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BGH - Entscheidung vom 27.02.2013

4 StR 13/13

Normen:
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2013, 275

BGH, Beschluss vom 27.02.2013 - Aktenzeichen 4 StR 13/13

DRsp Nr. 2013/7135

Prüfung eines fehlgeschlagenen Versuchs bzgl. eines Rücktritts vom Versuch eines Mordes bei vorausgegangenem schweren Raub

Die Verneinung eines Rücktritts vom Versuch setzt Feststellungen zur inneren Tatseite bzw. zum sog. Rücktrittshorizont voraus.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landau (Pfalz) vom 10. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a)

im Schuldspruch im Fall 2 der Urteilsgründe; insoweit bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten,

b)

im Gesamtstrafenausspruch,

c)

im Ausspruch über die Adhäsionsentscheidung.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes schuldig ist.

Normenkette:

StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Fall 1 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und das Tatwerkzeug eingezogen. Es hat den Angeklagten außerdem verurteilt, an den Nebenkläger 15.000 € zu zahlen; im Übrigen hat es von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Angeklagte einen Fahrzeugkauf bei der Bank finanziert. Aufgrund von Kurzarbeit geriet er mit der Ratenzahlung in Rückstand. Die Bank beauftragte die I. GmbH, die rückständigen Raten einzuziehen und im Fall der Uneintreibbarkeit das Fahrzeug sicherzustellen. Mit dem bei der I. GmbH angestellten Nebenkläger S. vereinbarte der Angeklagte, am 18. Januar 2012 einen Betrag in Höhe von 1.905,28 € einschließlich der Januarrate zu entrichten. Der Nebenkläger nahm gegen 16.00 Uhr das Geld in der Wohnung des Angeklagten entgegen und quittierte die Zahlung. Anschließend teilte er dem Angeklagten mit, dass er für Januar 2012 noch eine weitere Rate in Höhe von 560 € einschließlich Kosten zu zahlen habe. Der Angeklagte reagierte mit Unverständnis und Unmut. Beide einigten sich, dass er diese Rate Ende des Monats direkt bei der Bank in K. einzahlen solle. Als der Nebenkläger die Wohnung verlassen wollte, beschloss der Angeklagte, ihm das Geld wieder abzunehmen. Er schlug dem Nebenkläger mit einem Stuhlbein aus Hartholz von hinten mit großer Wucht auf den Kopf, so dass er zu Boden ging. Dann nahm der Angeklagte das Geld an sich und zog den stark blutenden Nebenkläger ins Wohnzimmer, wo er ihn unter Drohung mit dem Stuhlbein aufforderte, ruhig liegen zu bleiben.

Etwa eine halbe Stunde später versuchte der Nebenkläger, der den Angeklagten nicht mehr in seiner unmittelbaren Nähe wähnte, aufzustehen. Der Angeklagte schlug ihm erneut mit dem Holz auf den Hinterkopf, um seine Flucht zu verhindern. Der Nebenkläger wandte sich um und hielt eine Hand schützend vor den Kopf. Ein weiterer Schlag traf ihn im Bereich des linken Auges und der linken Schläfe, wobei er einen Bruch des linken Mittelhandknochens erlitt. Der Nebenkläger ging wieder zu Boden. Der Angeklagte überprüfte seinen Puls und fesselte ihn dann an Händen und Füßen. Gegen 18.40 Uhr erschien die Ehefrau des Angeklagten und bestand darauf, die Polizei zu verständigen. Der Angeklagte verließ daraufhin die Wohnung.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass es dem Angeklagten im ersten Tatkomplex lediglich darauf angekommen sei, das Geld zurück zu erlangen. Die beiden späteren Schläge habe er sodann mit Tötungsvorsatz ausgeführt, um das vorangegangene Tatgeschehen zu verdecken. Von dem Versuch des Mordes sei der Angeklagte nicht zurückgetreten. Das Landgericht hat offen gelassen, 'ob der zu beurteilende Tötungsversuch wegen 'sinnlos gewordenen Tatplans' als fehlgeschlagen betrachtet oder aber wegen unterbleibender Tataufgabe und/oder fehlender Freiwilligkeit als untauglicher Versuch des Rücktritts vom unbeendeten Versuch zu qualifizieren ist". Ein strafbefreiender Rücktritt sei jedenfalls deshalb zu verneinen, weil der Angeklagte bis zum Erscheinen seiner Ehefrau am Tatort und seiner Entdeckung als Täter von der weiteren Tatausführung keinen Abstand genommen habe und das sich anschließende Verlassen der Wohnung nicht als freiwilliger Rücktritt gewertet werden könne.

2. Die Verneinung des Rücktritts vom Versuch des Mordes im Fall 2 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs 'wegen sinnlos gewordenen Tatplans" oder fehlender Freiwilligkeit setzte jedenfalls voraus, dass der Angeklagte den Tötungsvorsatz nicht bereits vor der Aufdeckung der Tat durch seine Ehefrau aufgegeben hatte. Die Überzeugung des Tatrichters, dass der Angeklagte bis zum Erscheinen seiner Ehefrau das Tötungsvorhaben weiterverfolgt habe (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 2009 - 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501 f.; Beschluss vom 19. Januar 2010 - 4 StR 605/09, NStZ 2010, 384 ), findet in den Feststellungen und in der Beweiswürdigung keine hinreichende Grundlage.

Das Landgericht hat keine Feststellungen zur inneren Tatseite bzw. zum sogenannten Rücktrittshorizont im Zeitpunkt nach den beiden Schlägen im Wohnzimmer getroffen. Es geht zwar einerseits von einem unbeendeten Versuch aus, hält es aber andererseits für möglich, dass der Angeklagte habe sehen wollen, ob der Nebenkläger im weiteren Verlauf des Geschehens versterbe. Tragfähige Anknüpfungspunkte dafür, dass der Angeklagte den Todeseintritt für möglich hielt und für den Fall, dass der Nebenkläger nicht versterbe, weitere Tötungshandlungen vornehmen wollte, hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Der Umstand, dass der Angeklagte den Nebenkläger fesselte, nachdem er seinen Puls überprüft hatte, belegt für sich ebenso wenig einen fortbestehenden Tötungsvorsatz wie die Tatsache, dass er versuchte, seine Ehefrau von einer Anzeigeerstattung abzuhalten. Zudem hat das Landgericht eine Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Möglichkeit versäumt, dass der Angeklagte weiterhin mit der Situation überfordert und unschlüssig war, wie er sich weiter verhalten sollte, wovon es selbst für den vorangegangenen Zeitabschnitt nach dem ersten Niederschlagen des Nebenklägers ausgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach den zur Verhinderung der Flucht des Nebenklägers ausgeführten Schlägen im Wohnzimmer weiter dessen Tod anstrebte, lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.

Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bestehen bleibenden nicht im Widerspruch stehen dürfen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs und damit der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Aufgrund der Aufhebung im Fall 2 kann auch der an beide Taten anknüpfende Adhäsionsausspruch zugunsten des Nebenklägers keinen Bestand haben. Auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an. Das Landgericht hat die andauernden psychischen Tatfolgen für den Nebenkläger lediglich bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall 2 der Urteilsgründe und des Schmerzensgeldes berücksichtigt.

4. Der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe, der im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken begegnet, war aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen klarzustellen. Die begangene Tat stellt sich nach den Feststellungen des Landgerichts als besonders schwerer Raub gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar; dies ist in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen.

Vorinstanz: LG Landau, vom 10.08.2012
Fundstellen
NStZ-RR 2013, 275