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BGH - Entscheidung vom 07.02.2013

VII ZR 3/12

Normen:
HOAI a.F. § 15 Abs. 2

Fundstellen:
BauR 2013, 982
NZBau 2013, 7

BGH, Beschluss vom 07.02.2013 - Aktenzeichen VII ZR 3/12

DRsp Nr. 2013/5353

Schadensersatzanspruch gegen einen Architekten wegen Verletzung seiner Vertragspflichten bei unzutreffender Beratung des Auftraggebers über die voraussichtlichen Baukosten

Der Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen übergeht.

Tenor

Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. November 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis zu 110.000 €

Normenkette:

HOAI a.F. § 15 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von den Beklagten weiteres Architektenhonorar, der Beklagte zu 1 begehrt widerklagend Rückzahlung bereits entrichteten Honorars.

Die Beklagten waren Eigentümer eines Hausgrundstücks in B. Sie wollten das Gebäude sanieren und die dort befindlichen Wohnungen ausbauen lassen. Der Kläger schätzte die Baukosten Anfang 2003 auf 775.000 €, im Sommer 2003 auf 667.000 €. Am 22./27. Oktober 2003 schlossen die Parteien einen schriftlichen Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F. Der Architektenvertrag bestimmt u.a.:

"Im Rahmen seiner vertraglichen Aufgaben hat der Architekt gegenüber dem Bauherrn eine umfassende Beratungspflicht. Wenn erkennbar wird, dass die ermittelten Baukosten oder der vom Bauherrn angegebene wirtschaftliche Rahmen überschritten werden, ist der Architekt verpflichtet, den Bauherrn unverzüglich zu informieren."

Der Kläger reichte im Dezember 2003 den (ersten) Bauantrag ein. Dieser hatte außer der Gebäudesanierung die Zusammenlegung von Wohnungen, teilweise zu Maisonettewohnungen, zum Gegenstand. Die Baugenehmigung wurde später erteilt.

Im Frühjahr 2004 wurde festgestellt, dass der Dachstuhl mit Holzschutzmitteln kontaminiert war. Ebenfalls im Frühjahr 2004 beantragte der Kläger für die Beklagten ein Finanzierungsdarlehen über 1.230.000 €, welches im Sommer 2004 bewilligt wurde.

Die Beklagten entschlossen sich - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Frühjahr 2004 -, einen neuen Dachstuhl nebst Fahrstuhl errichten zu lassen. Im Februar 2005 reichte der Kläger deshalb einen zweiten Bauantrag ein. Die Herstellungskosten gab er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu niedrig an, nämlich mit 771.400 € brutto. Die Baugenehmigung wurde Ende Juni 2005 erteilt. Nachdem die Finanzierungsmittel der Beklagten erschöpft waren, kam es im September 2005 zum Baustillstand. Eine Nachfinanzierung gelang nicht.

Anfang 2009 veräußerten die Beklagten das Grundstück mit dem unfertigen Bauwerk. Der Kläger, der bereits ein Honorar von 102.122,37 € erhalten hatte, kündigte den Architektenvertrag fristlos und verlangte mit seiner Schlussrechnung weitere 107.907,72 €.

Mit der Klage hat der Kläger Zahlung des vorgenannten Resthonorars verlangt. Widerklagend hat der Beklagte zu 1 Rückzahlung des bereits entrichteten Honorars verlangt. Die Klage hatte in erster Instanz überwiegend Erfolg, die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Zahlungsverlangen und seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

II.

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Honoraranspruch des Klägers durch eine (Primär-)Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch erloschen sei. Der Schadensersatzanspruch führe auch zum Erfolg der Widerklage des Beklagten zu 1. Der Kläger habe gegen seine Verpflichtung, das Bauvorhaben der Beklagten auch wirtschaftlich zu betreuen und sie wegen der Kostenentwicklung fortlaufend und umfassend zu informieren, schuldhaft verstoßen.

Der Kläger habe es bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen, konkret zu ermitteln, ob den Beklagten überhaupt finanzielle Mittel für das Bauprojekt zur Verfügung gestanden hätten. Ferner sei die Kostenschätzung, die dem zweiten Bauantrag zugrunde gelegen habe, deutlich zu niedrig gewesen. Eine weitere Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass die Beklagten im weiteren Verlauf der Planung keine aktuellen Informationen mehr erhalten hätten. Den Beklagten sei dadurch ein Schaden entstanden, weil sie in Unkenntnis der zu erwartenden Gesamtbaukosten dem Dachausbau nebst Fahrstuhleinbau zugestimmt hätten.

2. Der Beschwerde ist stattzugeben. Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen Verletzung seiner Vertragspflichten in Betracht kommt, wenn er den Auftraggeber unzutreffend über die voraussichtlichen Baukosten berät (BGH, Urteile vom 11. November 2004 - VII ZR 128/03, BauR 2005, 400 = NZBau 2005, 158 ; vom 24. Juni 1999 - VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319 = ZfBR 2000, 28 ; Kniffka in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 2012, § 633 BGB Rn. 99 ff., 107 ff.; Koeble in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 12 Rn. 462). Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung allerdings erhebliches Vorbringen des Klägers im wesentlichen Kern nicht berücksichtigt und damit gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2011 - VII ZR 175/09, BauR 2011, 876 Rn. 11; vom 24. November 2011 - VII ZR 65/11, ZfBR 2012, 228 Rn. 7). Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO .

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe seine Pflicht zur Kostenberatung bereits dadurch verletzt, dass er es im Rahmen der Grundlagenermittlung unterlassen habe, konkret zu ermitteln, ob seine Pläne für die Beklagten finanzierbar seien. Dabei hat das Berufungsgericht den Sachvortrag des Klägers übergangen, wonach die Kostenschätzung im Sommer 2003 die Zusammenlegung und den maisonetteartigen Umbau von Wohnungen noch nicht enthalten habe. Entsprechende Umgestaltungsvorstellungen hätten die Beklagten erst später geäußert. Diesen Sachvortrag hat der Kläger bereits in erster Instanz gehalten.

b) Das Berufungsgericht hat ferner darauf abgestellt, der Architektenvertrag sei bereits im Frühjahr 2004 auf den Dachausbau erweitert worden. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung, das kontaminierte Dach zu entfernen und im erneuerten Dach Wohnraum zu schaffen, so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, sei ein Kredit in Höhe von rund 1.230.000 € beantragt worden. Dabei hat das Berufungsgericht erneut Sachvortrag des Klägers übergangen. Danach seien dem Kreditantrag nur die Kosten für bis dahin geplante Sanierung zugrunde gelegt worden, nicht jedoch für den Dachausbau, weil die Entscheidung darüber, ob dieser erfolge, noch gar nicht gefallen sei. Die Beklagten hätten die Entscheidung für den Dachausbau erst im November 2004 auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens vom 29. Oktober 2004 getroffen. Auch dies hat der Kläger bereits in erster Instanz geltend gemacht.

c) Die Gehörsverstöße sind entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Urteil gekommen wäre, wenn es den Sachvortrag des Klägers zutreffend in seine Erwägungen einbezogen hätte. Hätte das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die Beklagten erst nach der Kostenschätzung vom Sommer 2003 Umgestaltungsvorstellungen geäußert hätten, wäre dem Kläger insoweit möglicherweise keine für den geltend gemachten Schaden ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen. Hätte das Berufungsgericht ferner berücksichtigt, dass die Entscheidung für den Dachausbau erst nach der Kreditzusage gefallen sei, wäre dem Kläger möglicherweise auch unter diesem Gesichtspunkt keine ursächliche Pflichtverletzung zur Last zu legen.

Der Senat weist darauf hin, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Kostenschätzung, die dem (zweiten) Bauantrag im Februar 2005 zugrunde gelegen hat, für die Entscheidung, den Dachausbau vorzunehmen, nicht ursächlich geworden sein kann. Denn danach ist - was der Kläger allerdings bestreitet - diese Entscheidung bereits zuvor getroffen worden. Das gilt auch für die unterbliebene Information der Beklagten im weiteren Verlauf der Planung.

3. Das Berufungsurteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen, insbesondere im Hinblick auf das Schreiben des Klägers vom 4. Mai 2006.

Zur Schadensberechnung weist der Senat darauf hin, dass die Vermögenslage mit und ohne eine eventuelle Falschberatung verglichen werden muss (vgl. Kniffka, Bauvertragsrecht, aaO, § 633 Rn. 107).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 15.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 35 O 28/09
Vorinstanz: KG Berlin, vom 22.11.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 181/10
Fundstellen
BauR 2013, 982
NZBau 2013, 7