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BVerwG - Entscheidung vom 19.09.2013

3 C 22.12

Normen:
RL 2001/82/EG Art. 13
RL 2001/82/EG Art. 31 ff. AMG §§ 24b, 25b
AMG § 25b Abs. 2
AMG § 25b Abs. 4
RL 2001/82/EG Art. 13
RL 2001/82/EG Art. 32 Abs. 2
RL 2001/82/EG Art. 36

Fundstellen:
DÖV 2014, 496
NVwZ 2014, 457

BVerwG, Urteil vom 19.09.2013 - Aktenzeichen 3 C 22.12

DRsp Nr. 2013/24996

Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Tierarzneimittelzulassung (hier: Zulassung des Tierarzneimittels "Enroxil"); Rechtmäßigkeitskontrolle der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Referenzzulassung

Im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung einer Tierarzneimittelzulassung hat die nationale Behörde nur zu prüfen, ob Anlass zu der Annahme besteht, dass die Zulassung eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit oder die Umwelt darstellt. Eine (weitergehende) Rechtmäßigkeitskontrolle der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Referenzzulassung erfolgt nicht.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Normenkette:

AMG § 25b Abs. 2 ; AMG § 25b Abs. 4 ; RL 2001/82/EG Art. 13 ; RL 2001/82/EG Art. 32 Abs. 2 ; RL 2001/82/EG Art. 36 ;

Gründe

I

Die Klägerinnen sind Tochtergesellschaften der Bayer AG. Die Klägerin zu 1 ist während des Klageverfahrens im Wege einer umwandlungsrechtlichen Abspaltung mit Gesamtrechtsnachfolge Rechtsnachfolgerin der früheren Klägerin zu 1 (der Bayer HealthCare AG) geworden. Mit ihrer Klage wenden sich die Klägerinnen gegen die der Beigeladenen erteilte Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil, das mit dem Tierarzneimittel Baytril im Wesentlichen inhaltsgleich ist.

Für das Tierarzneimittel Baytril erteilte das Bundesgesundheitsamt der Klägerin zu 2 im Jahre 1990 die Zulassung.

Am 11. November 1993 erteilte die zuständige Behörde im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland der Firma Bayer plc - einer britischen Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 - eine nationale Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril. Dieser Zulassung lagen die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 erstellten Unterlagen des im Jahre 1990 in Deutschland durchgeführten Zulassungsverfahrens zugrunde. Später erstellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 auf Verlangen der britischen Zulassungsbehörde Unterlagen zur Bewertung von Umweltrisiken (sog. Ökotox-Daten), die sie im Jahre 2004 im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung der britischen Zulassung des Tierarzneimittels Baytril an ihre Tochtergesellschaft in Großbritannien weitergab.

Die Beigeladene ist seit 1996 Inhaberin einer Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil in der Tschechischen Republik und seit 2001 in Ungarn. Außerdem besitzt sie eine entsprechende Zulassung in Polen.

Am 9. September 2005 erteilte die zuständige Behörde in Großbritannien der Firma Cyton Biosciences Ltd. (Cyton) eine nationale generische Zulassung für das Inverkehrbringen des Tierarzneimittels Enroxil. Die Firma Cyton erwirkte diese Zulassung unter Bezugnahme auf die britische Zulassung für das Tierarzneimittel Baytril als Referenzarzneimittel und die Zulassungsunterlagen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 einschließlich ihrer im Jahre 2004 erstellten Ökotox-Daten. Rechtsmittel gegen diese Zulassung haben weder die Klägerinnen noch die britische Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1 eingelegt.

Am 31. Mai 2006 beantragte die Firma Cyton bei der Beklagten die Zulassung des Tierarzneimittels Enroxil in Deutschland im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der britischen Zulassung vom 9. September 2005 und bat die Beklagte, diese Zulassung der Beigeladenen zu erteilen. Auf Anforderung der Beklagten übermittelte die zuständige britische Behörde einen Beurteilungsbericht, den die Beklagte im Rahmen der Validierung zur Prüfung schwerwiegender Gefahren des Tierarzneimittels für die Umwelt nicht für ausreichend ansah. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte die britische Zulassungsbehörde ihren Beurteilungsbericht mit einem Bericht, der im Jahre 2004 anlässlich der britischen Verlängerung der Zulassung von Baytril erstellt worden war und auf von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken (Ökotox-Daten) basierte.

Am 10. November 2006 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die beantragte Zulassung.

Dagegen haben die Klägerinnen nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Sie seien durch die Zulassung des Tierarzneimittels Enroxil unter Bezugnahme auf ihre Zulassungsunterlagen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Auch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbiete rechtswidrige Eingriffe der Staatsgewalt. Der Zulassungsbescheid sei rechtswidrig, weil die Referenzzulassung in Großbritannien nur im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung hätte erteilt werden dürfen, denn die Beigeladene habe für das Tierarzneimittel Enroxil bereits Zulassungen in anderen Mitgliedstaaten besessen. Der angefochtene Zulassungsbescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Firma Cyton der Beklagten entgegen dem Gemeinschaftsrecht keine eigenen Ökotox-Daten vorgelegt habe. Sowohl die zuständige britische Behörde als auch die Beklagte hätten die Ökotox-Daten der Klägerinnen nicht verwenden dürfen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerinnen durch den Zulassungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt seien. Die britische Zulassung sei schon nicht rechtswidrig; im Übrigen sei sie - die Beklagte - nicht befugt, die Rechtmäßigkeit der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates zu überprüfen. Sie habe auch auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen nicht unmittelbar Bezug genommen, sondern nur die diese Daten auswertenden britischen Beurteilungsberichte berücksichtigt. Im Übrigen habe sie den Beurteilungsbericht nur herangezogen, um die Entscheidung der britischen Zulassungsbehörde nachzuvollziehen und eine Gefahr für die Umwelt auszuschließen.

Die Beigeladene hat ausgeführt, dass die Beklagte nicht auf die Zulassungsunterlagen der Klägerinnen Bezug genommen habe, weil sie die Zulassung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung erteilt und nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und des Gemeinschaftsrechts nur aufgrund des von Großbritannien übersandten Beurteilungsberichts die dortige Zulassung anerkannt habe. Dazu sei die Beklagte verpflichtet gewesen. Die Verfahrensregelungen für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung hätten im Übrigen keine drittschützende Wirkung, so dass es auf einen Verstoß gegen diese Regelungen nicht ankomme.

Die Klage ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerinnen seien zwar klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO . Die Bezugnahme auf Zulassungsunterlagen des Vorantragstellers sei grundsätzlich geeignet, die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu verletzen. Ihre Klage sei aber unbegründet. Ein möglicher Verfahrensfehler der britischen Behörde habe keine eigenen Rechte der Klägerinnen verletzt. Die Vorschriften über die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen seien nicht drittschützend, sondern dienten allein dem allgemeinen Interesse, die öffentliche Gesundheit zu schützen und die Zulassungsverfahren zu harmonisieren sowie dem freien und sicheren Verkehr mit Tierarzneimitteln. Die britische Referenzzulassung vom 9. September 2005 sei rechtswirksam erteilt worden und einer materiell-rechtlichen Überprüfung durch Behörden und Gerichte anderer Mitgliedstaaten der EU nicht zugänglich; vielmehr sei die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstzulassung anzuerkennen, falls nicht die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr darstelle, was hier ersichtlich nicht der Fall sei. Wäre die Beklagte befugt oder verpflichtet, die Referenzzulassung in der Sache zu beurteilen, wäre das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung praktisch gegenstandslos. Es bestünde die Gefahr, dass verschiedene nationale Behörden zu unterschiedlichen Bewertungen kämen. Ein Rechtsmittel gegen die Zulassung vom 9. September 2005 hätten die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen oder ihre Tochtergesellschaft in Großbritannien nicht eingelegt. Ob die Zulassung von Enroxil in Großbritannien rechtswidrig erteilt worden sei, weil weder nationales Recht in Großbritannien noch Gemeinschaftsrecht eine Bezugnahme des Zweitantragstellers auf Ökotox-Daten des Erstantragstellers zulasse, könne offen bleiben, denn dies unterliege im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nicht der Prüfungsbefugnis der Beklagten. Sie habe die von den Klägerinnen im Jahr 2004 in Großbritannien im Verfahren der Verlängerung der Zulassung für Baytril vorgelegten Ökotox-Daten auch nicht selbst verwendet, sondern lediglich Beurteilungsberichte aus Großbritannien, die auf den von den Klägerinnen im Verfahren für das Tierarzneimittel Baytril in Großbritannien im Jahr 2004 vorgelegten Ökotox-Daten basiert hätten. Ebenso sei unerheblich, ob die britische Zulassungsbehörde bei ihrer Bezugnahme auf die Ökotox-Daten der Klägerinnen Schutzfristen missachtet habe. Im Übrigen setze die Vorlage neuer Unterlagen nicht erneut die Schutzfrist in Gang. Die Klägerinnen rügten deshalb auch zu Unrecht eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder in das Recht auf chancengleiche Teilhabe am Wettbewerb. Da hinsichtlich des Schutzes von Ökotox-Daten die Voraussetzungen des § 24b AMG nicht vorlägen, weil die Beklagte in dem von der Beigeladenen eingeleiteten Verfahren für die Anerkennung der Zulassung von Enroxil nicht unmittelbar auf Ökotox-Daten der Klägerinnen Bezug genommen habe und zudem der Unterlagenschutz bereits abgelaufen gewesen sei, fehle schon ein tragfähiger Anknüpfungspunkt für eine Verletzung von Grundrechten. Sie setze im Übrigen voraus, dass eine rechtlich relevante Beeinträchtigung des Gewährleistungsbereichs eines Grundrechts vorliege. Dies sei bei mittelbaren und faktischen Beeinträchtigungen nicht ohne weiteres anzunehmen und hier nicht ersichtlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerinnen. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihren bisherigen Vortrag und machen im Wesentlichen geltend, die Beklagte habe mit der Verwendung von Zulassungsunterlagen, die ihr pharmakologisch-medizinisches Know-how verkörperten und ihren Entwicklungs- und Marktvorsprung sicherten, in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eingegriffen. Der Nutzwert des in den Zulassungsunterlagen verkörperten Wissens verringere sich nicht durch bloßen Zeitablauf. Wegen der Bezugnahme auf Zulassungsunterlagen des Erstantragstellers habe die die Beigeladene begünstigende Zulassung für sie den Charakter einer Duldungsverfügung. Die Nutzung der Zulassungsunterlagen durch die zuständige britische Behörde in dem Zulassungsverfahren, das in Großbritannien zu der Zulassung vom 9. September 2005 geführt habe, sei der Beklagten im Rahmen ihres hoheitlichen Handelns zurechenbar. In der Anerkennung der Zulassung durch die britische Behörde liege ferner eine eigene, mittelbare Nutzung der Zulassungsunterlagen der Klägerinnen durch die Beklagte. Die zwangsweise Verwendung ihrer Zulassungsunterlagen entziehe ihnen das Eigentum und stelle deshalb eine entschädigungspflichtige Enteignung dar, jedenfalls aber eine nur gegen Entschädigung verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Der Eingriff in das Eigentum sei formell und materiell rechtswidrig. Nach Gemeinschaftsrecht und nach dem nationalen britischen Recht hätte die Zulassung für Enroxil in Großbritannien nur im Verfahren auf Anerkennung einer schon vorhandenen Zulassung ergehen dürfen. Diese Verletzung von Verfahrensrecht hätte die Beklagte veranlassen müssen, den Antrag der Firma Cyton abzulehnen. Das Recht zur Versagung der Anerkennungs-Zulassung ergebe sich auch aus § 25a Abs. 4 und Abs. 5 AMG sowie aus § 25b Abs. 4 AMG und dem Gemeinschaftsrecht. Die britische Zulassung vom 9. September 2005 sei zudem wegen der unbefugten Nutzung von Unterlagen zur Bewertung möglicher Umweltrisiken auch materiell rechtswidrig. Diese Unterlagen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 seien erst im Jahr 2004 bei der zuständigen Behörde in Großbritannien eingereicht worden und hätten der Schutzfrist von acht oder zehn Jahren unterlegen. Die angegriffene Zulassung verletze sie schließlich in ihrem Grundrecht auf faire Chancen im Wettbewerb aus Art. 3 Abs. 1 GG und in ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit, selbst über die Verwendung der von ihnen mit hohem finanziellen Aufwand angesammelten pharmakologisch-medizinischen Daten zu entscheiden. Es existiere keine einfachgesetzliche Grundlage, um auf Ökotox-Daten eines Erstantragstellers Bezug nehmen zu können. Die Pflicht zur Vorlage und Prüfung eines ordnungsgemäßen Antrags, insbesondere zur Vorlage eigener Ökotox-Daten, diene zumindest mittelbar auch den Interessen der Vorantragsteller und habe deshalb drittschützenden Charakter.

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angegriffene Urteil.

II

Die Revision ist unbegründet. Zwar ist die Klage zulässig, weil jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass sich die Klägerinnen auf eine Verletzung von Unionsrecht berufen können und damit gemäß § 42 Abs. 2 VwGO in ihren Rechten verletzt sind. Die Klage ist aber unbegründet.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die der Beigeladenen erteilte Zulassung für das Tierarzneimittel Enroxil die Klägerinnen in keinen subjektiven Rechten verletzt.

1. Eine solche Rechtsverletzung kann nicht aus möglichen Fehlern der britischen Behörde bei der Zulassung des Referenzarzneimittels hergeleitet werden.

Nach § 25b Abs. 2 AMG ist, wenn das Tierarzneimittel bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassen worden ist, die Zulassung auf der Grundlage des von diesem Staat übermittelten Beurteilungsberichts anzuerkennen, es sei denn, dass Anlass zu der Annahme besteht, dass die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die deutsche Zulassungsbehörde aufgrund dieser Bestimmung weder verpflichtet noch befugt ist, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung soll gerade dazu dienen, keine eigene Prüfung aller Zulassungsvoraussetzungen vorzunehmen, sondern die von dem anderen Mitgliedstaat bereits erfolgte Prüfung der eigenen Entscheidung zugrunde zu legen. Das dient dem Abbau von Handelshemmnissen und der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft; zudem vermeidet es Doppelarbeit. Der Europäische Gerichtshof hat deshalb festgestellt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt sei; das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit bilde den einzigen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels die Anerkennung zu versagen (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - Rs. C-452/06, Synthon - Slg. I 7681 Rn. 26 und 28). Nur für diesen Fall sieht das Unionsrecht deshalb auch ein Schiedsverfahren vor, an dessen Ende eine verbindliche Entscheidung der Kommission steht (vgl. Art. 36 ff. Richtlinie 2001/82/EG ). Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung lässt somit keinen Raum für eine Versagung der Anerkennung eines Tierarzneimittels durch eine nationale Zulassungsbehörde aus anderen als den in Art. 33 Abs. 1 RL 2001/82/EG , § 25b Abs. 2 AMG benannten Gründen.

Die Beklagte hatte folglich nicht zu prüfen, ob die britische Zulassung von Enroxil als generische nationale Zulassung oder richtigerweise nur im Wege der gegenseitigen Anerkennung hätte erteilt werden dürfen, weil sich daraus unter keinem Gesichtspunkt materielle Gefahren für die öffentliche Gesundheit oder für die Umwelt ergeben können. Ebenso musste sie nicht prüfen, ob die Referenzzulassung deshalb rechtswidrig war, weil die Beigeladene keine eigenen Ökotox-Daten vorgelegt hatte. Der deutschen Behörde durfte und musste genügen, dass die Referenzzulassung wirksam erteilt und nicht angefochten worden ist. Rechtmäßigkeitsmängel, namentlich der behauptete Verstoß gegen die drittschützende Regelung über die Einhaltung von Schutzfristen bei der generischen Zulassung und eine eventuell nach britischem Recht schon seinerzeit bestehende Pflicht des Zweitantragstellers zur Vorlage eigener Ökotox-Daten hätten die Klägerinnen oder die britische Tochtergesellschaft als Inhaberin der britischen Erstzulassung mit einer Anfechtung der Referenzzulassung geltend machen müssen; dies ist jedoch nicht geschehen.

2. Die angefochtene Zulassung verletzt die Klägerinnen auch nicht aus anderen Gründen in ihren Rechten. Insoweit machen sie geltend, dass die Beklagte ohne Rechtsgrundlage die ursprünglich von der britischen Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1 den dortigen Behörden 2004 im Rahmen der Verlängerung des Arzneimittels Baytril vorgelegten Ökotox-Daten angefordert und im Rahmen des Zulassungsverfahrens entgegen § 24b AMG verwendet hätte. Dieser Einwand trifft schon deshalb nicht zu, weil er nicht den tatsächlichen und mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht. Danach übermittelte die zuständige britische Behörde der Beklagten auf Anforderung einen Beurteilungsbericht, den die Beklagte im Rahmen der Validierung zur Prüfung schwerwiegender Gefahren des Tierarzneimittels für die Umwelt nicht für ausreichend ansah. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte die britische Zulassungsbehörde ihren Beurteilungsbericht mit einem Bericht, der im Jahre 2004 anlässlich der britischen Verlängerung der Zulassung von Baytril erstellt worden war und auf von der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken basierte. Die Ökotox-Daten selbst haben der Beklagten danach nicht vorgelegen.

Diese Verfahrensweise entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Für die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates findet gemäß § 25b Abs. 4 AMG Kapitel 4 der Richtlinie 2001/82/EG Anwendung. Liegt für das Tierarzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, so erkennen die betroffenen Mitgliedstaaten gemäß Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2001/82/EG die von dem Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung an. Zu diesem Zweck ersucht der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen den Referenzmitgliedstaat, entweder einen Beurteilungsbericht über das Tierarzneimittel zu erstellen oder, falls erforderlich, einen bereits bestehenden Beurteilungsbericht zu aktualisieren. Der Referenzmitgliedstaat erstellt oder aktualisiert den Beurteilungsbericht innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags. Der Beurteilungsbericht sowie die genehmigte Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage, die genehmigt wurden, werden den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller übermittelt. Eine Übermittlung der Antragsunterlagen selbst, die zur Zulassung des Referenzarzneimittels geführt haben, ist danach nicht vorgesehen. Insbesondere ist im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung insoweit kein Raum für eine "Bezugnahme" auf Unterlagen im Sinne des § 24b AMG . Dass in dem britischen Beurteilungsbericht zur Umweltverträglichkeit - notwendigerweise - der britischen Behörde mitgeteilte Daten verwertet und beurteilt werden, liegt in der Natur der Sache.

Daraus folgt zugleich, dass das Berufungsgericht in diesem Punkt nicht etwa - wie die Klägerinnen allerdings geltend machen - willkürlich entschieden hat. Es hat namentlich keine gesetzeswidrige Bezugnahme auf Ökotox-Daten der Klägerinnen gebilligt. Die Klägerinnen vermengen insoweit die den Erstantragsteller bzw. den Inhaber der Erstzulassung schützenden Vorschriften über den Unterlagenschutz, die für das generische Verfahren gelten, das zur Zulassung von Enroxil in Großbritannien geführt hat, mit den Vorschriften über die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen, um die es bei der hier angefochtenen Zulassung geht. Die von ihnen behauptete Rechtsverletzung hat - wenn überhaupt - in dem nicht angefochtenen generischen Verfahren stattgefunden.

3. Die Klägerinnen sind durch die der Beigeladenen erteilte Zulassung nicht in ihren Grundrechten verletzt. Da das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf einer Umsetzung von Unionsrecht beruht, ist es nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen, solange die Europäische Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleicht (BVerfGE 73, 339 <387>). Das ist namentlich durch die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und die durch Art. 6 des Vertrags über die Europäische Union - EUV - in der bis zur Änderung durch den Lissabon-Vertrag geltenden - hier maßgeblichen - Fassung in Bezug genommenen Grund- und Menschenrechte gewährleistet. Der von den Klägerinnen insoweit angeführte Schutz der unternehmerischen Freiheit sowie das Eigentumsrecht und der Schutz des geistigen Eigentums werden indes durch die Regelungen über die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen nicht verletzt. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, namentlich die beschränkte Prüfungspflicht des anerkennenden Mitgliedstaates, ist durch vernünftige Gemeinwohlgründe gerechtfertigt; es dient - wie gezeigt - dem Abbau von Handelshemmnissen und der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft, zudem vermeidet es Doppelarbeit. Diese Zwecke würden nicht erreicht, wenn der anerkennende Staat eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste. Dazu besteht auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten kein Anlass. Vielmehr liegt es im Verhältnis von Referenzzulassung und Anerkennung nahe, diejenige Behördenentscheidung anzugreifen, die die behauptete Rechtsverletzung durch eine fehlerhafte Gesetzesanwendung herbeigeführt hat, hier also die britische Referenzzulassung. Dass dies nicht möglich gewesen wäre, ist weder von den Klägerinnen schlüssig dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Die mit den Gemeinschaftskodizes für Arzneimittel verbundene Harmonisierung der Zulassung von Arzneimitteln und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beruhen auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechte Dritter systematisch verletzt und effektiven Rechtschutz nicht gewährleistet, besteht im Anerkennungsverfahren kein Raum für eine Überprüfung, ob bei der Referenzzulassung Rechte Dritter verletzt wurden (vgl. EUGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und C-493/10, N.S. u.a. - EuGRZ 2012, 24 Rn. 75 ff., 79, 94 und vom 29. Januar 2013 - Rs. C-396/11, Radu - EuGRZ 2013, 152 Rn. 33 ff.)

Die von den Klägerinnen angeführten Entscheidungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 2012 ( I ZR 136/10 - [...]) betraf die Frage der unbefugten Weitergabe von Zulassungsunterlagen durch einen ausgeschiedenen Mitarbeiter. Das Gericht hat diese Unterlagen, jedenfalls soweit sie nicht veröffentlicht sind, als Betriebsgeheimnisse eingestuft, deren unbefugte Sicherung und Weitergabe gegen § 17 UWG verstößt (vgl. Rn. 19). Darum geht es hier jedoch nicht; die Beklagte hat Ökotox-Daten zu Baytril weder "unbefugt" gesichert noch weitergeleitet, sondern gesetzeskonform den Beurteilungsbericht der britischen Behörde im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung zugrunde gelegt. Eine Offenbarung der Daten gegenüber der Beigeladenen ist nicht erfolgt.

Auch die Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 25. April 2013 (T-73/13 R und T-44/13 R) sind nicht einschlägig. Es geht nicht darum, dass die Beklagte (oder die britische Behörde) im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung Zulassungsunterlagen ohne Zustimmung ihres Eigentümers publiziert hat; die Behörden haben vielmehr den gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen (internen) Informationsaustausch in Form der Übermittlung eines Beurteilungsberichts betrieben.

4. Für eine Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof besteht kein Anlass. Die von den Klägerinnen aufgeworfene Frage, ob Art. 13 der Richtlinie 2001/82/EG der Verwendung von Ökotox-Daten eines Erstanmelders im Rahmen der Erteilung einer Zulassung für den Nachantragsteller entgegensteht und ob nationale Vorschriften, die eine solche Bezugnahme ermöglichen, mit den europäischen Grundrechten des Erstantragstellers vereinbar sind, stellt sich in diesem Verfahren nicht. Sie betrifft die generische Zulassung für Enroxil in Großbritannien unter Bezugnahme auf die britische Zulassung für Baytril. Eventuelle Mängel jenes Verfahrens wirken sich, wie dargestellt, nicht auf die Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Zulassung aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO .

Verkündet am 19. September 2013

Vorinstanz: VG Braunschweig, vom 10.12.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 5 A 127/07
Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 07.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 13 LB 56/10
Fundstellen
DÖV 2014, 496
NVwZ 2014, 457