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BGH - Entscheidung vom 13.03.2013

4 StR 547/12

Normen:
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 13.03.2013 - Aktenzeichen 4 StR 547/12

DRsp Nr. 2013/6737

Notwendigkeit der abgrenzung von zum Verkauf bestimmtem Amphetamin und zum Eigenkonsum bestimmtem Amphetamin für die Bestimmung einer nicht geringen Menge als Tatgegenstand des Handeltreibens

1. Bei Amphetamin-Zubereitungen beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtmG bei einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm Amphetaminbase (nicht Amphetamin-Hydrochlorid). 2. Ist ein Teil des Betäubungsmittels zum Handeltreiben und ein Teil zum Eigenverbrauch bestimmt, so darf wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei der rechtlichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen bleiben, welcher Anteil für den späteren Verkauf bestimmt war.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 27. August 2012 mit den Feststellungen aufgehoben

a)

in den Fällen II. 1 und II. 3 der Urteilsgründe,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. In den Fällen II. 1 und II. 3 der Urteilsgründe ist die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ) aufzuheben, weil der Schuldspruch durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist.

a) Nach den Feststellungen brachte der Angeklagte Ende September oder Anfang Oktober 2011 ein Päckchen mit mehr als 1,5 Kilogramm Amphetaminzubereitung zu dem Zeugen M. T. , der das Rauschgift für den Angeklagten verwahren sollte. Als Entlohnung durfte T. nach Rücksprache Amphetamin für den Eigenbedarf entnehmen. Der Angeklagte beabsichtigte, das Amphetamin zum Teil selbst zu konsumieren und im Übrigen weiterzuverkaufen. In der Folgezeit entnahm er in mindestens zwei Fällen "einige Handvoll von dem Pulver". Außerdem reichte T. einen Teil des Rauschgifts nach Anweisung des Angeklagten an einen Abnehmer weiter. Am 8. November 2011 wurde bei T. noch eine Menge von 1,2 Kilogramm Amphetaminzubereitung sichergestellt, die einen "Wirkstoffgehalt" von 0,92 % bis 1 % aufwies (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

Ende Oktober 2011 beabsichtigten der Angeklagte und der Zeuge M. L. den Erwerb einer größeren Menge Amphetamin, die der Angeklagte bei einem Drogenhändler in R. telefonisch bestellte. In den frühen Morgenstunden des 28. Oktober 2011 fuhr L. nach H. , um dort von dem Lieferanten verabredungsgemäß Amphetamin für sich und den Angeklagten in Empfang zu nehmen. Die Fahrt wurde von der Polizei überwacht. Da der Geschäftspartner an dem abgesprochenen Treffpunkt nicht erschien, nahm L. Kontakt zu ihm auf und vereinbarte ein Treffen in R. . Dort übernahm er noch am selben Tag gegen 09.00 Uhr sieben Plastiktüten mit insgesamt 7.231 Gramm Amphetaminzubereitung und einem Amphetamin-Hydrochlorid-Anteil von 419,28 Gramm (bei Wirkstoffkonzentrationen von 4,01 % bis 7,91 %). Das Rauschgift verbaute er anschließend in seinem Fahrzeug und überquerte damit die Grenze. Nach seiner Einreise wurde er festgenommen (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

Das Landgericht ist im Fall II. 1 der Urteilsgründe bei der Bestimmung der "nicht geringen Menge" im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG von einer Wirkstoffkonzentration von 0,92 % ausgegangen und hat - bezogen auf das sichergestellte Rauschgift - eine nicht näher bezeichnete "Wirkstoffmenge" von 11,04 Gramm seiner Wertung zu Grunde gelegt.

Im Fall II. 3 der Urteilsgründe hat das Landgericht dem Angeklagten ohne nähere Begründung vier Päckchen Amphetaminzubereitung mit einem Amphetamin-Hydrochlorid-Gewichtsanteil von 204,03 Gramm zugerechnet. Den Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es nur bezüglich des Zeugen L. bejaht, da der Angeklagte davon ausgegangen sei, dass das Amphetamin in H. übergeben werde (UA S. 15/16).

b) Die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat im Fall II. 1 der Urteilsgründe schon deshalb keinen Bestand, weil die getroffenen Feststellungen nicht erkennen lassen, welche Menge zum Handeltreiben und welche zum Eigenkonsum bestimmt war. Es ist auch unklar, ob überhaupt eine nicht geringe Menge Gegenstand des Handeltreibens war.

Da nach den Feststellungen des Landgerichts von vornherein ein Teil des Amphetamins zum Handeltreiben und ein Teil zum Eigenverbrauch bestimmt war, durfte wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei der rechtlichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen bleiben, welcher Anteil für den späteren Verkauf vorgesehen war. Der Tatrichter hätte dies feststellen und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen müssen (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 - 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 153 ; vgl. Weber, BtMG , 3. Aufl., § 29a Rn. 161 - 168). Bei Erwerbsvorgängen mit unterschiedlicher Zweckbestimmung richtet sich die rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen. Liegt bereits die erworbene Gesamtmenge unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge, ist unerlaubtes Handeltreiben in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gegeben. Übersteigt jedoch - was im vorliegenden Fall nahe liegt - die Gesamtmenge den Grenzwert, so kommt es auf die jeweiligen Teilmengen an: Bei einer nicht geringen Handelsmenge liegt unerlaubtes Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor. Ist auch die restliche Eigenverbrauchsmenge nicht gering, ist Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben, bei einer darunter liegenden Eigenverbrauchsmenge dagegen Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2001 - 3 StR 268/01, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5, auch zu der Fallkonstellation, dass bei einer nicht geringen Gesamtmenge Handels- und Eigenverbrauchsmenge jeweils unter dem Grenzwert bleiben).

Im vorliegenden Fall kann auf der Basis der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die sichergestellte Menge, auf die das Landgericht abhebt, oder wenigstens die Gesamtmenge den Grenzwert zur nicht geringen Menge erreicht. Bei Amphetamin-Zubereitungen beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bei einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm Amphetaminbase (BGH, Urteil vom 11. April 1985 - 1 StR 507/84, BGHSt 33, 169 ; Beschlüsse vom 19. Juli 2007 - 3 StR 257/07; vom 22. Juni 2011 - 2 StR 157/11, Rn. 3). Das Landgericht hat es versäumt, den maßgeblichen Wirkstoffgehalt an Amphetaminbase zu bestimmen oder zumindest zu schätzen. Da die Kammer im Fall II. 3 der Urteilsgründe ihren Ausführungen ausdrücklich den Gewichtsanteil an Amphetamin-Hydrochlorid zu Grunde gelegt hat, ist zu besorgen, dass sie sich auch im Fall II. 1 der Urteilsgründe bei der Bestimmung der nicht geringen Menge an dem insofern nicht maßgeblichen Hydrochlorid-Gehalt des Amphetamins orientiert hat, zumal das Gericht ohne nähere Erläuterung von einem "Wirkstoffgehalt" von 0,92 % bis 1 % ausgeht (UA S. 3).

c) Im Fall II. 3 der Urteilsgründe hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht belegen und die Beweiswürdigung lückenhaft ist.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die von dem Zeugen L. in R. übernommene und in das Bundesgebiet verbrachte Amphetaminzubereitung teilweise für ihn selbst und teilweise für den Angeklagten bestimmt war. Die der Verurteilung zu Grunde liegende Feststellung, von der Gesamtmenge seien vier Päckchen für den Angeklagten bestimmt gewesen, wurde nicht näher begründet. Dies war jedoch erforderlich. Denn der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, lediglich den Kontakt zu dem Drogenlieferanten in R. vermittelt zu haben. Der Zeuge L. hat in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ausgesagt, bloße Kurierdienste für den Angeklagten geleistet zu haben. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hat er sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Aus den Urteilsgründen ist auch sonst nicht erkennbar, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts auf einer hinreichend fundierten und konkretisierten Tatsachengrundlage beruht (vgl. HK- StPO -Julius, 5. Aufl., § 261 Rn. 22).

Eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt nur dann in Betracht, wenn in der auf ihn entfallenden und zur Weiterveräußerung bestimmten Teilmenge ein den Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (10 Gramm Amphetaminbase) überschreitender Wirkstoffanteil enthalten war oder aber eine Zurechnung der Gesamtmenge nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB ) erfolgen kann. Wie bereits dargelegt, hat das Landgericht bei der Bestimmung der nicht geringen Menge übersehen, dass es dabei entscheidend auf den Amphetaminbase-Anteil ankommt und der Amphetamin-Hydrochlorid-Gewichtsanteil nicht maßgebend ist. Die Annahme von Mittäterschaft setzt eine wertende Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände voraus, wobei dem jeweiligen Interesse am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und dem Vorhandensein von Tatherrschaft eine indizielle Bedeutung zukommen (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2012 - 4 StR 392/12, Rn. 10). Dient der gemeinsame Ankauf einer größeren Rauschgiftmenge der Reduzierung der Transportkosten und der Erzielung eines günstigen Einkaufspreises, kann ein mittäterschaftliches Handeln mit der Folge vorliegen, dass eine Zurechnung der Gesamtmenge und nicht nur eine anteilsmäßige Zuordnung erfolgt (BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 131/12, Rn. 5).

Da das Urteil weder tragfähige Feststellungen zu dem Anteil des Angeklagten an der Gesamtmenge noch eine wertende Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge enthält, bedarf die Sache schon aus diesem Grund der neuen Verhandlung und Entscheidung.

Der neue Tatrichter wird dabei gegebenenfalls zu beachten haben, dass in einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen (hier: M. L. ) überführt werden soll, die Urteilsgründe neben den Umständen der Entstehung auch den näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussage mitteilen müssen. Ist der Zeuge bereits wegen Beteiligung an derselben Tat verurteilt worden, muss die Beweiswürdigung erkennen lassen, ob sich der Betreffende eine Strafmilderung als Aufklärungsgehilfe verdient hat oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2009 - 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212 ).

Der Senat lässt offen, ob es sich bei Amphetamin um eine "harte Droge" handelt, deren Gefährlichkeit unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Wirkstoffkonzentration straferschwerend berücksichtigt werden darf (vgl. BVerfG, NJW 1998, 669 , 671; Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2012 - 4 StR 392/12, Rn. 12).

2. Im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Januar 2013 wird Bezug genommen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Mit der im Rahmen der Prüfung des minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG mitgeteilten Erwägung, der Angeklagte habe "nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel getrieben" (UA S. 19), hat das Landgericht lediglich die Tatmotivation (negativ) umschrieben, ohne diesem Umstand eine bestimmende Bedeutung zuzuweisen. Dies begegnet - jedenfalls vorliegend - keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2012 - 4 StR 392/12, Rn. 7, zur Frage der straferschwerenden Berücksichtigung der Gewinnorientierung).

Vorinstanz: LG Siegen, vom 27.08.2012