzungsmacht letztlich den sog. demokratischen Zentralismus und eine andere Eigentumsordnung anstrebte, steht dem nicht entgegen, solange keine konkreten Tatsachen dafür vorgebracht werden oder erkennbar sind, dass die Provinz die Eigentümerbefugnisse von Anfang an nur scheinbar ausüben sollte oder ausgeübt hat. Dass es erst im Jahr 1952 zu einer Grundbuchänderung gekommen ist, ist insoweit ohne Belang; denn es ist allgemein bekannt, dass die Grundbücher in der sowjetisch besetzten Zone und später in der DDR keine verlässliche Auskunft über die aktuelle Eigentumslage gaben.

Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.

Vorinstanz: VG Cottbus, vom 14.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 1080/08