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BVerwG - Entscheidung vom 03.06.2013

3 B 68.12

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
BerRehaG § 1 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 03.06.2013 - Aktenzeichen 3 B 68.12

DRsp Nr. 2013/16183

Festsetzung der Verfolgungszeit sowie die Einordnung der Qualifikation eines politisch Verfolgten

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; BerRehaG § 1 Abs. 1 ;

Gründe

Der Kläger wurde vom Beklagten als politisch Verfolgter nach § 1 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ( BerRehaG ) mit einer Verfolgungszeit vom 18. August 1982 bis zum 6. September 1987 anerkannt und in die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch (SGB) VI eingeordnet. Mit seiner Klage erstrebt er die Anerkennung einer weitergehenden Verfolgungszeit bis zum 20. November 1989 und die Einordnung in die Qualifikationsgruppe 3 (Meister), weil er zwischen November 1980 und August 1982 auf der Planstelle eines Meisters beschäftigt und als Meister entlohnt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Festsetzung der Verfolgungszeit sowie die Einordnung der Qualifikation durch den Beklagten bestätigt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO . Der Fall des Klägers bietet keine Veranlassung weitergehend als bereits geschehen zu klären, ob für die Einordnung in eine höhere als die formal einschlägige Qualifikationsgruppe aufgrund "langjähriger Berufserfahrung" nach Satz 2 der Anlage 13 zum SGB VI ein quantitatives Element im Sinne einer bestimmten Dauer der Tätigkeit erforderlich ist oder qualitative Umstände genügen.

a) In der - vom Verwaltungsgericht ausdrücklich zugrunde gelegten - Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass das Tatbestandsmerkmal der "langjährigen Berufserfahrung" voraussetzt, dass der höherwertige Beruf während eines Zeitraumes ausgeübt wurde, der ausreicht, um die theoretischen und praktischen Fähigkeiten für eine vollwertige Berufsausübung auch ohne vorgeschriebene Ausbildung zu vermitteln. In der Regel ist davon auszugehen, dass dafür ein Zeitraum erforderlich ist, welcher der doppelten Regelausbildungszeit bzw. der doppelten Regelstudienzeit entspricht (Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 3 C 15.05 - ZOV 2006, 287 = Buchholz 428.8 § 22 BerRehaG Nr. 1). Damit wird nicht infrage gestellt, dass es schon nach dem Wortlaut der Anlage 13 auf "Fähigkeiten" und "Qualifikationsmerkmale", also auf qualitative Umstände im Sinne der Beschwerde ankommt. Können diese aber nicht durch die in der jeweiligen Gruppe der Anlage umschriebenen formalen Kriterien (Ausbildungswege und -stellen, Abschlussprüfungen, Zertifikate usw.) nachgewiesen werden, bedarf es der Ersetzung der Kriterien "durch das Qualifikationsmerkmal der Fähigkeiten, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, falls diese auf Grund 'langjähriger Berufserfahrung' erworben worden sind" (vgl. BSG , Urteil vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R - SozR 4-2600 § 256b Nr. 1 = rv 2003, 189). In diesen Fällen sind die von der Beschwerde so genannten "quantitativen" und "qualitativen" Momente mithin dadurch verknüpft, dass der Dauer der höherwertigen Tätigkeit eine Indizwirkung zugunsten des Erwerbs einer materiell höheren Qualifikation zukommt.

b) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf auch nicht deshalb rechtsgrundsätzlicher Überprüfung, weil sie hinsichtlich der erforderlichen Dauer der Tätigkeit von Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweichen würde. Vielmehr hat der Senat im Urteil vom 27. April 2006 (a.a.O.) in Übereinstimmung mit dem von der Beschwerde angeführten Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Mai 2003 (a.a.O.) ausgeführt, dass die erforderlichen Fähigkeiten im Wege der Berufsausübung jedenfalls nicht schneller erworben werden können als durch eine formale Berufsausbildung; die dafür benötigte Zeit bildet die Untergrenze für die Anerkennung der Gleichwertigkeit. In demselben Sinne heißt es in der Entscheidung des Bundessozialgerichts, eine langjährige Berufserfahrung könne "frühestens" nach Ablauf der für die entsprechende formale Ausbildung vorgesehenen Zeit angenommen werden. Rechtssätze des Bundessozialgerichts, die der vom Senat im Anschluss hieran entwickelten regelmäßigen Erwerbszeit entgegenstehen würden, legt die Beschwerde nicht dar.

c) Die Beschwerde zeigt auch keine im Fall des Klägers relevanten Umstände auf, diese Rechtsprechung fortzuentwickeln. Insbesondere bezeichnet sie keine "qualitativen Umstände", die generell - also in verallgemeinerungsfähiger Weise - eine Verkürzung der nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig erforderlichen Tätigkeitsdauer rechtfertigen könnten.

2. Die geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Urteil des Senats vom 12. Februar 1998 (BVerwG 3 C 25.97 - ZOV 1998, 278 = Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 11) ist nicht gegeben. Mit der Gegenüberstellung sich vermeintlich widersprechender Ausführungen aus den genannten Urteilen will die Beschwerde der Sache nach dartun, dass das Verwaltungsgericht bei der Bestimmung der Verfolgungszeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG einen falschen Maßstab angelegt habe. Nach der Rechtsprechung des Senats knüpften die Regelungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes - auch bei der Festlegung des Endes der Verfolgungszeit - an die berufliche Tätigkeit an, die vom Verfolgten zum Zeitpunkt des Eintritts der Verfolgung ausgeübt wurde (Urteil des Senats vom 12. Februar 1998 a.a.O. S. 22). Gemessen hieran habe das Verwaltungsgericht bei der Bestimmung des Zeitpunktes, in dem er einen sozial gleichwertigen Beruf habe ausüben können, unzutreffend seinen Beruf als Elektriker und nicht die vor dem Eingriff wahrgenommene Tätigkeit als Aufzugwart (Hebezeugwart) zur Beurteilung herangezogen. Sollte dies zutreffen, würde indes keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliegen, sondern ein Rechtsanwendungsfehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Greifswald, vom 15.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 5 A 1082/10