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BVerwG - Entscheidung vom 22.10.2013

6 PB 22.13

Normen:
BPersVG § 83 Abs. 2
ArbGG § 72a Abs. 5 S. 3
ArbGG § 92a S. 2

BVerwG, Beschluss vom 22.10.2013 - Aktenzeichen 6 PB 22.13

DRsp Nr. 2013/24097

Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für Bundespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.

Normenkette:

BPersVG § 83 Abs. 2 ; ArbGG § 72a Abs. 5 S. 3; ArbGG § 92a S. 2;

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form begründet worden ist (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 3, § 92a Satz 2 ArbGG ).

Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 , § 92a Satz 2 ArbGG muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage, sondern auch deren Entscheidungserheblichkeit dargelegt werden. Diesem Erfordernis trägt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend Rechnung.

Mit seiner Grundsatzrüge gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 , § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG will der Antragsteller geklärt wissen, ob die Abänderung eines bestehenden elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems durch die Reduzierung der vorgegebenen Gründe für die Versäumung von Arbeitszeit und die Verpflichtung zur manuellen Eingabe von Fehlzeiten samt Begründung eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG darstellen. Zwar hat der Antragsteller auf Seite 11 seiner Beschwerdebegründung zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage vorgetragen. Weder mit diesen noch mit seinen sonstigen Ausführungen in der Beschwerdebegründung geht der Antragsteller aber auf den rechtlich bedeutsamen Umstand ein, dass ihm das Oberverwaltungsgericht im stattgebenen Teil seiner Entscheidung in Bezug auf die fragliche Maßnahme, die Anwendung des elektronischen Zeitwirtschaftssystems IT-ZEIT-Web ab 1. Januar 2012, das Mitbestimmungsrecht bei technischer Überwachung nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG zugesprochen hat. Das dem Antragsteller damit rechtskräftig zustehende Mitbestimmungsrecht erstreckt sich nach Tenor und Begründung des angefochtenen Beschlusses auf das seit 1. Januar 2012 beim Jobcenter Halle geltende System der elektronischen Arbeitszeiterfassung einschließlich der damit verbundenen Verhaltenspflichten der Beschäftigten.

Freilich hat der Personalrat im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ein anzuerkennendes Interesse an gerichtlicher Klärung, ob ihm das Mitbestimmungsrecht nach einem oder mehreren bestimmt bezeichneten Mitbestimmungstatbeständen zusteht. Denn davon hängt ab, aus welchen Gründen er die Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme verweigern kann (vgl. Beschluss vom 29. September 2004 - BVerwG 6 P 4.04 - Bucholz 251.5 § 69 HePersVG Nr. 1 S. 1 f. m.w.N.). Davon ist jedoch die materiellrechtliche Frage zu trennen, ob ein generalklauselartig weitgefasster Mitbestimmungstatbestand durch einen anderen, spezielleren verdrängt wird.

Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG sind darin zu sehen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß eingeschränkt werden sollen. Denn ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungszwang setzt und in eine erhöhte Abhängigkeit bringt (vgl. Beschlüsse vom 29. September 2004 a.a.O. S. 4 und vom 14. Juni 2011 - BVerwG 6 P 10.10 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 17 Rn. 18). Angesichts dessen spricht viel dafür, dass durch die Mitbestimmung bei technischer Überwachung die dadurch berührten Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten umfassend und abschließend geschützt werden, ohne dass es noch eines Rückgriffs auf die Mitbestimmung bei Regelungen der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG bedarf. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Parallelnormen in § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG wird ein derartiger Schluss gezogen (vgl. BAG, Beschluss vom 28. November 1989 - 1 ABR 97/88 - BAGE 63, 283 <290>). Auf die bei § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG im Mittelpunkt stehende Abgrenzung von mitbestimmungsfreiem Arbeits- und mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten kommt es im Rahmen von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG nicht an, weil sich der Schutzzweck dieses Mitbestimmungstatbestandes auf beide Bereiche erstreckt (vgl. BAG, Beschluss vom 26. März 1991 - 1 ABR 26/90 - AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung Bl. 314).

Das Oberverwaltungsgericht ist - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - auf das systematische und teleologische Verhältnis der beiden Mitbestimmungstatbestände zueinander nicht eingegangen, weil es - im Einklang mit dem Senatsbeschluss vom 13. August 1992 - BVerwG 6 P 20.91 -(Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 80 S. 88 f.) - die elektronische Arbeitszeiterfassung dem nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG nicht mitbestimmungspflichtigen Arbeitsverhalten zugeordnet hat. Dessen ungeachtet lag es nahe, auf jene Frage in der Beschwerdebegründung einzugehen. Solches war schon wegen der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu Zweck und Reichweite der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG und ihrer Bejahung im vorliegenden Fall geboten (Beschlussabdruck S. 7 f.). Dafür sprachen ferner die Ausführungen in der Beschwerdebegründung des Antragstellers selbst. Diese stellen namentlich auf den Schutz für die Persönlichkeit der Beschäftigten sowie auf den Rückschluss auf die Leistung bzw. das Verhalten der Beschäftigten ab, also gerade auf solche Aspekte, die im Vordergrund der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG stehen. Angesichts dessen hätte sich dem Antragsteller aufdrängen müssen, in der Beschwerdebegründung dazu Stellung zu nehmen, dass und inwieweit die ihm zugesprochene Mitbestimmung bei technischer Überwachung noch nicht ausreicht, um den kollektiven Schutz der Beschäftigten gegenüber der Veränderung der elektronischen Arbeitszeiterfassung hinreichend zu gewährleisten. Soweit in der Beschwerdebegründung Gesichtspunkte wie Mehrbelastung, erhöhter Arbeitsaufwand und Arbeitsverdichtung angesprochen und diese nicht ohnehin durch den umfassenden Persönlichkeitsschutz nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG mitumfasst werden, ist an die Mitbestimmung bei Hebung der Arbeitsleistung nach dem speziellen Tatbestand in § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG zu denken; diese hat der Antragsteller jedoch in sein Begehren nicht einbezogen.

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 12.06.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 L 4/12