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BGH - Entscheidung vom 25.09.2013

2 StR 56/13

Normen:
StGB § 145d
StGB § 164
StGB § 21
StPO § 265

BGH, Urteil vom 25.09.2013 - Aktenzeichen 2 StR 56/13

DRsp Nr. 2013/23999

Strafbemessung bzgl. der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gem. § 21 StGB durch Alkoholkonsum und Abhängigkeit

Die Voraussetzungen des § 21 StGB sind bei einem Atemalkoholwert von 2,4 Promille und einem deutlich eingeschränkten Leistungsverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 1. Oktober 2012

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe der falschen Verdächtigung schuldig ist;

b)

im Strafausspruch im Fall II.3 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 145d; StGB § 164 ; StGB § 21 ; StPO § 265 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung, Missbrauch von Notrufen in Tateinheit mit Vortäuschung einer Straftat und Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer ist der Angeklagte seit Jahren alkoholabhängig. Alkoholentzug führt bei dem Angeklagten zu Krampfanfällen, gegen die er Tabletten einnehmen muss. Eine im Jahr 1995 bis 1996 durchgeführte neunmonatige Alkoholentziehungstherapie hielt er nicht durch; außerdem hat er ca. sechs bis sieben Entgiftungsbehandlungen für jeweils zwei Wochen durchgeführt. Der Angeklagte ist erheblich vorbestraft, darunter sind auch Verurteilungen wegen Vollrauschs.

In der Zeit zwischen dem 10. Juli 2011 und dem 5. Januar 2012 kam es zu folgenden Straftaten:

1. Am 10. Juli 2011 schlug der stark angetrunkene Angeklagte gegen 1.00 Uhr im Garten seines Bruders dem Geschädigten St. mit einem aus Holz und Eisen bestehenden Gartenstuhl mit einem Gewicht von 8 kg auf den Kopf. Durch den Schlag erlitt der Geschädigte ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine ca. 5 cm große Platzwunde am Hinterkopf sowie eine 5 cm große Wunde am linken Oberschenkel. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund seines Alkoholproblems und seiner affektiven Erregung - er reagiert unter Alkoholeinfluss extrem eifersüchtig und hat Angst, dass ihn seine Lebensgefährtin verlassen könnte - in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen erheblich vermindert gewesen sei.

2. Am 16. September 2011 buchte der Angeklagte im Hotel " " in E. unter Vorspiegelung von Zahlungsfähigkeit und -willigkeit ein Hotelzimmer für zwei Übernachtungen. Nachdem er im Gesamtwert von 21,60 Euro gegessen und getrunken hatte, ohne zu bezahlen, ging er in das Hotelzimmer, in dem ihn die Polizei später vorfand. Er war erheblich alkoholisiert, allerdings nicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt.

3. Am 5. Januar 2012 wählte der Angeklagte unter starker alkoholischer Beeinflussung gegen 23.15 Uhr den Notruf 110 der Polizei in E. und teilte wahrheitswidrig dem diensthabenden Beamten mit, er sei soeben von seiner Lebensgefährtin in deren Wohnung geschlagen worden. Sein Ziel war es, mithilfe der Polizei in die besagte Wohnung zu gelangen, in der er seine Wohnungsschlüssel und sein Geld vergessen hatte. Dies gelang nicht. Die Polizeibeamten erteilten ihm einen Platzverweis, nachdem der Angeklagte nach deren Eintreffen immer lauter wurde und ein vernünftiges Gespräch nicht zustande kam. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 2,4 Promille. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sah die Strafkammer dadurch nicht erheblich vermindert.

II.

Die Revision des Angeklagten führt nach Änderung des Schuldspruchs zur Aufhebung im Strafausspruch im Fall II.3 sowie im Gesamtstrafenausspruch; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

1. Der Schuldspruch, der im Übrigen nicht zu beanstanden ist, war im Fall II.3 der Urteilsgründe zu berichtigen. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der geständige Angeklagte wegen falscher Verdächtigung nach § 164 StGB , der § 145 d StGB verdrängt, strafbar gemacht. § 265 StPO steht nicht entgegen.

2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall II.3 sowie des Gesamtstrafenausspruchs; ansonsten werden Rechtsfehler nicht aufgedeckt.

Bei der Strafbemessung im Fall II.3 ist das Landgericht wie im Fall II.2 sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht gegeben seien. Dies stützt es auf die Überlegung, der Angeklagte habe nicht - wie im Fall II.1 - spontan und aus einer inneren Erregung heraus gehandelt, sei trinkgewohnt und habe zudem einen längeren Zeitraum für Überlegungen zur Verfügung gehabt. Damit allerdings wird der festgestellte Sachverhalt nicht ausgeschöpft. Ein Atemalkoholtest hat bei dem Angeklagten zu einem Wert von 2,4 Promille geführt. Er wurde bei dem Gespräch mit den herbeigerufenen Polizeibeamten immer lauter, ein vernünftiges Gespräch mit ihm kam nicht zustande. Diese Hinweise auf ein deutlich eingeschränktes Leistungsverhalten bei dem Angeklagten hätte die Kammer im Rahmen ihrer anzustellenden Gesamtwürdigung neben den von ihnen angeführten Gesichtspunkten ebenso berücksichtigen müssen wie den Umstand, dass der Plan des Angeklagten, mithilfe der Polizei in die Wohnung seiner Lebensgefährtin zu gelangen, schon angesichts der dieser mitgeteilten Vorgeschichte von vornherein zum Scheitern verurteilt war und insoweit womöglich auf einer alkoholbedingten Fehleinschätzung der Situation beruhen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2013 - 5 StR 352/13). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer alle Umstände umfassenden Gesamtwürdigung zu einer Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gelangt wäre, diese jedenfalls nicht ausgeschlossen hätte und infolgedessen zu einer geringeren Strafe, womöglich sogar lediglich zu einer Geldstrafe, gelangt wäre.

Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs im Fall II.3 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Meiningen, vom 01.10.2012