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BVerwG - Entscheidung vom 21.05.2013

3 B 91.12

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VO2009 Art. 21 1122//EG

BVerwG, Beschluss vom 21.05.2013 - Aktenzeichen 3 B 91.12

DRsp Nr. 2013/15678

Genehmigung der Festsetzung von Zahlungsansprüchen und Betriebsprämien nebst Beihilfen für Agrar-Umweltmaßnahmen zum Anbau u.a. von Obst und Gemüse (hier: OGS-Genehmigungen)

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung des Beschlusses des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. August 2012 für das Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf 6 805,05 € und danach für das erstinstanzliche Verfahren, das Berufungs- und Beschwerdeverfahren auf 6 079,44 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VO2009 Art. 21 1122//EG;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über Genehmigungen, Zahlungsansprüche für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (OGS-Genehmigungen).

Der Kläger beantragte am 17. Mai 2005 die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie die Betriebsprämie 2005 nebst Beihilfen für Agrar-Umweltmaßnahmen. Das in dem Antragsformular vorgesehene Feld zur Beantragung von OGS-Genehmigungen kreuzte er nicht an. Der beigefügte Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis 2005 wies eine Fläche von insgesamt 43,02 ha mit den Codes 612 (Sonstige Speisekartoffeln), 723 (Erdbeeren) und 715 (Spargel) zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen aus. Im Referenzjahr 2003 hatte er auf einer Fläche von 29,4813 ha Speisekartoffeln und Erdbeeren angebaut. Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte Zahlungsansprüche fest, ohne diese mit OGS-Genehmigungen zu verbinden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten OGS-Genehmigungen, weil er diese nicht beantragt habe, was auch nicht wegen eines offensichtlichen Irrtums berichtigt werden könne.

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO .

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist dies in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen. Das setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 , vom 7. Juni 1996 - BVerwG 1 B 127.95 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 32 S. 26 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 S. 13). Eine solche Rechtsfrage wirft die Beschwerde nicht auf.

1. Rechtsfragen, die sich auf auslaufendes, ausgelaufenes oder nur übergangsweise geltendes Recht beziehen, haben regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist und dies substantiiert dargelegt wird (stRspr, Beschlüsse vom 24. Oktober 1994 - BVerwG 9 B 83.94 - DVBl 1995, 568 , vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 10, vom 8. März 2000 - BVerwG 2 B 64.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 S. 3, vom 17. Mai 2004 - BVerwG 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 10 und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 6 B 70.05 - [...] Rn. 6).

Die Fragen,

"ob es trotz Vorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Zuweisung von sog. OGS-Genehmigungen (überhaupt) eines weiteren gesonderten Antrages auf Festsetzung der Zahlungsansprüche bedarf, vor allem dann, wenn in dem Sammelantrag für das Jahr 2005 die mit OGS-Kulturen bestellten Flächen hierneben im GFN seitens des Antragstellers vollumfänglich angegeben worden sind"

und

"ob die Ablehnung der Zuweisung von sog. OGS-Genehmigungen - bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen im Übrigen - auf das bloße Fehlen einer zusätzlichen, rein formalen AntragsteIlung, ohne dass hierfür nach Art. 60 VO (EG) Nr. 1782/2003 ein ausdrückliches Antragsverfahren/eine Antragspflicht enthalten ist, zurückgeführt werden kann, ohne auf den von Amts wegen zu berücksichtigenden/ermittelnden wirklichen Willen des Antragstellers nach Maßgabe der §§ 24 ff. VwVfG , § 86 VwGO i.V.m. §§ 153 , 157 BGB abzustellen",

rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, denn sie betreffen ausgelaufenes Recht. Die Regelung, Zahlungsansprüche nicht ohne Genehmigung für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (Art. 51 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 der Verordnung <EG> des Rates Nr. 1782/2003 vom 29. September 2003, ABl Nr. L 270 S. 1), entfiel in Deutschland bereits mit der Neufassung des Art. 51 VO (EG) Nr. 1782/2003 durch Art. 52 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom 26. September 2007 (ABl Nr. L 273 S. 1). In Folge dieser Rechtsänderung wurde § 14 InVeKoSV, wonach OGS-Genehmigungen im Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche zu beantragen waren, aufgehoben (Art. 2 Nr. 10 der Verordnung zur Änderung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung, der InVeKoS-Verordnung, der Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung und der Seefischereiverordnung vom 8. Mai 2008, BGBl I S. 801). Schließlich wurde auch Art. 60 VO (EG) Nr. 1782/2003 mit seinen Regelungen zur Genehmigung bestimmter Nutzungen durch Art. 146 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 (ABl Nr. L 30 S. 16) ersatzlos aufgehoben.

Die geringe Zahl der als noch mindestens anhängig genannten Fälle kann eine grundsätzliche Bedeutung der Frage nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die genannten Vorarbeiten der Kommission für die Fortentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik. Abgesehen davon, dass sich aus den in Bezug genommenen Regelungen der Verordnungsvorschläge der Kommission eine gleichgelagerte Fragestellung nicht erkennen lässt, handelt es sich nicht um bereits existentes Recht. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine grundsätzliche Bedeutung auch nicht aus der Entscheidung des Berufungsgerichts in dem Verfahren 10 LB 83.10 (Urteil vom 29. August 2012, RdL 2013, 19) ableiten, wobei im Übrigen dort der hier fehlende Formularantrag gestellt war ([...] Rn. 34 f.).

2. Einer Frage kommt grundsätzliche Bedeutung darüber hinaus nur dann zu, wenn ihre Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Für die Fragen,

"inwieweit ein Mitgliedstaat im Rahmen der Erstzuteilung von Zahlungsansprüchen sowie im Rahmen des InVeKoS ein im Unionsrecht nicht vorgesehenes Antragserfordernis nationalstaatlich normieren kann",

"ob nationalstaatlich im Unionsrecht nicht vorgesehene Antragserfordernisse normiert werden dürfen",

und

"ob die grundsätzlich notwendige einheitliche Anwendung von Unionsrecht nationalstaatliche Antragserschwernisse überhaupt zulassen und ob die Abweichung bei der Festsetzung von Zahlungsansprüchen, die grundsätzlich für den Zeitraum 2005 - 2013 Bedeutung hatten, verhältnismäßig ist",

gilt allerdings zunächst, dass ausgelaufenes Recht betroffen ist, soweit auf die Festsetzung von Zahlungsansprüchen im Zuge der Agrarreform 2004 abgestellt wird. Darüber hinaus wird mit ihnen eine klärungsfähige Frage nicht aufgeworfen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein eigenes Antragserfordernis in den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts vorgeben werde oder darin jedenfalls angelegt sei. Das hat es in seinem Urteil zwar nicht näher ausgeführt, ergibt sich jedoch aus seiner hierzu in Bezug genommenen Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 13. März 2012 - 10 LB 96/10 - [...] Rn. 28 ff.). Folglich ist das Berufungsgericht nicht von einem unionsrechtlich nicht vorgesehenen, nationalstaatlichen Antragserfordernis oder einer Antragserschwernis ausgegangen, so dass die Fragen nicht entscheidungserheblich waren und in einem Revisionsverfahren voraussichtlich nicht zu klären wären.

3. Auf der Grundlage des Berufungsurteils und den ausgelaufenen Regelungen über die Zuweisung von OGS-Genehmigungen könnte der Frage,

"ob ein fehlender zusätzlicher, rein formaler Antrag auf Zuweisung von OGS-Genehmigungen nicht über das Institut des ,offensichtlichen Irrtums' gemäß Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 berichtigt werden kann",

allenfalls dahingehend grundsätzliche Bedeutung zukommen, als in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte, ob ein fehlender Antrag als offensichtlicher Irrtum berichtigt werden kann. Die Beantwortung der so verstandenen Frage bedarf jedoch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, denn die Antwort ergibt sich unzweifelhaft und ohne Weiteres mit Hilfe der üblichen Regeln der Auslegung aus dem einschlägigen Verordnungsrecht (vgl. dazu Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13; EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, IV-3415 Rn. 12 ff.).

Nach Art. 19 der Verordnung (EG) der Kommission Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18), der inhaltlich unverändert von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABl Nr. L 316 S. 65) abgelöst wurde, kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Gegenstand der Berichtigung und damit dessen notwendige Voraussetzung ist nach dem klaren Wortlaut ein Antrag. Er ist Ausgangspunkt für die Feststellung des Irrtums, der sich aus dem Zusammenhang der in ihm enthaltenen Erklärungen oder den mit ihm in Verbindung stehenden objektiven Umständen als offensichtlich darstellen muss. Entsprechend sah auch die Ursprungsvorschrift der ersten Durchführungsverordnung zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem vor, dass "ein Beihilfeantrag" nach Ablauf der Einreichungsfrist "geändert" werden kann, wenn ein von der Behörde anerkannter offensichtlicher Fehler vorliegt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a VO <EWG> Nr. 3887/1992 der Kommission vom 23. Dezember 1992, ABl Nr. L 391 S. 36). Dieser Ansatz blieb unverändert. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass ein unterbliebener Antrag nicht im Wege der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer fingiert werden kann.

Die darüber hinaus in diesem Zusammenhang gestellten Fragen,

"ob ein offensichtlicher Irrtum beim Vorliegen einer bewussten oder unbewusst groben Fahrlässigkeit (regelmäßig) auszuschließen ist"

und

"wie bewusste und unbewusste und grobe Fahrlässigkeit im Sinne einer unionsweiten einheitlichen Auslegung des EU-Rechts zu definieren ist",

können die Zulassung der Revision schon deshalb nicht rechtfertigen, weil das Berufungsgericht die Anwendung der Vorschrift über die Berichtigung offensichtlicher Irrtümer selbständig tragend bereits mangels eines der Berichtigung zugänglichen Antrags ausgeschlossen hat. Ist die angefochtene Entscheidung aber selbständig tragend auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 2 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Der Streitwert ist gemäß § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Danach sind die Zahl und der Wert der Zahlungsansprüche anzusetzen, auf die sich die begehrten OGS-Genehmigungen beziehen. Denn sie entscheiden hier darüber, ob und in welchem Umfang für die im Jahr 2005 zum Anbau von Speisekartoffeln genutzte und beantragte 43,02 ha große Fläche eine Betriebsprämie gewährt werden kann. Er errechnet sich aus der um die Plafondkürzung verringerten Hektarzahl, für die OGS-Genehmigungen bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und danach begehrt worden sind, und ist mit dem Wert der korrespondierenden Zahlungsansprüche (255,12 €/ha) zu vervielfachen. Die vom Berufungsgericht zuletzt noch vorgenommene Verringerung um ein Viertel ist nicht gerechtfertigt (vgl. dazu auch Beschluss vom 8. September 2008 - BVerwG 3 B 52.08 - Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 7 S. 7 f.). Die Befugnis zur Änderung der vorinstanzlichen Wertfestsetzungen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Niedersachsen, vom 01.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 10 LB 113/10