Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 24.10.2013

2 WD 12.13

Normen:
StGB § 53
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 230 Abs. 1
WStG § 46

BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - Aktenzeichen 2 WD 12.13

DRsp Nr. 2014/543

Herabsetzung eines Oberfeldwebels in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 7 aufgrund eines rechtswidrigen Waffengebrauchs und vorsätzlicher Körperverletzung

Tenor

Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 19. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Normenkette:

StGB § 53 ; StGB § 223 Abs. 1 ; StGB § 230 Abs. 1 ; WStG § 46 ;

Gründe

I

Der 33 Jahre alte Soldat, der im Alter von dreizehn Jahren mit seinen Eltern von Kasachstan nach Deutschland übersiedelte, absolvierte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Auf seine Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr wurde er im Januar 2004 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine auf zwölf Jahre verlängerte Dienstzeit wird mit Ablauf des Dezember 2015 enden. Ein Antrag auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten blieb ohne Erfolg. Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt im Januar 2009 zum Oberfeldwebel.

Seinen Dienst trat er bei der 2./...in A. an. Zum Januar 2004 wurde er als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel zugelassen. Nach Vermerken des Kompaniechefs vom 29. Juni 2006 und vom 21. Juli 2007 sind in Personalgesprächen mit dem Soldaten Ausbildungsmängel erörtert worden, die den Soldaten den Anforderungen an Feldwebelanwärter in der Allgemeinen Grundausbildung nicht gerecht werden ließen; hierzu gehörte auch der "ungünstige Umgangston gegenüber unterstellten Soldaten". Diese Defizite hatte der Soldat nach den Vermerken zwar verbessert, aber nicht vollständig abgestellt. Er absolvierte 2004 den Feldwebelanwärterlehrgang 1 ... und 2005 den Feldwebelanwärterlehrgang 2 .... In einem Beurteilungsvermerk zu letzterem Lehrgang heißt es auszugsweise:

"Sein wesentliches Problem aus dem Lehrgang war sein eingeschränktes sprachliches Vermögen. Als Kommandant eingesetzt fiel es ihm schwer, die richtigen Befehle auf Deutsch zu geben und seine Idee des Gefechtes umzusetzen. Letztlich scheiterte er fast an dieser sprachlichen Hürde. Vor einer weiteren Förderung sollte daher dringend sein Deutsch verbessert werden, so dass er auch in unübersichtlichen Situationen eindeutig führen kann."

2005 absolvierte er auch die Ausbildung zum Schießlehrer. Die Feldwebelprüfung bestand er 2006. Zum Oktober 2006 wurde er zur 5./... versetzt und dort ab Januar 2007 als Feldwebel und Gruppenführer verwendet. Im Rahmen der Ermittlungen wurde er von diesen Aufgaben entbunden und als Gehilfe des Kompanietruppführers eingesetzt.

Die planmäßige Beurteilung vom 31. März 2008 bewertet die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit "4,40".

Feldwebel B. beweise gutes Geschick in der Ausbildung. Er habe sich im Beurteilungszeitraum verbessern können. Seine Soldaten würden ihm vertrauen und uneingeschränkt folgen. Im Persönlichkeitsprofil wurde die soziale Kompetenz als "stärker ausgeprägt" und "bestimmendes Merkmal" gewertet, während die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung "ausgeprägt", die funktionale und die konzeptionelle Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Der Soldat sei ein motivierter Unteroffizier mit Portepee und entwickele sich positiv. In der Grund- und der Richtschützenausbildung beweise er sehr gute Ansätze als Ausbilder. Deshalb solle er weiter als Gruppenführer, mittelfristig in einer Einsatzkompanie Verwendung finden. Der Kompaniechef hielt ihn für Lehrverwendungen für "gut geeignet". "Geeignet" sei er für Führungs- und Stabsverwendungen sowie für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung. Der Bataillonskommandeur stimmte der Beurteilung zu. Der Soldat habe sich gut entwickelt, aber noch Leistungsreserven. Er sei ein verlässlicher und selbstständig handelnder junger Portepee-Unteroffizier, der gute Ausbildungserfolge erziele. Er belege in der Vergleichsgruppe keinen der vorderen Plätze, könne aber aufschließen.

Die Sonderbeurteilung vom 20. November 2009 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit "6,11".

Oberfeldwebel B. sei ein leistungsfähiger Unteroffizier mit Portepee, der Aufträge mit Engagement und Tatkraft umsetze. Belastungssituationen teile er mit seinen Soldaten. Er habe mit ausgezeichnetem Erfolg an anspruchsvollen internationalen Militärmärschen teilgenommen. Ruhe, Sachlichkeit und Fachkompetenz würden sein Verhalten als Führer, Ausbilder und Erzieher charakterisieren. Er motiviere Untergebene und wirke erzieherisch auf deren Ausrichtung an soldatischen Tugenden ein. Seine Soldaten hätten ein gutes Leistungsniveau. Er übertreffe die Erwartungen ständig und habe sich seit seinem Feldwebellehrgang sprachlich, methodisch und didaktisch deutlich steigern können. Er sei höflich, kritikfähig und höre aufmerksam aktiv zu. Bei weiterer Tendenz zur positiven Entwicklung, sehe er das Potential zum Berufsunteroffizier. Der Kompaniechef hob Motivation, Leistungsbereitschaft und das Leistungsvermögen des Soldaten hervor und lobte seine Ausbildung und Menschenführung. Im Persönlichkeitsprofil wurde die soziale Kompetenz als "stärker ausgeprägt" und "bestimmendes Merkmal" gewertet. Gleichfalls "stärker ausgeprägt sei die Kompetenz in Menschenführung, während die geistige und die konzeptionelle Kompetenz "ausgeprägt" und die funktionale Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Der Erstbeurteiler hielt ihn für Führungsverwendungen "besonders gut geeignet", für Lehrverwendungen "gut geeignet" und für Stabsverwendungen für "geeignet" und empfahl die Übernahme zum Berufssoldaten. Der Bataillonskommandeur beschrieb den Soldaten als engagierten und verlässlichen Portepeeunteroffizier, dessen Stärke seine hohe Belastbarkeit sei. Durch seine Art der Menschenführung und seine Sozialkompetenz sei er stets ein gefragter Gesprächspartner. Über die Verwendung als Zugführer hinaus solle Oberfeldwebel B. im Bereich der Lehre eingesetzt werden. Er halte ihn für gut geeignet, hier den Spitzengrad seiner Laufbahn bei Bedarf zu erreichen. Zudem unterstütze er einen Antrag auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Der Bataillonskommandeur empfahl eine Förderung bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn.

Die Sonderbeurteilung vom 22. Juli 2013 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Schnitt mit "5,22".

Oberfeldwebel B. sei ein solider, bodenständiger und fleißiger Unteroffizier mit Portepee, der seit dem Beginn des truppendienstlichen Verfahrens von sämtlichen Führungsaufgaben entbunden und dem Kompanietruppführer zur Dienstleistung unterstellt sei. Der Soldat sei dennoch motiviert und bedacht gewesen, seine Reputation durch Leistung wiederherzustellen. Er erledige Aufträge schnell und zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Die Zusammenarbeit mit dem Soldaten sei unkompliziert und gewinnbringend. Er habe ausgeprägte Fachkenntnisse und praktisches Können und sei körperlich und geistig robust. Seine Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten sei solide und verlässlich. Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als "stärker ausgeprägt" als "bestimmendes Merkmal" gewertet, während die geistige und die soziale Kompetenz "ausgeprägt" und die konzeptionelle Kompetenz "weniger ausgeprägt" seien. Der Soldat wird als ruhiger, solider und verlässlicher Pragmatiker charakterisiert, der seinen festen Platz in der Kompanie und im Unteroffizierkorps gefunden habe und sich besonders durch Zuverlässigkeit und körperliche Robustheit auszeichne. Oberfeldwebel B. habe sich um eine Nachbewährung bemüht, ohne allerdings sein Verhalten selbstkritisch zu reflektieren. Der Kompaniechef sah den Soldaten für Stabsverwendungen "gut geeignet" und wies hinsichtlich der Verwendung auf weitere Sicht auf den Beginn des BFD im Januar 2014 hin.

Der Bataillonskommandeur sah den Soldaten durch den Kompaniechef treffend beschrieben. Er sei ein pragmatischer Oberfeldwebel, der körperlich robust und mit ansprechendem Engagement und zuverlässig den Kompanietruppführer bei der Erfüllung seiner Aufträge deutlich entlaste. Derzeit ohne Führungsfunktion fokussierten sich seine Aufgaben auf die Durchführung von Stabsarbeit.

In der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Disziplinarvorgesetzte,

Hauptmann N., ausgeführt, ihm sei bereits bei seiner Übernahme der Kompanie bekannt geworden, dass der Soldat Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache gehabt habe. Er sei bestrebt gewesen, dem Soldaten bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten zu helfen. Ihm sei aufgefallen, dass der Soldat Untergebenen gegenüber unangemessen laut geworden sei. Er habe mit dem Soldaten darüber gesprochen. Nach seinem Eindruck habe das Gespräch eine positive Wirkung gehabt. Der Soldat habe sehr gute Arbeit in der Ausbildung geleistet und alle Härten und Belastungssituationen mit den ihm unterstellten Soldaten geteilt. Er habe sich auch über die Rahmendienstzeiten hinaus im Ausbildungsbetrieb überdurchschnittlich engagiert und maßgeblich zum Zusammenhalt im Unteroffizierskorps beigetragen. Daher habe er den Soldaten auch für die ihm im Dezember 2010 erteilte Förmliche Anerkennung vorgeschlagen. Vor diesem Hintergrund sei er von den angeschuldigten Vorwürfen überrascht worden. Diese hätten seinem Bild von dem Soldaten widersprochen. Die Vertrauensperson der Mannschaften habe ihm nach einer Mannschaftsbesprechung über die Vorfälle berichtet. Mannschaftsbesprechungen seien regelmäßig freitags abgehalten worden, um mit der Vertrauensperson über auftretende Probleme reden und diese lösen zu können. In den Vernehmungen durch ihn hätten die Mannschaftssoldaten berichtet, sich nicht getraut zu haben, Meldungen über die Vorfälle zu machen. Er habe dann nach den ersten Vernehmungen und einer Klärung der Sachverhalte in Abstimmung mit der Vertrauensperson entschieden, den Soldaten aus seiner bisherigen Verwendung herauszunehmen, ihn aber in der Kompanie zu belassen. Als Gehilfe des Kompanietruppführers seien ihm keine Mannschaftssoldaten unterstellt gewesen. Von einer Suspendierung habe er abgeraten, weil er eine Wiederholung der Vorfälle in der neuen Verwendung des Soldaten nicht befürchtet und der Soldat gute Arbeit geleistet habe.

Zur weiteren Entwicklung des Soldaten hat sein gegenwärtiger Disziplinarvorgesetzter, Hauptmann S., in der Berufungshauptverhandlung erläutert, er habe den Soldaten Ende 2011 kennengelernt und auch dessen Vorgeschichte erfahren. Nach seiner Einschätzung sei der Soldat ein einfach strukturierter Mensch, der freundlich, höflich und sehr loyal gegenüber Vorgesetzten sei. Er sei sehr fleißig und leiste auch über die Rahmendienstzeiten hinaus Dienst mit in der Regel brauchbaren Ergebnissen. Ob der Soldat, nachdem er ab Januar 2012 die zeitlichen Voraussetzungen hierfür erfülle, zur Beförderung angestanden hätte, sei kaum einschätzbar. Die Wahrnehmung von Führungsverantwortung durch den Soldaten könne er wegen dessen gegenwärtigem Dienstposten nicht bewerten. Ein Vergleich mit anderen Feldwebeln sei daher kaum möglich. Die Vorfälle seien in der Kompanie immer noch ein Thema. Es gebe aus dem Bereich der Mannschaften heraus Fragen an ihn zum Ausgang des Verfahrens gegen den Soldaten. Auch auf dem gegenwärtigen Dienstposten des Soldaten sei dieser etwa bei schnellen Lageänderungen Stresssituationen ausgesetzt und reagiere dann schnell emotional. Der Soldat habe seine Beherrschung der deutschen Sprache verbessert und sei auch sonst sehr für seine Fortbildung engagiert. Er habe nicht erwogen, dem Soldaten erneut Verantwortung für Untergebene zu übertragen.

Der Soldat ist Träger u.a. des Leistungsabzeichens in Gold und der Schützenschnur Stufe III Gold. Im Dezember 2010 wurde ihm wegen vorbildlicher Pflichterfüllung eine Förmliche Anerkennung ausgesprochen.

Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 6. August 2013 verweist auf die Förmliche Anerkennung und die Verhängung einer Geldstrafe durch das Amtsgericht D.. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 14. August 2013 enthält das seit dem 14. Juli 2011 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts D. vom 6. Juli 2011, durch das gegen den Soldaten wegen rechtswidrigen Waffengebrauchs und vorsätzlicher Körperverletzung (§ 230 Abs. 1 , § 223 Abs. 1 , § 53 StGB , § 46 WStG ) eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 50 € verhängt worden war. In dem mit diesem Verfahren teilweise sachgleichen Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft D. gegen den Soldaten unter dem 17. Mai 2011 Anklage erhoben und ihm folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:

"Der Angeschuldigte war als Oberfeldwebel Vorgesetzter der Zeugen B. und K..

Am 08.06.2010 bedrohte er den Zeugen B. mit der Pistole aus geringer Entfernung und fragte ihn, ob er jetzt Angst hätte, was tatsächlich der Fall war.

Bei anderer Gelegenheit trat er den Obergefreiten K. mit seinem Kampfstiefel schmerzhaft gegen den Oberschenkel, so dass der Soldat durch die Kraft des Trittes ca. 1,5 Meter nach hinten gedrückt wurde.

In beiden Fällen wurden die untergebenen Soldaten auf diese Weise erniedrigt und mit Objekt der Handlungen des Vorgesetzten gemacht."

Das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts D. vom 6. Juli 2011 nimmt hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf den Anklagesatz Bezug.

Der Soldat ist verheiratet und hat ein eheliches und ein außereheliches Kind. Nach der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung West vom 4. Juni 2013 erhielt er im Juni 2013 Bezüge in Höhe von 2 830,02 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge und des Kindergeldes für ein Kind wurden ihm tatsächlich 2 793,87 € netto ausgezahlt. In der Berufungshauptverhandlung hat der Soldat ergänzend erläutert, seine Ausgaben beliefen sich auf etwa 1 900 €. Verbindlichkeiten habe er nur wegen des 2009 gebauten Eigenheims der Familie. Für das nicht eheliche Kind leiste er Unterhalt. Seine Ehefrau erwarte das zweite gemeinsame Kind und habe derzeit keine eigenen Einkünfte. Ab Januar 2014 beabsichtige er, die Bundeswehrfachschule zu besuchen und das Fachabitur nachzuholen. Er strebe eine Einstellung in den öffentlichen Dienst oder eine Tätigkeit im kaufmännischen Bereich in der Privatwirtschaft an.

II

1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Kommandeurs 1. ... vom 31. August 2011, dem Soldaten ausgehändigt am 29. September 2011, eingeleitet worden. Vor seiner eigenen Anhörung war dem Soldaten die Stellungnahme der Vertrauensperson bekannt gegeben worden.

Nach einem Verzicht auf die Gewährung des Schlussgehörs mit Schriftsatz des Verteidigers vom 25. Juli 2012 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 30. Juli 2012, zugestellt am 13. August 2012 ein Dienstvergehen zur Last gelegt.

2. Auf dieser Grundlage hat die 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord den Soldaten mit Urteil vom 19. März 2013 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 7 herabgesetzt.

In tatsächlicher Hinsicht lege die Kammer zu den Anschuldigungspunkten 1 und 2 nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils des Amtsgerichts D. vom 6. Juli 2011 ergänzt durch Angaben des Soldaten zugrunde. Soweit die Anschuldigungsschrift über diesen Sachverhalt hinausgehende Vorwürfe enthalte, habe die Kammer diese nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwaltes mangels Relevanz für Art und Höhe der zu verhängenden Maßnahme ausgeklammert. Gründe für einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO gebe es nicht. Demnach habe der Soldat am 8. Juni 2010 auf dem Truppenübungsplatz S. seine fertig geladene und entspannte Pistole P 8 auf den Brustkorb des in geringer Entfernung vor ihm sitzenden, ihm unterstellten Hauptgefreiten B. gerichtet und diesen gefragt, ob er jetzt Angst habe, was tatsächlich der Fall gewesen sei. Dabei habe der Soldat die das Zielen auf Personen außer im Verlauf von Übungen mit Manövermunition oder im Einsatz verbietenden Vorschriften gekannt. Zu einem unbekannten Zeitpunkt im IV. Quartal 2010 habe er auf dem Standortübungsplatz St. des Truppenübungsplatzes S. den ihm unterstellten Hauptgefreiten K. wegen einer fehlerhaften Meldung mit seinem Kampfstiefel schmerzhaft gegen den Oberschenkel getreten, sodass dieser ca. 1,5 m nach hinten gedrückt worden sei. Die Unzulässigkeit einer derartigen erzieherischen Maßnahme nach den einschlägigen Bestimmungen sei ihm bekannt gewesen. Wie im Anschuldigungspunkt 3 vorgeworfen, habe der Soldat im IV. Quartal 2010 auf dem Truppenübungsplatz B. in einer behelfsmäßigen Waffenkammer den ihm unterstellten Hauptgefreiten Sch., der auf seine Aufforderung, seine Waffe anderswo abzulegen "Oh Mann" gesagt habe, mit den sinngemäßen Worten "Raus aus meiner Waffenkammer! Und nehmen Sie Ihre beschissene Waffe mit!" ein Gewehr G 36 hinterher geworfen, sodass der Hauptgefreite die Waffe noch habe auffangen können. Hierbei habe der Soldat die Vorschriften über das Verbot des Werfens von Gewehren und die Grenzen erzieherischer Maßnahmen gekannt, aber keine Absicht gehabt, den Zeugen zu verletzen, und eine Beschädigung der Waffe auch nicht billigend in Kauf genommen. Die bestreitende Einlassung des Soldaten sei durch die glaubhafte Aussage des Zeugen Sch. widerlegt. Wie im Anschuldigungspunkt 4 vorgeworfen, habe der Soldat am 22. November 2010 in der Kaserne in A. den ihm unterstellten Hauptgefreiten M. am linken Ohr gefasst und dieses herumgedreht sowie den Hauptgefreiten gefragt, ob es weh getan habe.

Als der Hauptgefreite dies verneint habe, habe er geäußert, dies nicht zu glauben. Dies sei in erzieherischer Absicht erfolgt, weil der Hauptgefreite entgegen der Befehlslage während einer Übung sein Mobiltelefon benutzt habe. Der Soldat habe in Kenntnis der Vorschriften über die Unzulässigkeit einer entsprechenden erzieherischen Maßnahme gehandelt. Die bestreitende Einlassung des Soldaten sei durch die glaubhafte Aussage des Zeugen M. widerlegt.

Der Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen und als Vorgesetzter ein schlechtes Beispiel gegeben (§ 10 Abs. 1 SG ). Er habe durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 1 bis 4 gegen die Pflichten verstoßen, treu zu dienen (§ 7 SG ), für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG ), im Dienst Zurückhaltung zu wahren (§ 10 Abs. 6 SG ), Befehle vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (§ 11 Abs. 1 SG ), Ehre, Würde und die Rechte von Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG ) und sich innerhalb des Dienstes und dienstlicher Anlagen achtungs- und vertrauensgebietend zu verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ). Durch das Verhalten nach den Anschuldigungspunkten 2 bis 4 habe er zusätzlich gegen die Pflicht verstoßen, Befehle in angemessener Weise durchzusetzen (§ 10 Abs. 5 Satz 2 SG ).

Von besonderem Gewicht sei das Richten der Pistole auf einen Untergebenen. Der Soldat habe damit entgegen der Ausbildungsgrundsätze einen leichtfertigen Umgang mit einer Waffe demonstriert, dem inneren Gefüge der Truppe und seiner eigenen Autorität geschadet. Dieses Verhalten könne zu schweren Unfällen führen und verlange auch aus generalpräventiven Gründen eine strenge Ahndung. Die verletzte Gehorsamspflicht gehöre zu den zentralen Pflichten eines jeden Soldaten. Ihre Verletzung gefährde die Funktionsfähigkeit einer Armee und die Autorität des Vorgesetzten. Schwer wögen auch die Kameradschaftspflichtverletzung und die Verletzung der Treuepflicht. Weiter komme den Verletzungen der Pflichten aus § 10 SG erhebliches Gewicht zu. Erhebliche Bedeutung habe auch die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht. Eigenart und Schwere des Dienstvergehens würden durch die Häufigkeit der Vorfälle geprägt. Das Fehlverhalten habe durch die Herauslösung des Soldaten aus seiner Verwendung erhebliche Auswirkungen. Das Maß der Schuld werde durch Vorsatz bestimmt. Milderungsgründe in den Umständen der Tat gebe es nicht. Die Persönlichkeitsdefizite des Soldaten und sein unbeherrschtes Verhalten in Stresssituationen kämen erschwerend hinzu. Die positiven dienstlichen Leistungen, sein Pflichtbewusstsein, seine hohe Motivation und eine Nachbewährung sprächen dagegen für den Soldaten. Insgesamt sei eine Herabsetzung zum Stabsunteroffizier der Besoldungsgruppe A 7 erforderlich und ausreichend. Gründe für eine Reduzierung der Wiederbeförderungsfrist gebe es nicht.

3. Gegen das ihm am 11. April 2013 zugestellte Urteil hat der Soldat am 8. Mai 2013 beschränkt auf die Bemessung der Maßnahme Berufung eingelegt.

Eine Beförderung zum Hauptfeldwebel sei seit dem Januar 2012 möglich. Er werde von seinen Vorgesetzten als leistungsfähig beurteilt und verdiene hiernach weitere Förderung. Gegenwärtig werde er unterwertig eingesetzt und nehme keine Führungsaufgaben war. Er sei verheiratet, zwei Kindern unterhaltspflichtig und finanziere ein Eigenheim. Die Bedeutung der Gehorsams- und der Kameradschaftspflicht sei ihm bewusst. Er neige in Stresssituationen zum Aufbrausen. Dies sei auf seine Sprachbarriere zurückzuführen, nicht auf ein falsches Führungsverständnis und Persönlichkeitsdefizite. Nachbewährungstendenzen seien klar erkennbar. Eine Degradierung würde sein Ansehen hart treffen. Er sei für den Familienunterhalt auf seine Bezüge angewiesen.

III

Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Das von dem Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO ) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

1. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der Soldat in Kenntnis der ZDv 3/15 Nr. 612 eine fertig geladene und entspannte Pistole auf den Brustkorb eines ihm unterstellten Hauptgefreiten gerichtet und ihn gefragt habe, ob er jetzt Angst habe. Außerdem habe er einen weiteren, ihm unterstellten Hauptgefreiten wegen einer fehlerhaften Meldung in Kenntnis der Grenzen erzieherischer Maßnahmen nach der ZDv 14/3 mit seinem Kampfstiefel gegen den Oberschenkel getreten, sodass dieser ca. 1,5 m nach hinten gedrückt worden sei. Weiter habe er in Kenntnis der ZDv 3/136 Nr. 206 und der Grenzen erzieherischer Maßnahmen nach der ZDv 14/3 einen dritten ihm unterstellten Hauptgefreiten in der Waffenkammer verbal angefahren, zum Verlassen der Waffenkammer aufgefordert und ihm beim Hinausgehen ein Gewehr so hinterher geworfen, dass er die Waffe noch auffangen konnte. Zudem habe der Soldat einen vierten, ihm unterstellten Hauptgefreiten am linken Ohr gefasst, dieses herumgedreht und den Hauptgefreiten gefragt, ob es wehgetan habe. Die Kammer hat jede dieser Taten als vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflichten aus §§ 7, 10 Abs. 3 und 6, § 11 Abs. 1 , § 12 Satz 2 sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 SG gewertet. Durch die Taten nach den Anschuldigungspunkten 2 bis 4 sei zugleich vorsätzlich die Pflicht aus § 10 Abs. 5 Satz 2 SG verletzt.

Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer, weil der Soldat durch jede der festgestellten Dienstpflichtverletzungen zentrale Pflichten eines Vorgesetzten gravierend verletzt hat.

Gewicht verleiht dem Dienstvergehen bereits die Verletzung der zentralen Kernpflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG ).

Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG ) gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu den vornehmlichsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das berechtigte Gefühl haben müssen, dass sie von diesem nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet werden, sondern dass dieser von den ihm eingeräumten Befehls- und sonstigen Befugnissen nur unter angemessener Berücksichtigung ihrer persönlichen Belange Gebrauch macht, dass er sich bei allen Handlungen und Maßnahmen von Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Untergebenen leiten lässt und dass er stets bemüht ist, ihn vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 1. März 2007 - BVerwG 2 WD 4.06 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 56 Rn. 38 m.w.N.). Insbesondere muss er die körperliche Integrität sowie die Rechte und Würde des Untergebenen strikt achten. Diese Verpflichtung hat im militärischen Bereich besondere Bedeutung. Denn im militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis sind Untergebene besonders schutzbedürftig.

Gleich schwer wiegen die Verstöße gegen § 10 Abs. 5 Satz 2 SG . Wer Befehle nicht in angemessener Weise durchsetzt, verstößt gegen eine zentrale Dienstpflicht, die das Prinzip von Befehl und Gehorsam an rechtsstaatlichen Grundprinzipien ausrichtet. Wer Disziplin fordert, hat zuerst selbst Disziplin zu üben.

Die Befehlsautorität des Vorgesetzten und die Gehorsamsbereitschaft des Untergebenen sind ohne ein Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen nicht denkbar (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 1989 - BVerwG 2 WDB 4.89 - [...] Rn. 14) Um dieses Vertrauensverhältnis zu begründen und zu erhalten, muss der Vorgesetzte jederzeit Gewähr dafür bieten, die rechtsstaatlichen Grenzen seiner Befehlsautorität beim Einsatz des Führungsinstruments des Befehls zu wahren und zwar nicht nur hinsichtlich des Inhalts des Befehls, sondern auch hinsichtlich seiner Umsetzung.

Schwer wiegt auch die Verletzung der Pflicht aus § 10 Abs. 6 SG . Eine derartige Pflichtverletzung stellt die Eignung als Vorgesetzter in Frage. Es handelt sich auch hier nicht um eine bloße Nebenpflicht, vielmehr um eine Pflicht mit funktionellem Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebes (Urteil vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - [...] Rn. 105). Die in § 10 Abs. 6 SG von jedem Offizier und Unteroffizier bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen verlangten Beschränkungen (Achtung der Rechte anderer; Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit) sind für einen Vorgesetzten nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelungsentscheidung unerlässlich, um seine dienstlichen Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen im Sinne von § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können (Urteil vom 22. Oktober 2008 - a.a.O. - Rn. 33).

Der Gehorsamsverstoß wiegt ebenfalls schwer (Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 2 WD 16.12 - Rn. 48). Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG ) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar (Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - Rn. 52 m.w.N.). Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr in Frage gestellt sein.

Die Kameradschaftspflicht in den Streitkräften ist nicht minder bedeutsam. Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht gemäß § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erfordert im Frieden und in noch höherem Maße im Einsatzfalle gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit aufeinander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seines Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 1. März 2007 - BVerwG 2 WD 4.06 - Rn 46 m.w.N.).

Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG ) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - [...] Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 -[...] Rn. 29). Dies war hier der Fall.

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 3 VorgV ). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG ).

Bestimmend für Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist schließlich auch, dass ein fortgesetztes gleichartiges Versagen gegen dieselben Dienstpflichten in jeweils vergleichbarer Weise in Rede steht.

b) Das Dienstvergehen hatte schwerwiegende nachteilige Auswirkungen für den Dienstbetrieb:

Der Soldat wurde im Zuge der disziplinaren Ermittlungen von seinen Aufgaben entbunden. Ihm wurden keine Soldaten mehr unterstellt. Gegenwärtig wird er unterhalb seiner Fähigkeiten und seiner Ausbildung eingesetzt. Der Dienstherr hat mit erheblichem Aufwand in eine Ausbildung des Soldaten, die eine seinem Status entsprechende Verwendung ermöglicht, investiert. Diese Investition läuft seit nunmehr mehreren Jahren aus dem Soldaten zurechenbaren Gründen leer.

Das Dienstvergehen ist nicht nur im Kameradenkreis bekannt geworden, es hat zu erheblicher Unruhe unter den Mannschaftssoldaten der Kompanie geführt. Nach den in der Berufungshauptverhandlung auszugsweise verlesenen Angaben der Zeugen Hauptgefreiter Sch. und Hauptgefreiter M. sind die Vorfälle Gegenstand einer Mannschaftsbesprechung gewesen und von den Kameraden als so schwerwiegend bewertet wurden, dass eine Eingabe an den Wehrbeauftragten erwogen wurde. Dass nach den Ausführungen des Zeugen Hauptmann S. auch gegenwärtig noch über die Vorfälle gesprochen und nach dem Ausgang des Verfahrens gefragt wird, zeigt, dass die Betroffenen die festgestellten Übergriffe als gewichtige Beeinträchtigung der Rechte von Untergebenen bewerten und in derartigen Vorfällen eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zu einem Vorgesetzten sehen. Eine Beschädigung des Vertrauens auf die Achtung der Rechte und der Würde von Untergebenen seitens der Vorgesetzten und auf die Wahrnehmung von Fürsorgepflichten durch Vorgesetzte ist geeignet, den Dienstbetrieb nachhaltig zu stören.

Das Bekanntwerden beim Wehrbeauftragten und bei den Strafverfolgungsorganen ist dagegen nicht zu Ungunsten des Soldaten in die Bemessung einzustellen (vgl. Urteil vom 7. Februar 2013 - BVerwG 2 WD 36.12 - Rn. 43).

c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Nach eigenen Angaben hat er Gewalt gegen Untergebene eingesetzt, wenn er sich aufgrund einer Sprachbarriere nicht anders in der Lage sah, seinen Führungsanspruch als Vorgesetzter durchzusetzen oder sich deswegen unter Stress gesetzt fühlte. Diese Motivation spricht gegen den Soldaten. Seine sprachlichen Defizite und die Defizite im Umgang mit Untergebenen waren ihm bereits in seiner eigenen Ausbildung aufgezeigt worden. Wer innerhalb mehrerer Jahre nicht in der Lage ist, ein eigenes Fehlverhalten abzustellen und stattdessen intellektuelle Defizite durch körperliche Übergriffe auf Andere kompensiert, offenbart einen erheblichen Charaktermangel und zeigt auf, dass er nicht in der Lage ist, den Anforderungen an die Grundsätze der inneren Führung zu genügen.

d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, gibt es nicht.

Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 -Rn. 59 m.w. N.), liegen nicht vor. Um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten handelt es sich schon wegen der Wiederholung der gleichartigen Vorfälle nicht. Hinter allen Pflichtverletzungen steht der mangelnde Respekt für die Rechte von Untergebenen bzw. Kameraden. Sie stellen sich alle als Demonstration der Dominanz mittels Gewalt oder Drohen mit Gewalt dar und haben insofern eine einheitliche Wurzel. Das Richten einer Waffe auf einen Untergebenen ist zwar nur einmal Teil des einheitlichen Dienstvergehens geworden. Der Vorfall stellt sich aber für sich gesehen bereits als mehraktiges Geschehen dar, da zu dem Richten der Waffe auf den Kameraden auch noch die Frage tritt, ob dieser jetzt Angst habe. Damit stellt sich auch das Geschehen nach dem Anschuldigungspunkt 1 für sich gesehen nicht als Kurzschlussreaktion in einer Situation psychischer Überforderung dar. Insoweit ist auch nicht die Rede davon, dass der Soldat durch seine Sprachschwierigkeiten gehindert war, dem ihm unterstellten Soldaten irgendeinen Ausbildungsinhalt anders als durch das Vorhalten der Waffe zu vermitteln oder dass er zum Zeitpunkt dieser Tat an seiner Sprachbarriere gescheitert war.

Der Milderungsgrund eines Mitverschuldens von Vorgesetzten in der Form einer mangelhaften Dienstaufsicht liegt hier schon mangels einer Überforderungssituation (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 und Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - [...] Rn. 37). nicht vor. Jeder Vorgesetzte kann auch ohne Eingreifen der Dienstaufsicht erkennen, dass der Einsatz von Gewalt gegen Untergebene ein den Grundsätzen der Inneren Führung elementar widersprechendes Erziehungsmittel und Führungsinstrument ist. Die Angaben des Soldaten zu seiner Sprachbarriere begründen eine Überforderungssituation auch nicht. Zum einen hat er die für das Erreichen seines aktuellen Dienstgrades notwendigen Lehrgänge erfolgreich absolviert und damit bewiesen, dass er der deutschen Sprache jedenfalls hinreichend mächtig ist, um auch gegenüber Untergebenen die Erfüllung von deren Dienstpflichten durchzusetzen. Zum anderen würde eine Überforderung mit der deutschen Sprache auch die Nutzung von Misshandlungen anstelle verbaler Mittel nicht in einem milderen Licht erscheinen lassen.

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" hält der Senat dem Soldaten die guten Leistungen der Vergangenheit zugute, die durch die planmäßige Beurteilung und die erste Sonderbeurteilung, durch die erhaltenen Leistungsabzeichen sowie die Förmliche Anerkennung und auch die Bekundungen des Leumundszeugen Hauptmann N. belegt sind. Der Senat berücksichtigt zu seinen Gunsten auch, dass er an der Überwindung der Sprachbarriere gearbeitet und hierbei deutliche Erfolge erzielt hat. Maßnahmemildernd ist auch einzustellen, dass der Soldat in der Berufungshauptverhandlung ausführlich seine Einsicht in das Unrecht der Pflichtverletzungen bekundet und die Absicht geäußert hat, auch im Hinblick auf seine Neigung zu aufbrausendem Verhalten in Stresssituationen an sich zu arbeiten.

Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.

Der Senat hält dem Soldaten auch sein nach wie vor hohes dienstliches Engagement und den großen Fleiß zugute, mit dem er die Aufgaben seines Dienstpostens erfüllt und sich auf eine Karriere im Zivilleben vorbereitet. Von einer Nachbewährung, die grundsätzlich eine Steigerung der Leistungen voraussetzt, geht der Senat dagegen nicht aus. Die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten ist in der aktuellen Sonderbeurteilung im Durchschnitt schlechter bewertet worden als in der vorangegangenen Sonderbeurteilung und der Soldat ist gegenwärtig auch auf einem Dienstposten mit geringeren Anforderungen eingesetzt als noch in dem Zeitraum, der in der ersten Sonderbeurteilung bewertet worden ist.

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die vom Truppendienstgericht verhängte Maßnahme nicht als unangemessen hart zu bewerten, wobei es auf die Frage, ob tat- und schuldangemessen nicht eine schärfere Maßnahme gewesen wäre, wegen des Verschlechterungsverbots nicht ankommt.

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - Rn. 35 f. [...]) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

Das Truppendienstgericht ist bei seiner Bemessungsentscheidung zutreffend von der Dienstgradherabsetzung ausgegangen. Das vorsätzliche Richten einer Schusswaffe auf einen Kameraden unter Verstoß gegen entsprechende Dienstvorschriften ist in aller Regel mit dieser Maßnahmeart zu ahnden (vgl. Urteil vom 12. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 9.10 - Rn. 51 m.w.N.). Misshandlungen von Untergebenen in der Form von Tätlichkeiten sind ebenso zu gewichten (vgl. Urteil vom 1. Februar 2012 - BVerwG 2 WD 1.11 - Rn. 72 f. m.w.N.).

bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt schon wegen der Häufung der Vorfälle kein leichter Fall vor, bei dem eine Ahndung mit einem bloßen Beförderungsverbot unter general- wie spezialpräventiven Gesichtspunkten ausreichend wäre. Wegen der massiven erschwerenden Umstände - der mehrfachen Wiederholung von je für sich bereits die Dienstgradherabsetzung rechtfertigenden Vorfällen, die gegen den Soldaten sprechenden Beweggründe und die nachteiligen Auswirkungen für den Dienstbetrieb - ist trotz seiner guten Leistungen und den sonst für ihn sprechenden Milderungsgründen in seiner Person eine Herabsetzung um mehrere Dienstgrade geboten. Dies hat das Truppendienstgericht in maßvollem Umfang getan.

Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen einer Dienstgradherabsetzung entgegen.

Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die teilweise sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - [...] Rn. 50 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 -[...] Rn. 51 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5>).

3. Da die Berufung des Soldaten erfolglos geblieben ist, sind ihm gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO trägt der Soldat damit auch die ihm im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

Vorinstanz: TDiG Nord, vom 19.03.2013 - Vorinstanzaktenzeichen TDG