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BVerwG - Entscheidung vom 15.01.2013

1 C 10.12

Normen:
Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei - ZP - Art. 41 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 7 Satz 1
Richtlinie 2004/38/EG Art. 31, 38 Abs. 2
Richtlinie 2003/109/EG Art. 12
Richtlinie 64/221/EWG Art. 9
ARB 1/80 Art. 13, 14 Abs. 1
StGB § 57
AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 55 Abs. 1
AufenthG § 56 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 13
ZP Art. 41 Abs. 1
StGB § 57 Abs. 1

Fundstellen:
NVwZ-RR 2013, 435
ZAR 2013, 213

BVerwG, Urteil vom 15.01.2013 - Aktenzeichen 1 C 10.12

DRsp Nr. 2013/4689

Bindung der Ausländerbehörden bei der aufenthaltsrechtlichen Gefahrenprognose anlässlich des Erlasses einer spezialpräventiven Ausweisung an die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung

1. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte sind bei der aufenthaltsrechtlichen Gefahrenprognose anlässlich des Erlasses bzw. der Überprüfung einer spezialpräventiven Ausweisung nicht an die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gebunden (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 -m.w.N.).2. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Ausweisungsverfahren in Baden-Württemberg verstößt nicht gegen die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP (wie Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.O.).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

ARB 1/80 Art. 13; ZP Art. 41 Abs. 1; StGB § 57 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

Der 1984 in A. geborene Kläger ist bei seiner - inzwischen eingebürgerten - türkischen Mutter in Deutschland aufgewachsen und besuchte hier die Grund- und Förderschule, ohne einen Schulabschluss zu erlangen. Eine Ausbildung brach er nach wenigen Monaten ab. In der Folgezeit ging er verschiedenen Gelegenheitsjobs nach und war immer wieder arbeitslos. 2000 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Im Februar 2003 heiratete der Kläger in der Türkei eine türkische Staatsangehörige. Ein Antrag auf Ehegattennachzug blieb ohne Erfolg. Im Mai 2006 wurde ein gemeinsames Kind geboren, das bei der Mutter in der Türkei lebt.

Der Kläger ist ab 2001 in kurzen Abständen und mit zunehmender krimineller Energie strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er wurde deshalb im Juli 2003 und im August 2004 ausländerrechtlich verwarnt. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts H. vom 22. Mai 2006 wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Wegen dieser Tat war er im Dezember 2005 festgenommen worden. Bis Januar 2011 befand er sich in Haft. In dieser Zeit holte er den Hauptschulabschluss nach und beendete die einjährige gewerbliche Berufsfachschule.

Das Regierungspräsidium T. wies den Kläger mit Bescheid vom 27. Mai 2008 aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung unmittelbar aus der Haft heraus bzw. für den Fall, dass eine Abschiebung zum Haftende nicht erfolgen könne, einen Monat nach der Haftentlassung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger könne selbst bei einem zu seinen Gunsten unterstellten Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden, da von ihm eine konkrete Wiederholungsgefahr ausgehe und das öffentliche Interesse an einer Ausweisung sein privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiege. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht änderte der Vertreter des Beklagten die Abschiebungsandrohung dahin, dass eine Abschiebung frühestens einen Monat nach Bestandskraft der Ausweisungsverfügung erfolgt.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. April 2009 ab. Während des Berufungsverfahrens setzte das Landgericht T. mit Beschluss vom 11. Januar 2011 nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafen aus den beiden letzten Verurteilungen die Vollstreckung des Strafrestes unter Auflagen zur Bewährung aus. Der Entscheidung lagen ein kriminologisch-kriminalprognostisches Gutachten der Universität T. sowie befürwortende Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt und der Staatsanwaltschaft zugrunde.

Mit Urteil vom 7. März 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und der Klage stattgegeben. Zur Begründung ist ausgeführt: Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, könne sein Aufenthalt gemäß Art. 14 ARB 1/80 nur beendet werden, wenn sein Verhalten eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle. Dabei seien nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte zu wahren. Die mögliche Gefährdung eines in Gang gesetzten positiven Resozialisierungsprozesses stelle einen wichtigen Abwägungsfaktor dar. Bei assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsangehörigen, die hier geboren und/oder den überwiegenden Teil ihres Lebens verbracht hätten, müssten - insbesondere wenn der Resozialisierungsprozess weit fortgeschritten sei und weitere gewichtige positive Integrationsfaktoren hinzu kämen - besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigten, gleichwohl das reale Risiko eines Scheiterns des Resozialisierungsprozesses in Kauf zu nehmen. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte in Anwendung dieser unionsrechtlichen Grundsätze für die Wiederholungsgefahr kein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung sei auszugehen, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde. Soweit das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung nur eine gewisse Indizwirkung zukomme, werde dies den unions- und assoziationsrechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht gerecht. Mit der Aussetzung der Strafvollstreckung zeige die Gesellschaft des Mitgliedstaats, dass sie um des Täters und seiner Resozialisierung willen bereit sei, diesem ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dann könne es schwerlich einem Grundinteresse der Gesellschaft dieses Mitgliedstaats entsprechen, ihn gleichwohl auszuweisen und die Chance einer Resozialisierung in dem Land, in dem er zuletzt gelebt habe, zu nehmen. Dies gelte jedenfalls, wenn der Betroffene dort wesentliche Teile seiner Sozialisierung erfahren habe. Eine Ausweisung in ein anderes Land müsse regelmäßig als kontraproduktiv und einer Resozialisierung hinderlich begriffen werden. Aussetzungsentscheidungen dürften auch deshalb nicht gering gewichtet werden, weil sie von einer mit der Beurteilung von Täterpersönlichkeiten und deren Lebensumfeld vertrauten Fachgerichtsbarkeit ausgesprochen würden. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn zur Vorbereitung der Entscheidung fachkundige Stellungnahmen oder Gutachten eingeholt worden seien. Das Verwaltungsgericht könne eine solche Entscheidung ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweise oder infolge aktueller Entwicklungen überholt sei. Im Regelfall führe die Aussetzung jedoch dazu, dass die Ausweisung nicht (mehr) einem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaats entspreche. Vorliegend habe die Strafvollstreckungskammer die Reststrafe unter Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Diese Entscheidung beruhe auf einem überzeugenden Sachverständigengutachten. Außerdem habe eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vorgelegen, die die wesentlichen Entwicklungsschritte des Klägers insbesondere im Jahre 2010 aufzeige und eine vorzeitige Freilassung befürworte. Gesichtspunkte, die geeignet wären, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in Frage zu stellen, seien nicht ersichtlich. Die Entscheidung sei auch nicht überholt, weil der Kläger drei Termine bei der Drogenberatung nicht wahrgenommen habe. Dieser Verstoß dürfe nicht bagatellisiert werden, auch die Strafvollstreckungskammer habe aber keine Veranlassung für ein Einschreiten gesehen. Hiervon abgesehen habe der Kläger seit seiner Haftentlassung eine positive Entwicklung durchlaufen.

Der Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des Art. 14 ARB 1/80. Das Berufungsgericht habe dem Aspekt einer möglichen Gefährdung des Resozialisierungsprozesses ein zu hohes Gewicht eingeräumt. Auch bei Art. 14 ARB 1/80 gelte ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit. Der Wiederholungsgefahr stehe auch nicht entgegen, dass die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei, da Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose zu treffen hätten.

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung, hilfsweise begehrt er eine Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und unterstützt die Auffassung des Beklagten.

II

Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat der Prüfung, ob vom Kläger weiterhin eine Wiederholungsgefahr ausgeht, einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (1.). Außerdem hat es die aufenthaltsrechtliche Bedeutung eines während der Haft in Gang gesetzten Resozialisierungsprozesses und einer darauf beruhenden Aussetzungsentscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB verkannt (2.). Auf diesen Verstößen beruht die angegriffene Entscheidung (3.); sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (4.). Da das Berufungsgericht keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen für eine bundes- und unionsrechtlichen Anforderungen entsprechende Gefahrenprognose getroffen hat, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung und der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (stRspr, vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - [...] Rn. 12 m.w.N.). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224), das am 1. August 2012 in Kraft getreten ist. Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

Die angefochtene Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1 , § 56 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ANBA 1981, 4) -ARB 1/80. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch vom Beklagten nicht (mehr) in Zweifel gezogen. Nach Aktenlage ist der Kläger im Bundesgebiet bei seiner Mutter aufgewachsen, die jedenfalls bis zu ihrer Einbürgerung im Jahr 2002 türkische Arbeitnehmerin war. Der Kläger kann daher nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur im Ermessenswege ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Auch nach nationalem Recht genießt der Kläger besonderen Ausweisungsschutz (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ) und kann nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ).

Der der letzten Verurteilung des Klägers wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zugrunde liegende Verstoß gegen die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit des Opfers stellt sowohl mit Blick auf den unionsrechtlichen als auch mit Blick auf den nationalen Ausweisungsschutz einen hinreichend schweren Ausweisungsanlass dar, der über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung hinausgeht und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die vom Berufungsgericht - bezogen auf den Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung - daraus abgeleitete, für den Kläger günstige Gefahrenprognose ist aber in zweifacher Hinsicht fehlerhaft.

1.

Das Berufungsgericht hat seiner Prognoseentscheidung einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass unabhängig vom Gewicht der bedrohten Rechtsgüter von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nur ausgegangen werden könne, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde. Für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16). Der vom Berufungsgericht angewandte starre Maßstab genügt diesen Anforderungen mit Blick auf das Gewicht der durch die letzte Tat bedrohten Rechtsgüter nicht.

Die Kritik des Berufungsgerichts an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verkennt, dass jeder sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß zugrunde liegt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch die den nationalen Gerichten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten eines türkischen Staatsangehörigen, der sich auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 14 ARB 1/80 berufen kann, gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern - wie vom Berufungsgericht unterstellt - bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Der differenzierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab führt daher selbst bei Unionsbürgern nicht zu einem unionsrechtswidrigen "Gefahrenexport zu Lasten anderer Mitgliedstaaten", wie das Berufungsgericht meint.

2.

Das Berufungsgericht hat den Rechtssatz aufgestellt, dass Aussetzungsentscheidungen der Strafgerichte nach § 57 Abs. 1 StGB , jedenfalls wenn zu ihrer Vorbereitung fachkundige Stellungnahmen oder fachwissenschaftliche Gutachten eingeholt worden seien, vom Verwaltungsgericht regelmäßig in der Weise berücksichtigt werden müssten, dass die Ausweisung keinem Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaats entspreche. Das Verwaltungsgericht könne eine solche Entscheidung nur ausnahmsweise unbeachtet lassen, wenn sie sich als offenkundig fehlerhaft erweise oder infolge aktueller Entwicklungen überholt sei. Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Ein derartiges Regel-/Ausnahmeverhältnis ist weder dem nationalen Recht noch dem Unionsrecht zu entnehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Dabei sind sie an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB sind zwar von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Von ihnen geht aber keine Bindungswirkung aus (Urteile vom 28. Januar 1997 -BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10 S. 41, vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <193> m.w.N. und zuletzt vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 - Rn. 23). Sie haben auch nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - zur Folge, dass die Wiederholungsgefahr zumindest in der Regel wegfällt. Dies gilt auch dann, wenn die Strafvollstreckungskammer - wie hier - zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn auch dieses orientiert sich inhaltlich an den materiellen strafrechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzungsentscheidung.

Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass es widersprüchlich wäre, einerseits Straftätern ein Leben in Freiheit zu ermöglichen, sie aber gleichzeitig mit der Begründung auszuweisen, dass von ihnen eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr ausgehe, verkennt es, dass vorzeitige Haftentlassung und Ausweisung unterschiedliche Zwecke verfolgen und deshalb unterschiedlichen Regeln unterliegen: Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 57 StGB geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines in Haft befindlichen Straftäters weiter im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit ggf. unter Auflagen "offen" inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Bei dieser Entscheidung stehen naturgemäß vor allem Resozialisierungsgesichtspunkte im Vordergrund; zu ermitteln ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Demgegenüber geht es im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren um die Frage, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Heimatstaat des Ausländers getragen werden muss. Die der Ausweisung zugrunde liegende Prognoseentscheidung bezieht sich folglich nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht hier um die Beurteilung, ob es dem Ausländer gelingen wird, über die Bewährungszeit hinaus ein straffreies Leben zu führen. Bei dieser längerfristigen Prognose kommt dem Verhalten des Betroffenen während der Haft und nach einer vorzeitigen Haftentlassung zwar erhebliches tatsächliches Gewicht zu. Dies hat aber nicht zur Folge, dass mit einer strafrechtlichen Aussetzungsentscheidung ausländerrechtlich eine Wiederholungsgefahr zwangsläufig oder -wie vom Berufungsgericht angenommen - zumindest regelmäßig entfällt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Täter im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren verweisen kann; das Potenzial, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen, ist nur ein solcher Faktor, genügt aber für sich genommen nicht.

Der vorrangig am Gedanken der Resozialisierung ausgerichtete Ansatz des Berufungsgerichts findet in der Rechtsprechung des EuGH keine Bestätigung. Danach müssen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei der Frage, ob das Verhalten eines assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, zwar sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens wahren (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 82). Soweit die Generalanwältin in den Rechtssachen Orfanopoulos und Oliveri in ihren Schlussanträgen vom 11. September 2003 (Slg. 2003, I-5262 Rn. 64) bei der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger darauf abgestellt hat, dass das vorlegende Gericht auch hätte prüfen müssen, wo eine Resozialisierung eher möglich wäre, hat der EuGH dieses Argument in seiner Entscheidung nicht aufgegriffen (Urteil vom 29. April 2004 -Rs. C-482/01 und C-493/01 - Slg. 2004, I-5257 <5295>). Auch in der Rechtssache Ziebell räumt der EuGH bei der Ausweisung eines im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsangehörigen dem Gedanken der Resozialisierung im Aufnahmemitgliedstaat keinen Vorrang ein. Er verlangt nur, dass Ausländerbehörden und Gerichte anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in sein Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigen Ziels gegen tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren abwägen müssen, die eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Dabei sind alle Umstände angemessen zu berücksichtigen, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind (Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 85). Dies zeigt, dass Resozialisierungsbemühungen während der Haft und eine Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Erprobung auch in Fällen, in denen der Betroffene längere Zeit im Aufnahmemitgliedstaat gelebt und dort seine Sozialisierung erfahren hat, einer Ausweisung weder zwingend noch regelmäßig entgegenstehen. Gleiches gilt für den Umstand, dass ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für die weitere Resozialisierung möglicherweise weniger günstig ist. Denn das Ausweisungsrecht dient nicht der Resozialisierung des Betroffenen, sondern dem Schutz der Allgemeinheit im Aufnahmemitgliedstaat. Dabei sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung tatsächlich vorhandene Integrationsfaktoren - wie sie etwa durch eine vorzeitige Haftentlassung zum Ausdruck kommen können - zwar zu berücksichtigen, ihnen ist bei der Abwägung aber nicht von vornherein Vorrang einzuräumen.

3.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf den festgestellten Verstößen. Das Berufungsgericht hat aufgrund seines unzutreffenden rechtlichen Ansatzes keine eigene Prognoseentscheidung getroffen, sondern auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer und das von ihr eingeholte kriminologisch-kriminalprognostische Sachverständigengutachten verwiesen und nur geprüft, ob die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer offenkundig fehlerhaft oder durch das zwischenzeitliche Verhalten des Klägers überholt ist. Dies genügt den Anforderungen an die ausländerrechtlich gebotene Gefahrenprognose nicht, da sich sowohl die Strafvollstreckungskammer als auch die von ihr beauftragte Gutachterin nur mit der Frage einer vorzeitigen bedingten Entlassung des Klägers auseinandergesetzt und nur eine auf diese eingeschränkte Aufgabenstellung bezogene Gefahrenprognose erstellt haben. Das Berufungsgericht konnte und durfte sich daher nicht mit der Einschätzung begnügen, dass sich das von der Strafvollstreckungskammer eingeholte Sachverständigengutachten in seiner differenzierten und kritische Aspekte nicht unterdrückenden Sicht als überzeugend erweise und keine Anhaltspunkte erkennbar seien, die geeignet wären, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in Frage zu stellen oder sie als überholt erscheinen zu lassen. Es hätte vielmehr eine eigenständige Prognoseentscheidung treffen und sich dabei mit Blick auf die gebotene langfristige ausländerrechtliche Gefahrenprognose mit der Person des Klägers, den von ihm begangenen Straftaten und seinem zwischenzeitlichen Verhalten auseinandersetzen müssen. Der Verweis des Berufungsgerichts auf das von der Strafvollstreckungskammer eingeholte Gutachten genügt diesen Anforderungen nicht. Im Übrigen hat die Gutachterin - selbst bezogen auf ihre eingeschränkte Aufgabenstellung - eine Wiederholungsgefahr keineswegs vorbehaltlos ausgeschlossen. Vielmehr hat sie einer Zweidrittelentlassung, in der sie vor allem eine Entwicklungschance für den Kläger gesehen hat, auch nur mit einigen Bedenken zugestimmt und in ihrem Gutachten einige für die längerfristige ausländerrechtliche Prognose eher ungünstige Aspekte angeführt. Auch das Verhalten des Klägers nach Haftentlassung hat das Berufungsgericht nur darauf geprüft, ob hierdurch die Aussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer überholt ist.

4.

Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO ).

a)

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Ausweisung nicht schon deshalb rechtswidrig, weil das Regierungspräsidium sie ohne Einschaltung einer unabhängigen Stelle verfügt hat. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759 <Rn. 61 ff.> = NVwZ 2006, 72 ). Im vorliegenden Fall hat das Regierungspräsidium den angefochtenen Bescheid aber am 27. Mai 2008 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ) erlassen. Offenbleiben kann, ob sich für assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige die unionsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen nunmehr nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG (betreffend langfristig Aufenthaltsberechtigte) oder nach Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG (betreffend Unionsbürger) bestimmen. Denn in keiner dieser Vorschriften ist die Beteiligung einer unabhängigen Stelle vorgeschrieben. Das hat der Senat in dem dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 -(a.a.O. Rn. 29 f.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

Aus den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP, ergibt sich nicht, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden ist. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 33) ebenfalls unter Auseinandersetzung mit den Argumenten des Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

b)

Ohne Erfolg rügt der Kläger einen nationalen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln durch den Wegfall des Widerspruchsverfahrens gegen Ausweisungsentscheidungen in Baden-Württemberg zum 1. Juli 1999. Auch dies hat der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 34) im Einzelnen dargelegt.

c)

Der Rechtmäßigkeit der Ausweisung steht auch nicht entgegen, dass das Regierungspräsidium die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung befristet hat. Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - haben Ausländer zwar grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - [...] Rn. 30). Fehlt die notwendige Befristung der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche - rechtmäßige Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr ist in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39).

d)

Schließlich verstößt die Ausweisung nicht gegen die Richtlinie 2008/115/EG -Rückführungsrichtlinie. Dabei kann dahinstehen, ob sie an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Ausweisung bejaht, verhilft das der Anfechtungsklage gegen die Ausweisung nicht zum Erfolg. Da der Kläger mit Hilfe seines Hilfsantrags die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45).

5.

Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung der Sache gehindert, da das Berufungsgericht hinreichende tatsächliche Feststellungen für eine bundesund unionsrechtlichen Anforderungen genügende Gefahrenprognose nicht getroffen hat. Die Tatsachen, die der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Aussetzungsentscheidung zugrunde liegen - insbesondere soweit sie sich aus dem kriminologisch-kriminalprognostischen Gutachten ergeben -, ermöglichen eine das persönliche Verhalten des Klägers sowie alle Umstände des Falles einbeziehende längerfristige ausländerrechtliche Gefahrenprognose nicht. Für das neue Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte das Berufungsgericht auf der Grundlage einer aktuellen ausländerrechtlichen Gefahrenprognose zu dem Ergebnis kommen, dass vom Kläger keine Wiederholungsgefahr mehr ausgeht, hätte die Klage Erfolg. Dann wären die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung - in der vom Beklagten nachträglich abgeänderten Fassung - aufzuheben.

Sollte das Berufungsgericht hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass vom Kläger weiterhin eine Wiederholungsgefahr ausgeht und die Ausweisung auch im Übrigen rechtmäßig ist, müsste es über den vom Kläger erstmals im Revisionsverfahren gestellten Hilfsantrag entscheiden, mit dem dieser eine sofortige Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG begehrt (vgl. dazu Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 27 ff. sowie Urteile vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 1 C 20.11 - und - BVerwG 1 C 14.12).

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 , § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG ).

Verkündet am 15. Januar 2013

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 07.03.2012 - Vorinstanzaktenzeichen VGH 11 S 3269/11
Vorinstanz: VG Sigmaringen, vom 29.04.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 1175/08
Fundstellen
NVwZ-RR 2013, 435
ZAR 2013, 213