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BVerwG - Entscheidung vom 15.02.2013

8 B 58.12

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1
VermG § 30

BVerwG, Beschluss vom 15.02.2013 - Aktenzeichen 8 B 58.12

DRsp Nr. 2013/4854

Möglichkeit der Einordnung von ehemaligem DDR-Recht als reversibles Bundesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem VermG

1. Ehemaliges DDR-Recht ist nur dann revisibel, wenn es nach Art. 9 Abs. 2 und 4 EV als Bundesrecht fortgilt. 2. Keine Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermeintlich unzutreffend angewendet hat. 3. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Es hat vielmehr aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. 4. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 137 026,22 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1 ; VermG § 30 ;

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Staatlichen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 22. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 2006. Danach haben sie u.a. an die Beigeladenen als Berechtigte nach dem Vermögensgesetz 137 026,22 € als Verkehrswert für das von ihnen in den Jahren 1982 bzw. 1984 erworbene Wohnhausgrundstück zu bezahlen, das aufgrund Rechtsgeschäfts bzw. Erbfalls im Miteigentum der Beigeladenen stand. Das Verwaltungsgericht hat dem Begehren der Kläger insoweit entsprochen, als es den Widerspruchsbescheid hinsichtlich des Anspruchs der Beigeladenen auf Zahlung des Verkehrswertes aufgehoben hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützen.

1.

Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben. Die Kläger haben diesen Zulassungsgrund nicht in der gebotenen Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Die Beschwerde muss darlegen, dass gerade eine bundesrechtliche Regelung rechtsgrundsätzliche Fragen aufwirft (Beschlüsse vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84, Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 15. Juni 2009 - BVerwG 6 B 12.09 -). Das leistet die Beschwerde nicht. Sie wendet sich gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit der Frage, ob Volkseigentum nach dem Recht der DDR vererbt und geerbt werden könne, und kritisiert dessen Auffassung, für die streitgegenständliche Immobilie sei das Gesetz vom 19. Dezember 1973 über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke nicht anwendbar. Die angesprochenen Fragen beziehen sich nicht auf revisibles Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO , namentlich auf Vorschriften des Vermögensgesetzes , sondern auf ehemaliges DDR-Recht. Dieses ist nur dann revisibel, wenn es nach Art. 9 Abs. 2 und 4 EV als Bundesrecht fortgilt (Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 C 29.92 - Buchholz 428 § 11 VermG Nr. 1 = VIZ 1993, 452 f., Beschluss vom 3. Mai 1996 - BVerwG 4 B 46.96 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 296 = VIZ 1996, 511 f.). Das ist nicht der Fall. Die fraglichen Bestimmungen des DDR-Rechts haben ihre Geltung vielmehr mit dem Beitritt verloren, weil der Einigungsvertrag sie weder zum fortgeltenden Bundesrecht noch zum fortgeltenden Landesrecht bestimmt hat. Solche Bestimmungen sind revisionsrechtlich wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 3 C 11.02 - BVerwGE 117, 233 <235> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 44, Beschluss vom 28. August 2007 - BVerwG 8 B 31.07 - [...]).

2.

Die Divergenzrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO haben ebenfalls keinen Erfolg.

Die Zulassung der Revision kommt in Betracht, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte sind hierbei unerheblich. Die Divergenzrüge setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender Rechtssatz zugrunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der in der Beschwerde angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Keine Divergenz in dem Sinne liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermeintlich unzutreffend angewendet hat.

Vorliegend zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch in dem beschriebenen Sinne auf, sondern bemängelt lediglich eine vermeintlich falsche Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht. Das gilt für ihre Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Sachstandsanfrage eines Rechtsanwalts vom 27. Januar 1992 nicht ohne Verletzung von § 30 VermG als Restitutionsantrag für die streitgegenständliche Immobilie werten dürfen. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang ist nicht geeignet, eine von dieser Rechtsprechung abweichende Entscheidung durch das Verwaltungsgericht aufzuzeigen. Ebenso liegt es in Ansehung ihrer Auffassung, Ziff. 1 des Bescheides vom 22. April 2004 sei bestandskräftig geworden, sowie ihrer weiteren Ansicht, die Kläger hätten die beiden Miterbenanteile und anschließend die Miteigentumsanteile an der Immobilie in Übereinstimmung mit dem Recht der DDR erworben. Auch insoweit nehmen sie zwar die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug, zeigen aber nicht auf, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung hiervon abweichende rechtliche Obersätze zugrundegelegt hätte.

3.

Ohne Erfolg machen die Kläger schließlich Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.

Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt die Darlegung eines Verstoßes durch das Verwaltungsgericht gegen Normen voraus, die den äußeren Verfahrensablauf betreffen, nicht aber Verstöße gegen Regeln, die den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung bestimmen (Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Ist die prozessuale Vorgehensweise des Gerichts, die gerügt wird, durch seine Sicht der materiellen Rechtslage geprägt, ist diese Rechtsauffassung des Vordergerichts der Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, zugrundezulegen (Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Angriffe gegen die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sind daher nicht geeignet, einen das Revisionsverfahren eröffnenden Verfahrensmangel darzutun.

a)

Die Rüge, über das Verfahren 2 K 543/11 Ge hätte nicht gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren 2 K 544/11 Ge verhandelt und entschieden werden dürfen, zeigt einen Verfahrensfehler nicht auf. Eine einheitliche Entscheidung über die beiden Klagen hat das Verwaltungsgericht entgegen der Behauptung der Beschwerde nicht gefällt. Sein Beschluss, die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden (§ 93 VwGO ), ist jedoch nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Dies hat zur Folge, dass er nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO ). Das schließt auch die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Regelfall aus. Anderes gilt nur dann, wenn als Folge der beanstandeten Verbindung dem angefochtenen Urteil selbst Mängel anhaften (Beschluss vom 6. Dezember 2007 - BVerwG 9 B 53.07 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 43 m.w.N.). Solche Mängel legt die Beschwerde nicht dar.

Sie meint, das vorliegende Verfahren sei für das Verfahren 2 K 543/11 vorgreiflich gewesen und hätte deshalb nicht mit diesem zusammen verhandelt werden dürfen. Für eine Vorgreiflichkeit ist indes nichts ersichtlich. Die Kläger halten das Parallelverfahren vor allem deshalb für nachrangig, weil es noch nicht entscheidungsreif sei; zunächst müsse das (erneute) Verfahren auf Durchführungsfeststellung zum Investitionsvorrangbescheid abgeschlossen werden. Damit wenden sie sich gegen die Sachwürdigung des Verwaltungsgerichts, dass aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 - BVerwG 8 C 6.10 - zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits wie des Parallelverfahrens bindend feststehe, dass der Investitionszweck nach § 3 InVorG von den Klägern nicht fristgerecht erreicht worden sei; deshalb hatte das Bundesverwaltungsgericht den anderslautenden Durchführungsfeststellungsbescheid vom 3. Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2000 aufgehoben. Dass das Verwaltungsgericht die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts unter Verletzung von § 121 VwGO unzutreffend bestimmt hätte, legt die Beschwerde nicht dar; es ist auch nicht ersichtlich.

b)

Die Kläger bemängeln ferner, dass das Verwaltungsgericht über die beiden ehedem volkseigenen Miterbenanteile entschieden habe, obwohl Ziff. 1 des Bescheides vom 22. April 2004 bestandskräftig geworden sei. Sie rügen, das Verwaltungsgericht habe ihr Klagebegehren unter Verstoß gegen § 88 VwGO unzutreffend ausgelegt und deshalb über einen Teil in der Sache entschieden, der nicht Streitgegenstand war. Auch diese Rüge greift nicht durch.

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln (Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 72.90 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 S. 4 f., Beschlüsse vom 5. Februar 1998 - BVerwG 2 B 56.97 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25 und vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 6 B 30.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr, Urteil vom 3. Juli 1992 a.a.O., Beschluss vom 25. Juni 2009 - BVerwG 9 B 20.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 2). Gemessen hieran lässt sich ein Überschreiten des Klagebegehrens nicht feststellen. Die Kläger haben beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2006 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat den Widerspruchsbescheid dahin ausgelegt, dass in ihm nicht nur die Berechtigung der Beigeladenen in Ansehung der beiden Miteigentumsanteile in der Rechtsnachfolge der Frau Krimhild R. und in Ansehung von zweien der vier Miterbenanteilen nach Herrn Oskar R. festgestellt wurde, sondern auch die Feststellung der Berechtigung der Beigeladenen zu 1 und 3 in Ansehung der restlichen zwei Miterbenanteilen, die 1971 vom staatlichen Verwalter ins Eigentum des Volkes verkauft worden waren, bekräftigt wurde. Durch alle diese Berechtigtenfeststellungen wurden die Kläger beschwert; sie hatten daher ein Interesse an ihrer gerichtlichen Überprüfung. Es begründet daher keinesfalls eine Verletzung von § 88 VwGO , wenn das Verwaltungsgericht ihre Anfechtungsklage in diesem Sinne umfassend verstanden und nicht etwa angenommen hat, die Kläger hätten die letztere Berechtigtenfeststellung unangefochten lassen wollen. Eine andere Frage ist, ob das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage auch insoweit als zulässig ansehen durfte, namentlich ob es hieran durch den Umstand nicht gehindert war, dass diese letztere Berechtigtenfeststellung bereits in dem Ausgangsbescheid vom 22. April 2004 enthalten war, den die Kläger ihrerseits nicht angefochten hatten. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13. April 2000 - BVerwG 7 C 84.99 - BVerwGE 111, 129 = Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 26) - bejaht. Hierdurch sind die Kläger nur begünstigt worden.

In Wahrheit bemängeln die Kläger auch nicht, dass das Verwaltungsgericht die Annahme der Ausgangs- und der Widerspruchsbehörde über die vermögensrechtliche Berechtigung der Beigeladenen der gerichtlichen Überprüfung zugeführt hat. Sie meinen vielmehr, das Verwaltungsgericht habe die weitergehende Entscheidung in Ziff. 1 des Ausgangsbescheides vom 22. April 2004, demzufolge das Restitutionsbegehren der Beigeladenen zu 1 und 3 in Ansehung ihrer vormaligen Miterbenstellung abgelehnt worden war, als bestandskräftig ansehen müssen. Die dahinter stehende Frage, ob der Rückübertragungsanspruch wegen redlichen Erwerbs der Immobilie durch die Kläger ausgeschlossen sei, ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Parallelverfahrens BVerwG 8 B 64.12. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Ausgangsbescheid vom 22. April 2004 von den Beigeladenen des vorliegenden Verfahrens - den Klägerinnen des genannten Parallelverfahrens - fristgerecht angefochten worden ist.

c)

Die Kläger meinen, das Verwaltungsgericht habe für sie überraschend angenommen, das Anwaltschreiben vom 27. Januar 1992 enthalte eine Antragstellung im Sinne von § 30 Abs. 1 VermG auf Rückgabe des streitgegenständlichen Wohnhausgrundstücks, und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ). Das Verwaltungsgericht habe zumindest die mündliche Verhandlung unterbrechen und von Amts wegen aufklären müssen, ob die Beigeladenen rechtzeitig einen Restitutionsantrag gestellt haben, zumal die Kläger zum Beweis des Gegenteils das Anwaltschreiben des Landratsamtes Wartburgkreis vom 20. Juni 1995 vorgelegt hätten. Daraus ergebe sich, dass die Beigeladenen zu 1 bis 3 mit Schreiben vom 17. Juli 1990 ausdrücklich nur die Rückübertragung der Grundstücke Gemarkung F., Flur ..., Flurstücke ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... beantragt hätten.

Ein Urteil stellt sich als Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. Beschluss vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 ). Das ist nicht der Fall. Die Frage der Anmeldung durch die Beigeladenen war ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 28. März 2012 Gegenstand der mündlichen Verhandlung; denn der für die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung anwesende Beistand hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er bei der Akteneinsicht keine Anmeldung gefunden habe. Ob in der mündlichen Verhandlung das Anwaltschreiben vom 27. Januar 1992 ausdrücklich zur Sprache gekommen ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben, weil sich dieses Schreiben tatsächlich in den Behördenakten befindet (vgl. DA Bd. 3 Bl. 382) und es das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen konnte. Die Kläger und deren Beistände hatten ausreichend Gelegenheit, sich zur Frage der rechtzeitigen und formgültigen Antragstellung durch die Beigeladenen zu äußern und ihren Standpunkt darzustellen. Dass sie dem Schreiben vom 27. Januar 1992 inhaltlich eine andere Aussagekraft beimessen, begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne einer überraschenden Entscheidung. Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, die Kläger vorher darauf hinzuweisen, ob es in dem Schreiben vom 27. Januar 1992 eine rechtzeitige Antragstellung im Sinne des Vermögensgesetzes sieht. Der Vorgang der richterlichen Überzeugungsbildung hat auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu beruhen (§ 108 Abs. 1 VwGO ). Dazu gehören auch die zum Verfahren beigezogenen Akten. Unabhängig davon hat sich das Verwaltungsgericht nicht nur auf dieses Schreiben gestützt, sondern auch die eigenen Unterlagen des Beklagten in seine Überlegung einbezogen, aufgrund derer dem Beklagten der streitgegenständliche Vermögenswert bekannt war.

Das Verwaltungsgericht musste seine Überzeugung auch nicht aufgrund des von den Klägern vorgelegten Schreibens des Landratsamts Wartburgkreis vom 20. Juni 1995 als widerlegt ansehen und weitere Ermittlungen anstellen. Das Schreiben hat die Restitution der Eigentumsanteile in ungeteilter Erbengemeinschaft der Heidemarie R. und der Ellen R. an dem Grundstück W. R.-Straße ... und ... zum Inhalt. In der Begründung wird Bezug genommen auf ein Antragsschreiben vom 17. Juli 1990, das bestimmte andere Grundstücke aufgeführt haben soll, nicht jedoch das streitgegenständliche. Das Verwaltungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass es sich um zwei verschiedene Anmeldungen handelt; denn das im Bescheid vom 22. April 2004 genannte Anmeldeschreiben war undatiert und ist bei der Behörde bereits am 17. Juli 1990 eingegangen. Dessen ungeachtet wäre es den bereits in der Vorinstanz anwaltlich vertretenen Klägern unbenommen gewesen, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Dass sie dies unterlassen haben, begründet keinen Verfahrensmangel durch das Gericht.

Inwiefern in der Tatsache, dass das Verwaltungsgericht aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden hat, ein Verfahrensfehler begründet sein soll, ist nicht ersichtlich.

d)

Das Verwaltungsgericht ist auch nicht verfahrensfehlerhaft zu der Auffassung gelangt, dass bezüglich der Erbanteile der Beigeladenen zu 1 und 3 die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 VermG erfüllt seien. Aus dem Vortrag der Kläger geht nicht hervor, dass sich das Verwaltungsgericht seine Überzeugung anhand eines unzutreffenden Sachverhalts gebildet hat. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen, gegen die keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben wurden, wurden die Erbanteile der Beigeladenen zu 1 und 3 nach deren Ausreise aus der DDR zunächst in staatliche Verwaltung übernommen und am 12. April 1971 an Eigentum des Volkes verkauft. Die Rechtsänderung wurde im Grundbuch eingetragen. Mit "Erbteilskaufvertrag" vom 29. April 1982 verkaufte der Rechtsträger die volkseigenen Erbanteile sodann an die Kläger. Aufgrund der vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ist deren Behauptung, sie seien niemals Mitglieder der Erbengemeinschaft geworden, weil keine volkseigenen Erbschaftsanteile entstanden seien, nicht nachvollziehbar. Sowohl der Vertrag vom 12. April 1971 als auch der Vertrag vom 29. April 1982 sprechen vom "Erbteilskaufvertrag". Mit dem Vertrag vom 29. April 1982 sollte das "Eigentum an den Erbteilen" auf die Kläger übergehen. Die Erwerber sollten laut Vertragstext gemäß § 401 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Rechte und Pflichten an die Stelle der Erben treten. Dementsprechend haben sich die Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch mit Schreiben vom 14. Juli 1982 an die Beigeladene zu 2 gewendet und ihr mitgeteilt, dass sie anstelle des Rates der Gemeinde F. als Mitglieder der Erbengemeinschaft für das streitgegenständliche Flurstück im Grundbuch eingetragen worden sind. Von einer Auflösung der Erbengemeinschaft durch den Verkauf der beiden Erbteile in Volkseigentum kann in Anbetracht dieser Sachlage keine Rede sein.

e)

Die Beschwerde legt keinen die Revision eröffnenden Verfahrensmangel mit ihrer Behauptung dar, das Verwaltungsgericht sei verfahrensmangelhaft von der Unanwendbarkeit des Gesetzes vom Dezember 1973 über den Verkauf volkseigener Miteigentumsanteile an Bürger der ehemaligen DDR ausgegangen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Erbteilskaufvertrag vom 29. April 1982 nicht unter das Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Wohnzwecke vom 19. Dezember 1973 -Eigenheimgesetz i.V.m. den Durchführungsbestimmungen - gefallen, weil dieses nur für Erholungsgrundstücke (§ 3 EigenheimG) galt und weil sich in dem Haus eine Arztpraxis befunden hat (§ 1 Abs. 1 EigenheimG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 Durchführungsbestimmung). Hierbei handelt es sich revisionsrechtlich um Tatsachenfeststellungen (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 3 C 11.02 - BVerwGE 117, 233 <235> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 44), die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden können, ob dem Verwaltungsgericht Aufklärungsmängel unterlaufen sind, den Klägern nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist oder ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz vorliegt. Die Kläger setzen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lediglich ihre eigene Auffassung entgegen, dass der Verkauf der beiden volkseigenen Anteile auf der Grundlage dieses Gesetzes vollzogen worden sei und damit rechtswirksam sei. Sie legen jedoch nicht in der erforderlichen Art und Weise (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ) dar, aufgrund welcher Vorschrift des Gesetzes der Erwerb legal stattgefunden haben soll, obwohl das Verwaltungsgericht nachvollziehbar aufgezeigt hat, dass die seinerzeit in Anspruch genommenen Bestimmungen den vorliegenden Fall nicht erfassen.

Gleiches gilt für die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Gesetz sei schon deshalb nicht einschlägig, weil sich in der streitgegenständlichen Immobilie neben der Wohnung der Kläger seit 1964 die staatliche Arztpraxis befunden habe. Insofern hat das Verwaltungsgericht aufgrund der in der Altakte befindlichen Vermerke festgestellt, dass die damaligen Behörden das Hausgrundstück aus diesem Grunde für unverkäuflich gehalten haben. Selbst wenn dieser wegen des Vermerks erkennbar entscheidungsrelevante Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich thematisiert worden sein sollte, hatten die Kläger ausreichend Gelegenheit, sich zur Anwendbarkeit des genannten Gesetzes auch unter diesem Aspekt rechtliches Gehör zu verschaffen.

f)

Mit der Beschwerde ist auch nicht substantiiert nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt worden, dass das Verwaltungsgericht gegen seine Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO ) verstoßen habe.

Die Rüge der Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes erfordert zum einen eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (Urteil vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 C 59.74 - BVerwGE 55, 159 <169 f.> = Buchholz 442.01 PBefG Nr. 24). Zum anderen muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewiesen worden ist oder dass sich dem Verwaltungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223> = Buchholz 448.0 § 17 WPflG Nr. 7).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie bezeichnet zwar zahlreiche tatsächliche Umstände, bezüglich derer sie Aufklärungsbedarf sieht (etwa: Grundlage der Grundsteuerverbindlichkeiten; Regelungen aus der Anweisung Nr. 30/58 zur Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben; Zahlungen an die Mutter der Beigeladenen zu 2 und 3; Zahlungen der Erbengemeinschaft nach 1961; Aktivitäten des Rates der Gemeinde F. und des Rates des Kreises, Abteilung Finanzen, um die Erbengemeinschaft zur Schuldenbegleichung zu veranlassen; Mietzahlungen der Kläger; nicht kostendeckende Mieten; Einsatz erheblicher finanzieller Mittel durch den Rat der Gemeinde F. und die Kläger; Schulden aus Verwaltungsgebühren; Jahresbilanzen der Abteilung Finanzen des Rates des Kreises E. zur stetig wachsenden Verschuldung der streitgegenständlichen Immobilie; Anordnung für den Verkauf nicht durch den Treuhänder, sondern durch den Rat des Kreises, Abteilung Finanzen), und zum Teil welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären. Sie unterlässt es jedoch darzutun, welche Erkenntnisse die vermisste Sachverhaltsaufklärung erbracht hätte. Vor allem legt sie nicht dar, inwiefern die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärung dieser Punkte durch Stellung von Beweisanträgen hingewirkt haben. Ebenso wenig wird aufgezeigt, dass sich dem Verwaltungsgericht eine Aufklärung auch ohne Beweisanträge hätte aufdrängen müssen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren die damaligen Behörden nicht bereit, die Einnahmen aus den ebenfalls staatlich verwalteten Fabrikgebäuden, die im Eigentum der Beigeladenen und ihrer Rechtsvorgänger standen, zur Begleichung der Verbindlichkeiten des Grundstücks einzusetzen. Diese Möglichkeit habe die Beigeladene zu 2 im Schreiben vom 8. Juli 1970 an die Klägerin zu 1 als Möglichkeit zur Schuldentilgung geäußert. Des Weiteren ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Einnahmen aus dem Grundstück, etwa die Mietzahlungen der Kläger, nicht den Erben zugeflossen und deshalb die Grundsteuerverbindlichkeiten und Säumniszuschläge aufgelaufen sind; denn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Anordnung Nr. 2 vom 20. August 1958 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben, durften den Eigentümern unter staatlicher Verwaltung stehender Vermögenswerte Erträge nicht zukommen. Dass diese Folgerung denklogisch unzulässig wäre, zeigt die Beschwerde nicht auf.

g)

Soweit die von der Beschwerde erhobenen Rügen sich auf das Verneinen eines redlichen Erwerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 VermG beziehen, gehen sie im vorliegenden Verfahren ins Leere, weil diese Frage nicht zum Streitgegenstand des vorliegenden, sondern allein des Parallelverfahrens BVerwG 8 C 64.12 gehört. Mit der vorliegenden Klage erstreben die Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheides, der vor allem die Feststellung zum Gegenstand hat, dass die Beigeladenen Berechtigte im vermögensrechtlichen Sinne seien, und daneben eine Pflicht der Kläger zur Zahlung des Verkehrswertes begründet; in diesem letzteren Punkt hatte die Klage Erfolg. Dass die Beigeladenen statt dieser Zahlung des Verkehrswertes die Rückübertragung der Immobilie selbst beanspruchen können, ist jedoch allein Gegenstand ihrer darauf gerichteten Verpflichtungsklage im Parallelprozess.

h)

Nach Ziff. 5 des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2006 sind die Widerspruchsführerinnen nicht zur Zahlung eines Wertausgleichs gemäß § 7 Abs. 1 VermG zu verpflichten. Da die Kläger durch diesen Ausspruch im Widerspruchsbescheid nicht beschwert werden, hat das Verwaltungsgericht zu Recht diesbezüglich im Verfahren 2 K 544/11 Ge keine Aussage getroffen.

i)

Zur Zulassung der Revision kann schließlich auch die Rüge nicht führen, das Verwaltungsgericht habe Anträgen auf Protokollberichtigung oder -ergänzung, auf Berichtigung des Tatbestandes seines Urteils und auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verfahrensfehlerhaft nicht entsprochen.

Es fehlt schon an einer genügenden Darlegung im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Der Bevollmächtigte der Kläger verweist insofern zur Begründung pauschal auf die Schriftsätze der Kläger bzw. Dritter vom 4. Juni 2012 (Anlage 8), vom 26. April 2012 (Anlage 9) und vom 2. Mai 2012 (Anlage 10) an das Verwaltungsgericht Gera. Dies stellt eine unzulässige Umgehung des § 67 Abs. 4 VwGO dar, wonach sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Dementsprechend genügt es zur Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes nicht, wenn der Prozessbevollmächtigte pauschal auf beigefügte Schreiben Bezug nimmt, die die von ihm vertretenen Beteiligten oder ein Dritter verfasst haben. Es muss vielmehr erkennbar sein, dass der Prozessbevollmächtigte sich die von ihm vorgetragenen oder vorgelegten Ausführungen seiner Mandanten zu eigen gemacht hat. Sein schriftsätzliches Vorbringen muss erkennen lassen, dass er selbst eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffes vorgenommen hat (vgl. u.a. Beschluss vom 6. September 1965 - BVerwG 6 C 57.63 - BVerwGE 22, 38 <39> = Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 21; Kopp/Schenke, VwGO , 18. Aufl. 2010, § 67 Rn. 40 m.w.N.; Eyermann/Schmidt, VwGO , 13. Aufl. 2010, § 67 Rn. 12 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VG Gera, vom 28.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 544/11