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BVerfG - Entscheidung vom 27.06.2013

1 BvR 1501/13

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1
GWHL § 2 Abs. 1 S. 1
GWHL § 17 Abs. 2 S. 2
GWHL § 21 Abs. 1
GWHL § 21 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
NVwZ 2013, 5
NVwZ 2013, 6

BVerfG, Beschluss vom 27.06.2013 - Aktenzeichen 1 BvR 1501/13

DRsp Nr. 2013/16698

Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz und Überführung der Mitglieder, Planstellen, Stellen und Mittel

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ; GG Art. 5 Abs. 3 S. 1; GWHL § 2 Abs. 1 S. 1; GWHL § 17 Abs. 2 S. 2; GWHL § 21 Abs. 1; GWHL § 21 Abs. 2 S. 1;

Die Antragstellerinnen, zwei von vier Fakultäten der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU Cottbus), begehren mit ihren Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Art. 1, §§ 1, 5, 7, 8, 9, 12, 17, 18, 20 und 21 und Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz erst in Kraft treten zu lassen, wenn das Bundesverfassungsgericht über ihre zugleich eingelegte Verfassungsbeschwerde entschieden hat.

I.

Am 11. Februar 2013 beschloss der Brandenburgische Landtag das Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz (GVBl I Nr. 4), das unter anderem in Art. 1 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz (GWHL) und in Art. 2 Änderungen des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) vorsieht.

1. § 1 GWHL errichtet mit Wirkung zum 1. Juli 2013 die neue Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU Cottbus-Senftenberg). Die Fakultäten, Einrichtungen und Studiengänge der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz (FH Lausitz) werden mit ihrer Errichtung solche dieser neuen Universität; die bisherigen Verwaltungen bilden deren Hochschulverwaltung. Die BTU Cottbus-Senftenberg wird zum 1. Juli 2013 gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 GWHL Rechtsnachfolgerin von BTU Cottbus und FH Lausitz und nach Art. 2 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz anstelle der BTU Cottbus in die Liste der staatlichen Hochschulen des Landes Brandenburg aufgenommen.

Alle Mitglieder der alten Hochschulen werden gemäß § 5 GWHL, alle Planstellen, Stellen und Mittel gemäß § 7 GWHL in die neue Universität überführt. Desgleichen werden - jenseits der Universitätsleitung und des Senats, die nach § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 1 GWHL zum 1. Juli 2013 aufgelöst werden - Gremien und Untereinheiten der bisherigen Hochschulen nach § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 GWHL in die neue Universität übernommen. Wichtige Entscheidungen trifft der Gründungssenat, in dem mehrheitlich Hochschullehrende vertreten sind, die je zur Hälfte aus der BTU Cottbus und der FH Lausitz kommen. Nach § 17 Abs. 2 GWHL bleiben Entscheidungen in der neuen Hochschule auch bei einer rechtskräftig festgestellten fehlerhaften Wahl oder Besetzung der Handelnden rechtswirksam.

Für die Übergangsphase bestellt das zuständige Mitglied der Landesregierung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 GWHL eine oder einen Beauftragten zur Leitung der neuen Universität, bis ein Gründungspräsident bzw. -präsidentin gewählt ist. Dazu wird gemäß § 9 GWHL eine Findungskommission eingesetzt: ihr gehört je eine von den dort zuständigen Organen gewählte Vertretung für die Mitgliedergruppen der BTU Cottbus und der FH Lausitz sowie eine Vertretung des Ministeriums an, die die Findungskommission auch leitet. Die Findungskommission schlägt jedenfalls mit den Stimmen der Hochschullehrenden und des Ministeriums bis zu drei Personen vor, die nicht aus der BTU Cottbus oder FH Lausitz kommen sollen (§ 9 Abs. 4 Satz 2 GWHL). Der Präsident bzw. die Präsidentin werden dann nach § 9 Abs. 1 GWHL im Einvernehmen mit dem erweiterten Gründungssenat bestellt. Dieser besteht nach § 12 Abs. 3 GWHL aus 31 Personen, mit einer Mehrheit der Hochschullehrenden von 16 Personen, die je zur Hälfte in der vormaligen Universität beziehungsweise der vormaligen Fachhochschule gewählt werden.

§ 20 GWHL enthält Bestimmungen zur Ersatzvornahme.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen unmittelbar gegen Art. 1, §§ 1, 5, 7, 8, 9, 12, 17, 18, 20 und 21 sowie Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz und rügen eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und von Art. 19 Abs. 4 GG . Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, sie seien ebenso wie ihre Hochschule im Entscheidungsprozess zur Fusion von BTU Cottbus und FH Lausitz unzureichend beteiligt gewesen. Der Gesetzgeber habe ihre Wissenschaftsfreiheit verletzt, weil seine Entscheidung auf Fehlinformationen durch das Ministerium beruhe und unverhältnismäßig sei. Die Forschung und Lehre der beschwerdeführenden Fakultäten seien strukturell gefährdet, denn Kooperationen und Förderung, Profil und Studienangebot beruhten darauf, dass sie Fakultäten der BTU Cottbus seien. Die Entscheidungsstrukturen der neuen Universität verletzten zudem das Gebot der Homogenität in der Gruppe der Hochschullehrenden.

3. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei wegen der schwerwiegenden und irreparablen Nachteile für den Fall des Gesetzesvollzugs begründet. Personal werde abwandern oder nicht zu gewinnen sein. Es würden Forschungskooperationen zu Stellen im In- und Ausland zerstört oder irreparabel beeinträchtigt, denn sie erfolgten profilbezogen auf Universitätsniveau, welches die FH Lausitz nur zu einem geringen Teil erreiche. Eine Stiftung stelle bereits ihr Engagement in Frage und habe die Freigabe von Mitteln aufgehalten, weil Planungssicherheit für sie von zentraler Bedeutung sei. Die neue Gesamthochschule habe künftig nicht die gleiche Chance wie die BTU Cottbus, Drittmittel für Grundlagenforschung einzuwerben; auch persönliche Netzwerke ließen sich nicht "auf Knopfdruck" reaktivieren. Der laufende Antrag auf Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) werde irreparabel scheitern. Zudem könnten von der neuen Hochschule ohne hinreichende Beteiligung der Beschwerdeführerinnen getroffene Entscheidungen nicht rückgängig gemacht werden. Dem oder der Gründungsbeauftragten fehle sogar jede Legitimation, denn eine Beteiligung der Hochschullehrenden an der Bestellung sei weder gewünscht noch gewährleistet. Es sei zu befürchten, dass unterwertige Paketberufungen erfolgten und dass in den Lehrbereichen der Beschwerdeführerinnen Studiengänge auf Universitätsniveau für lange Zeit unumkehrbar eingestellt würden, was auch zu Mindereinnahmen führe und Personalstellen verwaisen lasse. Ein schwerer und irreparabler Nachteil liege auch darin, dass Studienabschlüsse im Namen der neuen Universität erlangt würden. Die Studierendenzahlen gingen zurück, was nur sehr langfristig wieder umzusteuern sei.

4. Gegen das Gesetz haben die BTU Cottbus sowie deren Studierendenschaft - verbunden mit Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - jeweils Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgericht des Landes Brandenburg erhoben. 19 Abgeordnete des Landtags Brandenburg haben dort einen Normenkontrollantrag gestellt. Daneben sind weitere Verfassungsbeschwerden einzelner Hochschulangehöriger beim Landesverfassungsgericht und beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

II.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

a) Die Beschwerdeführerinnen sind als Fakultäten unbeschadet der Frage, in welcher Hinsicht sie eine Verletzung eigener Rechte geltend machen können, Trägerinnen des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG . Insoweit sind sie im Verfahren der Verfassungsbeschwerde und damit auch für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beschwerdefähig (vgl. BVerfGE 15, 256 <261 f.>; 68, 193 <207>; 75, 192 <196>; 93, 85 <93>; 111, 333 <352>; s.a. BVerfGK 5, 135 <139 ff.>).

b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von den Beschwerdeführerinnen wirksam eingelegt. Die gerichtliche Geltendmachung der Wissenschaftsfreiheit gehört zwar weder nach §§ 69 ff. BbgHG noch nach §§ 22 ff. der Grundordnung zu den Aufgaben der Fakultäten. Insofern den Fakultäten als organisatorische Grundeinheiten der Hochschulen für Lehre und Forschung (§ 69 Abs. 1 Satz 1 BbgHG) eigene Grundrechtspositionen zustehen, ist deren Geltendmachung von der Aufgabenzuweisung aber mit umfasst (vgl. BVerfGE 15, 256 <261 f.>; 93, 85 <93>; 111, 333 <352>). Die Vollmacht zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde und Stellung des Eilantrags sind durch Dekanin bzw. Dekan gezeichnet und wird jeweils durch einen vorgelegten Fakultätsratsbeschluss getragen. Dies war auch erforderlich, insofern die Leitung der Fakultät nach § 70 Abs. 1 Satz 1 BbgHG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 der Grundordnung nicht alle Entscheidungen umfasst, die für eine Fakultät zu treffen sind.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ist wegen der weittragenden Folgen einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab (vgl. BVerfGE 55, 1 <3>; stRspr), bei einer Aussetzung eines Gesetzes ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 131, 47 <61> m.w.N. und BVerfGE 29, 318 <323>). Dabei müssen die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 131, 47 <55>; stRspr).

Die Verfassungsbeschwerde ist zwar nicht offensichtlich unzulässig (a) oder offensichtlich unbegründet (b). Doch ergibt die damit erforderliche Gesamtabwägung (c) der Folgen der begehrten Entscheidung, dass die aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerinnen und den von ihnen beigefügten Unterlagen absehbaren Folgen des Inkrafttretens der angegriffenen Bestimmungen des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz in Ausmaß und Schwere nicht von einem derartigen Gewicht sind, dass eine Aussetzung des Vollzugs des Gesetzes zu rechtfertigen wäre.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig.

aa) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerinnen gegen ein Gesetz vorgehen, denn sie sind von diesem unmittelbar betroffen (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 109, 279 <306>; stRspr). Auch ist die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG für Fakultäten anerkannt (vgl. grundsätzlich BVerfGE 15, 256 <261 f.>; 93, 85 <93>; 111, 333 <352>). Entsprechende Rügen sind allerdings insofern begrenzt, als sie sich nur auf die Wissenschaftsfreiheit der Fakultät beziehen können.

bb) Die Verfassungsbeschwerde richtet sich auch nicht gegen den Fortbestand einer wissenschaftlichen Einrichtung, den Art. 5 Abs. 3 GG als solches nicht schützt (vgl. BVerfGE 85, 360 <384 f.>). § 21 Abs. 1 GWHL lässt die BTU Cottbus und die FH Lausitz in der neuen Universität "aufgehen", beendet die Existenz der BTU Cottbus also nur in ihrer bisherigen Form und überführt sie mit der FH Lausitz in eine neue (Gesamt-)Universität. Alle Einheiten der BTU Cottbus werden nach § 1 Abs. 2, § 17 Abs. 1 GWHL als Einheiten der neuen Hochschule weitergeführt.

b) Die Verfassungsbeschwerde ist bei der hier gebotenen summarischen Prüfung zumindest nicht offensichtlich gänzlich unbegründet. Sie wirft die bislang ungeklärte Frage auf, ob und gegebenenfalls wieweit sich Fakultäten unter Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit gegen eine Umgestaltung der Hochschule zur Wehr setzen können und ob ihnen in einem diesbezüglichen Gesetzgebungsverfahren bestimmte Beteiligungsrechte zustehen. Zugleich können sich damit Fragen danach stellen, inwieweit Fakultäten aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Anforderungen an eine wissenschaftsadäquate Organisation geltend machen können. Die hiermit verbundenen schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfragen können in dem summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht beantwortet werden.

c) Die danach für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht erforderliche Gesamtabwägung der Folgen einer solchen Entscheidung ergibt, dass überwiegende Gründe gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen. Die aufgrund des Vortrags der Beschwerdeführerinnen und den von ihnen beigefügten Unterlagen absehbaren Folgen des Inkrafttretens der angegriffenen Bestimmungen des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz sind in Ausmaß und Schwere nicht von einem derartigen Gewicht, dass eine Aussetzung des Vollzugs des Gesetzes zu rechtfertigen wäre.

aa) Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, ist bei der Folgenabwägung ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, das Inkrafttreten eines Gesetzes zu verzögern, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, da dies stets einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers darstellt. Die Nachteile, die mit dem Inkrafttreten nach späterer Feststellung der Verfassungswidrigkeit verbunden wären, müssen in Ausmaß und Schwere die Nachteile deutlich überwiegen, die im Fall der vorläufigen Verhinderung eines sich als verfassungsmäßig erweisenden Gesetzes einträten. Bei dieser Folgenabwägung sind die Auswirkungen auf alle vom Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur Folgen, die sich für die Beschwerdeführerinnen ergeben (vgl. BVerfGE 131, 47 <61>; stRspr).

bb) Gemessen an diesen Anforderungen rechtfertigt das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht. Es sind keine Nachteile ersichtlich, die in Ausmaß und Schwere den Nachteil deutlich überwiegen, der darin liegt, die vom Gesetzgeber gewünschte Reform nicht umzusetzen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass im Fall der vorläufig weiteren Wirksamkeit des Gesetzes zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz endgültige und nicht wiedergutzumachende Schäden von besonderem Gewicht oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wieder ausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen würden (vgl. BVerfGE 91, 70 <76 f.>).

(1) Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, Forschungskooperationen würden irreparabel zerstört, ist nicht erkennbar, weshalb eine Fortsetzung der bereits laufenden Forschung bei Inkrafttreten des angegriffenen Gesetzes nicht mehr möglich sein soll. Soweit die Bereithaltung bestimmter universitärer Ressourcen in Kooperationsvereinbarungen ausdrücklich zugesichert wurde, ist die BTU Cottbus-Senftenberg als Rechtsnachfolgerin der BTU Cottbus nach der Regelung des § 21 Abs. 2 GWHL daran gebunden. Im Hinblick auf die nicht näher spezifizierten Netzwerke der Hochschullehrenden erschließt sich nicht, weshalb gerade persönliche Forschungskontakte nicht auch in einem veränderten Rahmen genutzt werden können. Zwar ist es nicht undenkbar, dass eine Universität, die mit einer Fachhochschule fusioniert wird, in der Forschungskooperation Reputation einbüßt, doch ist es keineswegs zwingend, dass Kooperationen daran scheitern. Schließlich tritt ein durch ein Schreiben einer Stiftung illustrierter eventueller Verlust von Drittmitteln bereits aufgrund der Unsicherheit ein, in der die BTU Cottbus derzeit agiert und auch bei Erlass einer einstweiligen Anordnung weiter agieren würde. Die Planungssicherheit, die für die Stiftung "von zentraler Bedeutung" ist, bietet auch eine einstweilige Anordnung nicht.

(2) Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen, die Unterstützung von Promotionsvorhaben sei bei Inkrafttreten des Gesetzes gefährdet, ist ein besonders schwerer Nachteil nicht auszumachen. Die Fakultäten verlieren das Promotionsrecht nicht, denn die neue BTU Cottbus-Senftenberg wird gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 BbgHG in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz als Universität das Promotionsrecht haben. Die bisherigen Promotionsstudierenden der BTU Cottbus sind mit Inkrafttreten des Gesetzes an der BTU Cottbus-Senftenberg eingeschrieben. Dass ein Kooperationspartner tatsächlich die Promotionsförderung von einer unveränderten Struktur der BTU Cottbus abhängig gemacht hat und damit eine Unterstützung jeglicher Promotionsvorhaben ausgeschlossen wäre, ist jedenfalls nicht hinreichend erkennbar.

(3) Auch die Wirkungen, die das Inkrafttreten des angegriffenen Gesetzes auf einen von der BTU Cottbus gestellten Antrag auf Aufnahme in die DFG haben kann, sind nicht in einem solchen Ausmaß und einer solchen Schwere ersichtlich, dass sie die Aussetzung des Inkrafttretens eines Gesetzes rechtfertigen könnten. Zwar wäre es für die neue Hochschule ersichtlich ein Nachteil, von Mitwirkungsmöglichkeiten in dieser Forschungsorganisation ausgeschlossen zu sein. Doch ist nicht erkennbar, wie erfolgversprechend der laufende Antrag ist, der sich nach Angaben der Beschwerdeführerinnen in der Phase der Vorprüfung befindet. Zudem zielt der Antrag lediglich auf Mitgliedschaft in der DFG, ist aber keine Voraussetzung für die Gewährung von Forschungsfördermitteln.

(4) Soweit die Beschwerdeführerinnen weiter vortragen, von der neuen BTU Cottbus-Senftenberg getroffene Entscheidungen seien nach Inkrafttreten des Gesetzes unumkehrbar, sind daraus erwachsende Folgen nicht von einem derartig nachteiligen Ausmaß und Gewicht, dass sie ein Aussetzen des Gesetzes rechtfertigen könnten. Die Immatrikulation von Studierenden durch die neu gegründete Universität sowie deren Anspruch auf Durchführung und Beendigung eines begonnenen Studiums gemäß den (neuen) Studien- und Prüfungsordnungen ist nicht unumkehrbar. Zwar ist es für die Wahrnehmung der Wissenschaftsfreiheit in Bezug auf die Lehre nicht folgenlos, nach welchen Kriterien immatrikuliert und auf welchem fachlichen Niveau studiert wird. Es sind jedoch keine unumkehrbaren und unzumutbaren Beeinträchtigungen erkennbar, die durch die Fusion verursacht würden. Die Maßstäbe zur Anerkennung von Leistungen (vgl. § 22 BbgHG) verschiebt das angegriffene Gesetz nicht. Gegen neue Satzungen steht zudem die Normenkontrolle - inklusive Eilrechtsschutz - zum Oberverwaltungsgericht offen (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BbgVwGG).

(5) Ein besonders schwerwiegender Nachteil, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht rechtfertigen könnte, liegt auch nicht in einer eventuellen Einstellung von Studiengängen, insofern die BTU Cottbus-Senftenberg bei der Einrichtung der organisatorischen Grundeinheiten für Lehre und Forschung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GWHL die Empfehlungen der Lausitz-Kommission berücksichtigen "soll". Es ist schon zweifelhaft, ob eine Sollvorschrift überhaupt als Nachteil bewertet werden kann. Zudem gelten die Empfehlungen auch ohne die Reorganisation. Derartige Entscheidungen lassen sich weder hinreichend sicher vorhersehen noch sind sie unumkehrbar. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GWHL sind die bisherigen Studiengänge der BTU Cottbus solche der neuen BTU Cottbus-Senftenberg. § 14 GWHL sieht für deren Neuordnung eine Frist bis zum 31. Dezember 2014 vor, doch ist mit einem länger andauernden Aufbau- und Entwicklungsprozess zu rechnen (vgl. die Gesetzesbegründung, LTDrucks 5/56180, S. 44). Schließlich steht gegen die Aufhebung von Studiengängen wiederum verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung (vgl. BVerfGK 5, 135 <139 ff.>).

(6) Ein schwerwiegender Nachteil für die Fakultäten liegt nicht darin, dass Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulstudiengängen einen Mastergrad im Namen der neuen Universität erlangten. Dies ist für die Studierenden zunächst ein Vorteil. Ob Absolventinnen und Absolventen von Universitätsstudiengängen allenfalls indirekt benachteiligt werden, weil sie mit anderen konkurrieren, die einen weniger wissenschaftlich ausgerichteten Fachhochschulstudiengang durchlaufen haben, ist zweifelhaft. Das Diploma Supplement, das dem Zeugnis zwingend beizufügen ist, weist auch gegenüber Dritten weiterhin Unterschiede aus.

(7) Der von den Beschwerdeführerinnen angeführte Rückgang der Studierendenzahlen ist ebenfalls kein gravierender Nachteil, den eine einstweilige Anordnung verhindern könnte. Dieser Rückgang hat bereits eingesetzt und lässt sich durch eine Eilentscheidung nicht beenden, denn Planungssicherheit für Studienanfängerinnen und -anfänger lässt sich nur durch eine Entscheidung in der Hauptsache herstellen.

(8) Schließlich ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass sich Fakultäten in ihrem wissenschaftsrelevanten Profil und Handeln unumkehrbar verändern, wenn in erheblichem Maße "Paketberufungen" durchgeführt werden. Doch ist ein darin liegender schwerer und irreparabler Nachteil zu Lasten der Beschwerdeführerinnen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht ersichtlich. So ist nicht erkennbar, in welchem Umfang derartige Berufungen überhaupt anstehen, da Professuren bislang besetzt sind - die bisherigen Professorinnen und Professoren der BTU Cottbus werden gemäß § 5 Abs. 1 GWHL, die Planstellen gemäß § 7 GWHL auf die neue BTU Cottbus-Senftenberg übergeleitet - oder aber eher gekürzt als ausgebaut werden. Zudem nehmen Berufungsverfahren geraume Zeit in Anspruch. Nach § 15 Abs. 3 GWHL treffen die Grundordnungen der BTU Cottbus-Senftenberg schließlich Regelungen, wie zumindest eine nach § 59 Abs. 1 Satz 6 BbgHG erforderliche Mehrheit der Professorinnen und Professoren und bestimmter Juniorprofessorinnen und -professoren in Berufungsangelegenheiten in den Organen und Gremien der neuen Universität sichergestellt wird.

(9) Auch eine einstweilige Anordnung könnte die von den Beschwerdeführerinnen befürchtete Abwanderung von Personal nicht verhindern. Die vorgelegten Schreiben zur Annahme eines Rufes an eine andere Universität und zur Ablehnung eines Rufes lassen nicht den Schluss auf eine signifikante und unumkehrbare Personalabwanderung gerade durch das Inkrafttreten des Gesetzes zu.

(10) Ein gravierender Nachteil liegt für die Beschwerdeführerinnen jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht darin, dass sie eventuell nicht hinreichend an der Selbstverwaltung der BTU Cottbus-Senftenberg mitwirken können, obwohl § 17 Abs. 2 Satz 2 GWHL die Rechtswirksamkeit von Entscheidungen bei einer fehlerhaften Wahl oder Besetzung von Organen oder Gremien normiert. Es ist nicht ersichtlich, dass auf diese Weise bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache schwerwiegende Fakten geschaffen würden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Eventuell nachteilige Folgen können, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, durch finanziellen Aufwand wettgemacht werden, den das Land Brandenburg und nicht die Beschwerdeführerinnen zu tragen hätten (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 11. Dezember 1990 - 1 BvR 1245/90 -, [...] Rn. 8).

(11) Soweit der vom Ministerium des Landes eingesetzte Gründungsbeauftragte die Hochschule leitet, ist nicht ersichtlich, dass unumkehrbare Fakten von entsprechendem Gewicht geschaffen würden. Ohnehin soll die Dauer dieser Interims-Leitung "so kurz wie möglich bemessen sein" (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, LTDrucks 5/6180, S. 38); die Wahl des erweiterten Gründungssenats soll nach § 12 Abs. 1 Satz 2 GWHL spätestens bis zum 31. Oktober 2013 erfolgen. Der Beauftragte verfügt jenseits des Erlasses der Wahlordnung für die Gründungssenate nach § 12 Abs. 4 GWHL über keine Befugnisse, wissenschaftsrelevante Entscheidungen zu treffen, bei denen von Verfassungs wegen eine hinreichende Mitwirkung der Hochschullehrenden gesichert sein müsste. Aus einem umfassenden Informationsrecht des Gründungssenats gegenüber dem Gründungsbeauftragten nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GWHL ergeben sich keine Befugnisse. Im Gesetz zur Weiterentwicklung der Hochschulregion Lausitz sind wissenschaftsrelevante Entscheidungsbefugnisse für den Beauftragten - anders als für den Gründungspräsidenten in der Gründungsphase in § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 3 Abs. 6 Satz 2, § 6 Abs. 2 oder § 17 Abs.1 GWHL - nicht normiert. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Brandenburgischen Hochschulgesetz, da dieses keinen Gründungsbeauftragten kennt. Der brandenburgische Gesetzgeber hat es selbst zumindest vorsorglich für erforderlich gehalten, neben der allgemeinen Verweisung in § 1 Abs. 4 GWHL auf die Vorschriften des Brandenburgischen Hochschulgesetzes mit § 9 Abs. 5 GWHL eine eigene Verweisungsvorschrift zur entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschriften über den Präsidenten auch auf den Gründungspräsidenten oder die Gründungspräsidentin - aber auch nur auf diese - zu schaffen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, LTDrucks 5/6180, S. 39). Folglich kommt eine darüber hinausgehende Gleichsetzung des Beauftragten mit dem Präsidenten nicht in Betracht. Dies ist auch sachgerecht. Die Leitung der Hochschule nach § 8 Abs. 2 Satz 2 GWHL durch den Beauftragten des Ministeriums kann mangels hinreichender Mitwirkung der Hochschullehrenden von Verfassungs wegen nicht das Recht enthalten, wissenschaftsrelevante Entscheidungen zu treffen.

cc) Erließe das Bundesverfassungsgericht die begehrte einstweilige Anordnung, würde sich demgegenüber die Umsetzung der vom Landesgesetzgeber für dringend erforderlich gehaltenen Strukturentscheidungen verzögern. Kann ein Überwiegen der Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, nicht festgestellt werden, fordert das gemeine Wohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht (vgl. BVerfGE 91, 70 <81> m.w.N.).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Fundstellen
NVwZ 2013, 5
NVwZ 2013, 6