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BGH - Entscheidung vom 27.06.2013

3 StR 113/13

Normen:
BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BtMG § 29 Abs. 4

BGH, Urteil vom 27.06.2013 - Aktenzeichen 3 StR 113/13

DRsp Nr. 2013/18225

Pflicht zur Prüfung einer fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln bei Feststellung einer fahrlässigen Unkenntnis über den Inhalt eines transportierten Gepäckstücks

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

BtMG § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ; BtMG § 29 Abs. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen der Beschwerdeführerin kommt es daher nicht an.

I.

Nach den Urteilsfeststellungen reiste der Angeklagte aus den Niederlanden kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und fuhr alleine mit einem Pkw in Fahrtrichtung Köln. Nach dem Verlassen der Autobahn in Dormagen wurde er von Polizeibeamten kontrolliert. Diese fanden dabei in der Bauchtasche des Angeklagten knapp ein Gramm Marihuana. Im Kofferraum des Pkw lag - von einigen Jacken bedeckt - ein schwarzer Koffer ("Trolley"), der - in zwei Plastiktüten verpackt - insgesamt 1.501 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von rund 207 Gramm Tetrahydrocannabinol enthielt. Die Strafkammer sah sich nicht in der Lage, dem Angeklagten vorsätzliches Handeln nachzuweisen.

II.

Das Urteil hat keinen Bestand. Das Landgericht hat den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihm obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO ) verstoßen. Dies stellt stets auch einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/Engelhardt, 6. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).

Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222 , 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO , 56. Aufl., § 264 Rn. 10; KK/Engelhardt, aaO, Rn. 10 ff.).

Dies hat das Landgericht unterlassen. Nach den Urteilsgründen ging es davon aus, dass das Verhalten des Angeklagten, der "sich keine weiteren Gedanken über den Inhalt des von ihm transportierten Trolleys machte", "als naiv oder auch fahrlässig angesehen werden" könne. Danach hätte die Strafkammer prüfen und entscheiden müssen, ob sich der Angeklagte der fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 BtMG schuldig gemacht hat. Für ein rechtliches Hindernis an einer entsprechenden Aburteilung ist nichts ersichtlich. Die Bezeichnung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat im Anklagesatz der - unverändert zugelassenen - Anklage als vorsätzliche Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge änderte an der umfassenden Kognitionspflicht des Landgerichts nichts (§ 264 Abs. 2 StPO ).

Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge. Danach kommt es auch auf die weiteren sachlichrechtlichen Einzelbeanstandungen der Beschwerdeführerin nicht mehr an.

Der neue Tatrichter wird wiederum zu prüfen haben, ob der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat.

Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft nicht ergeben (§ 301 StPO ).

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Düsseldorf, vom 20.11.2012