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BGH - Entscheidung vom 15.10.2013

XI ZR 51/11

BGH, Urteil vom 15.10.2013 - Aktenzeichen XI ZR 51/11

DRsp Nr. 2013/23482

Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen Lehman Brothers Treasury Co. B.V.

1. Ein Anlageberatungsvertrag kann auch dadurch (neu) abgeschlossen werden, dass ein Anleger sich nach getroffener Anlageentscheidung bei seiner Bank erkundigt, wie er sich angesichts fallender Kurse verhalten soll.2. Es stellt eine Verletzung eines solchen Anlageberatungsvertrages dar, wenn der Berater erklärt, von einer Tochtergesellschaft der Lehman Brothers Holding Inc. emittierte Zertifikate würden in einer möglichen Insolvenz als Sondervermögen behandelt, dessen Rückzahlung nicht in Gefahr sei.3. Stellt sich diese Auskunft aber als falsch dar, so ist es Sache des Anlageberaters, darzulegen und zu beweisen, dass der Anleger auch bei gehöriger Aufklärung von einer Veräußerung der Zertifikate abgesehen hätte.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen Lehman Brothers Treasury Co. B.V. in Anspruch.

Die Klägerin eröffnete am 23. April 2007 bei der Beklagten ein Wertpapier-Depot, in das sie die Wertpapiere aus ihren bis dahin bei verschiedenen anderen Banken bestehenden Depots übertrug. Aufgrund eines sodann am 23. Mai 2007 mit einer Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin R. , geführten Beratungsgesprächs, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, erwarb die Klägerin gemäß Wertpapiersammelorder vom selben Tage unter anderem 50 Stück A. Zertifikate der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zum Stückpreis von 1.000 € zuzüglich eines Ausgabeaufschlags von 2%, wobei sie hinsichtlich des Agios mit der Beklagten einen hälftigen Rabatt vereinbarte.

Im September 2008 wurde die US-amerikanische Muttergesellschaft der Emittentin, die Lehman Brothers Holdings Inc., die für die Rückzahlung der Zertifikate die Garantie übernommen hatte (nachfolgend: Garantiegeberin), insolvent. Dies zog die Insolvenz der Emittentin nach sich, so dass die Zertifikate weitgehend wertlos wurden.

Die Klägerin verlangt, gestützt auf den Vorwurf mehrerer Beratungsfehler der Beklagten im Beratungsgespräch vom 23. Mai 2007 sowie in weiteren mit der Beraterin R. am 20. November 2007 und 16. Juni 2008 geführten Gesprächen, die Rückzahlung von 51.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der 50 Lehman-Zertifikate sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines von der Klägerin erstinstanzlich darüber hinaus geltend gemachten Auskunftsanspruchs im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [...] (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Dezember 2010 6 U 191/09) veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Verletzung von Pflichten der Beklagten aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrag könne nicht festgestellt werden. Nach den unverändert maßgeblichen Grundsätzen der sog. Bond-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin eine Pflichtverletzung der Beklagten bereits nicht schlüssig dargelegt.

Dass die Beratung der Klägerin nicht anlegergerecht gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Aus dem von ihr unterzeichneten Risikoprofil vom 23. April 2007 ergebe sich für die Klägerin eine "ausgewogene" Anlagestrategie mit einem Risikoanteil an Wertpapieren bis zur Produktrisikoklasse 4 von bis zu 55%. Soweit der Risikoanteil der von ihr bei Eröffnung des Depots bei der Beklagten eingebrachten Papiere deutlich darüber gelegen habe, habe die Klägerin sich entgegen der Notwendigkeit einer deutlichen Reduzierung des Risikoanteils, auf die die Beraterin R. unbestritten hingewiesen habe, nur zur Reduzierung des Risikoanteils auf 93,9% entschließen können und zugleich durch Umschichtung ihres Depots den Anteil an Papieren mit der höchsten für sie überhaupt in Betracht kommenden Risikoklasse sogar erhöht. Der Sachverhalt biete auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beratung der Klägerin deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, weil die Ermittlung des Risikoprofils vom 23. April 2007 zur Schaffung einer tragfähigen Beratungsgrundlage von vorneherein ungeeignet gewesen sei.

Abgesehen davon, dass die Klägerin sich bewusst für die Überschreitung des gebotenen Risikoanteils des Gesamtbestands ihres Depots entschieden habe, sei die Empfehlung zum Erwerb der streitgegenständlichen Indexzertifikate überdies mit dem ermittelten Risikoanteil und den individuellen Verhältnissen der Klägerin nicht unvereinbar gewesen.

Eine nicht anlagegerechte Beratung sei ebenfalls nicht ausreichend dargelegt. Vor der Anlageentscheidung sei die Klägerin über die Funktionsweise sowie die Chancen und Risiken der erworbenen Zertifikate ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Der Klägerin sei durch ihre Unterschrift auf dem Risikoprofil vom 23. April 2007 bestätigt seinerzeit die Standard-Informationsbroschüre "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" ausgehändigt worden. Durch ihre Unterschrift auf der Wertpapiersammelorder vom 23. Mai 2007 habe sie ferner bestätigt, an diesem Tage die detaillierten Produktinformationen zum streitgegenständlichen Zertifikat erhalten zu haben. Auf der Grundlage des Parteivortrags sei außerdem zu Lasten der Klägerin davon auszugehen, dass die genannten Produktinformationen Gegenstand des Beratungsgespräches gewesen seien und der Klägerin bei dieser Gelegenheit in ihren wesentlichen Aspekten mündlich erläutert worden seien.

Beide Unterlagen seien als Mittel der Aufklärung geeignet und die Kenntnisnahme von ihrem Inhalt sei der Klägerin zuzumuten gewesen. Einen von der Klägerin postulierten Grundsatz der "Vollständigkeit und Richtigkeit" der mündlichen Angaben des Beraters im Verlauf des Beratungsgespräches oder einen generellen Vorrang der mündlichen vor der schriftlichen Aufklärung gebe es nicht. Der Berater dürfe lediglich im mündlichen Beratungsgespräch keine zum Inhalt des schriftlichen Aufklärungsmaterials im Widerspruch stehenden Angaben machen. Dass dies hier der Fall gewesen sei, habe die Klägerin schon nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Der Klägerin sei danach jedenfalls die allgemeine Funktionsweise von Indexzertifikaten in der Sonderform von Express-Zertifikaten schon aus den "Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren" ausreichend bekannt gewesen und es sei ihr auch die konkrete Funktionsweise der streitgegenständlichen A. Zertifikate anhand der Produktinformationen im Einzelnen erläutert und anhand der sowohl in den "Basisinformationen" als auch in der Produktinformation enthaltenen Schaubilder und Grafiken zusätzlich visuell vor Augen geführt worden.

Die Klägerin sei zudem auf das mit dem Erwerb der Zertifikate verbundene Totalverlustrisiko hinreichend hingewiesen worden. Entsprechende Hinweise seien in den "Basisinformationen", in der Produktinformation sowie in der Wertpapiersammelorder vom 23. Mai 2007 enthalten. In ähnlicher Weise sei die Klägerin auch über das allgemeine, mit einer etwaigen Insolvenz der Emittentin verbundene Risiko aufgeklärt worden. Ein allgemeiner Hinweis auf das Emittentenrisiko in dieser Form sei ausreichend gewesen. Für eine Realisierung dieses Risikos habe weder hinsichtlich der Emittentin noch der Garantiegeberin im Mai 2007 ein Anhaltspunkt bestanden.

Durch einen Hinweis in der Wertpapiersammelorder vom 23. Mai 2007 sei die Klägerin überdies darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei den von ihr erworbenen Zertifikaten nicht um Bankeinlagen gehandelt habe und weder die deutsche noch die niederländische Einlagensicherung eingreife. Dem Hinweis auf die fehlende Einlagensicherung komme zudem neben der Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko keine eigenständige Bedeutung zu.

Die Beklagte sei über die schriftlichen Hinweise in den von ihr vorgelegten Unterlagen hinaus nicht zu einer Aufdeckung von Rückvergütungen, Provisionen oder Gewinnmargen verpflichtet gewesen. Die Beklagte habe die streitigen Zertifikate zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis von der Emittentin erworben und in Form eines Festpreisgeschäfts zum vollen Nennwert an die Klägerin weiterverkauft. Der Ausgabeaufschlag in Höhe von 2% des Nominalbetrages der Zertifikate, den die Beklagte erhalten habe, sei der Klägerin, die insoweit einen hälftigen Rabatt vereinbart habe, bekannt gewesen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Aufdeckung einer eventuellen Gewinnspanne aus dem An- und Weiterverkauf der Zertifikate könne selbst dann nicht anerkannt werden, wenn die Beklagte sie tatsächlich erzielt haben sollte.

Der Beklagten könne eine Verletzung des Beratungsvertrages schließlich auch nicht deshalb zur Last gelegt werden, weil die Beraterin R. die Klägerin bei zwei späteren Gesprächsterminen am 20. November 2007 und 16. Juni 2008 jeweils von einer Veräußerung der Lehman-Zertifikate unter anderem mit der Begründung abgehalten haben solle, eine Insolvenz der Emittentin sei nach wie vor äußerst unwahrscheinlich, sofern es dazu aber dennoch komme, handele es sich bei den Zertifikaten um Sondervermögen außerhalb der Konkursmasse. Abgesehen davon, dass schon zweifelhaft sei, ob hinsichtlich dieser Anfragen der Klägerin bei der Beklagten überhaupt von einem erneuten Beratungsvertrag zwischen den Parteien ausgegangen werden könne, und weiter abgesehen davon, dass sich aus der Verletzung eines solchen Beratungsvertrages jedenfalls die von der Klägerin erstrebte Rechtsfolge einer Rückabwicklung des ursprünglichen Kaufvertrages nicht ableiten lasse, sei ein Rat der Beklagten zum Behalten der Zertifikate zu den beiden genannten Zeitpunkten auch nicht zwangsläufig falsch gewesen.

Die mögliche Falschauskunft über eine Behandlung der Zertifikate als angebliches Sondervermögen außerhalb der Konkursmasse ändere an diesem Ergebnis ebenfalls nichts. Abgesehen davon, dass der Klägerin das Risiko eines vollständigen Verlusts der Anlage bei Insolvenz der Emittentin bereits aufgrund der bei Erwerb der Papiere erfolgten Aufklärung bekannt gewesen sei, sei auch die Kausalität einer solchen Falschauskunft nicht ausreichend dargelegt. Ob die Klägerin sich bei zutreffender Auskunft zu einer Veräußerung der Zertifikate entschlossen hätte, sei schon wegen der von ihr bis zum Zeitpunkt der beiden Gespräche vom 20. November 2007 und 16. Juni 2008 bereits erlittenen Verluste keineswegs sicher. Eine Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens "in dieser Hinsicht" gebe es nicht. Im Gegenteil sei angesichts des nach wie vor guten Ratings der Garantiegeberin auch der Rat, die Papiere trotz zwischenzeitlich gestiegener Risiken weiter zu halten, jedenfalls nicht unvertretbar falsch gewesen.

II.

Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit nicht verneinen, als er auf eine etwaige Falschauskunft der Beraterin R. über die Behandlung der streitgegenständlichen Zertifikate als "Sondervermögen außerhalb der Konkursmasse" gestützt wird.

1. Soweit das Berufungsgericht eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitigen Zertifikate im April 2007 verneint hat, ist das Berufungsurteil allerdings nicht zu beanstanden. Insoweit entspricht es im rechtlichen Ansatz der nach seinem Erlass ergangenen Senatsrechtsprechung zum Erwerb von Lehman-Zertifikaten (vgl. Senatsurteile vom 27. September 2011 XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261; die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht, WM 2013, 1640 nicht zur Entscheidung angenommen; vgl. weiter Senatsurteile vom 26. Juni 2012 XI ZR 316/11, WM 2012, 1520, XI ZR 355/11, BKR 2013, 17, XI ZR 259/11, [...] und XI ZR 356/11, [...] sowie vom 16. Oktober 2012 XI ZR 367/11, NJW-RR 2013, 244 und XI ZR 368/11, [...]). Nicht zu beanstanden ist auch die revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbare (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 24 mwN) tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin insoweit eine Beratungspflichtverletzung nicht substantiiert dargelegt hat. Die diesbezüglichen Gehörsrügen der Revision sind nicht berechtigt. Letztlich will die Revision damit in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene Würdigung ersetzen. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 564 ZPO ).

2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Klage könne auch insoweit keinen Erfolg haben, als sie auf den Vorwurf einer Falschauskunft der Beraterin R. über die Einordnung der streitgegenständlichen Zertifikate als "Sondervermögen außerhalb der Konkursmasse" gestützt wird, hält auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen den Angriffen der Revision indes nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob hinsichtlich der beiden Gesprächstermine am 20. November 2007 und 16. Juni 2008, bei denen die Beraterin jeweils eine entsprechende Auskunft erteilt haben soll, vom Abschluss eines erneuten Beratungsvertrages zwischen den Parteien ausgegangen werden könne, und hat die bezüglich der behaupteten Äußerungen von der Klägerin bereits erstinstanzlich angetretenen Beweise nicht erhoben. Für das Revisionsverfahren ist deshalb das Zustandekommen entsprechender Beratungsverträge die grundsätzlich auch dadurch (neu) abgeschlossen werden können, dass ein Anleger sich nach getroffener Anlageentscheidung bei seiner Bank erkundigt, wie er sich angesichts fallender Kurse verhalten soll (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2006 XI ZR 63/05, WM 2006, 851 Rn. 10) zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

b) Die Revision wendet sich nicht gegen den der Klägerin günstigen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, eine etwaige Erklärung der Beraterin R. , bei den streitbefangenen (Index-)Zertifikaten handele es sich um "Sondervermögen außerhalb der Konkursmasse", sei inhaltlich falsch gewesen. Gegen diese Annahme ist aus Rechtsgründen auch nichts zu erinnern (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2011 XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 26 f.).

c) Mit Recht beanstandet die Revision jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe schon die Kausalität einer solchen Falschauskunft nicht ausreichend dargelegt, weil "keineswegs sicher" sei, dass die Klägerin sich auch unter Berücksichtigung der Unrichtigkeit der behaupteten Auskunft zu einer Veräußerung der Zertifikate entschlossen hätte. War nämlich die Erklärung der Zeugin R. über die insolvenzrechtliche Behandlung der von der Klägerin erworbenen Zertifikate unzutreffend, so muss nicht die Klägerin das Fehlen eines auf ihrer Seite bestehenden Entscheidungskonflikts, sondern im Gegenteil die Beklagte darlegen und ggf. beweisen, dass die Klägerin auch bei gehöriger Aufklärung gleichwohl von einer Veräußerung der Zertifikate abgesehen hätte.

aa) Bereits der Grundannahme des Berufungsgerichts, eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens "in dieser Hinsicht" gebe es nicht, kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 f. mwN), also auch für den hier von der Klägerin erhobenen Vorwurf einer Falschauskunft über die rechtliche Behandlung der A. Zertifikate im Falle der Insolvenz von Emittentin bzw. Garantiegeberin. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 29).

bb) Diese Beweislastumkehr greift schon bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein. Wie der erkennende Senat nach Erlass des Berufungsurteils in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, gilt die Kausalitätsvermutung nicht lediglich dann, wenn der Anleger bei zutreffender Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte, er sich also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. Denn das Abstellen auf das Fehlen eines Entscheidungskonflikts ist mit dem Schutzzweck der Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff.). Auf die Einschätzung des Berufungsgerichts, angesichts des Ratings der Garantiegeberin, das zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Gespräche nach wie vor gut gewesen sei, sei auch ein Rat der Zeugin R. , die Lehman-Papiere trotz zwischenzeitlich gestiegener Risiken weiterhin zu halten, "nicht in unvertretbarer Weise falsch gewesen", kommt es daher insoweit nicht an.

d) Die angefochtene Entscheidung stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ). Zwar lässt sich wie das Berufungsgericht als solches zutreffend angenommen hat aus der Verletzung anlässlich der Gesprächstermine am 20. November 2007 und/oder 16. Juni 2008 ggf. erneut zustande gekommener Beratungsverträge nicht die Rechtsfolge einer vollständigen Rückabwicklung des ursprünglichen Kaufvertrages ableiten. Die Klägerin hat jedoch behauptet, der ihr entstandene (Vermögens-)Schaden wäre im Falle einer Veräußerung der Zertifikate am 20. November 2007 bzw. am 16. Juni 2008 zumindest erheblich geringer ausgefallen. Bereits in erster Instanz hat sie hierzu vorgetragen, der Kurswert der Papiere sei am 22. November 2007 um 4.500 € sowie im Juni 2008 um ca. 10.000 € gegenüber dem Einstandspreis gesunken. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig bislang unberücksichtigt gelassen.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 15. Oktober 2013

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 24.11.2009 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 14/09
Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 16.12.2010 - Vorinstanzaktenzeichen I-6 U 191/09