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BGH - Entscheidung vom 07.08.2013

XII ZB 188/13

Normen:
FamFG §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 280 Abs. 1 Satz 2
FamFG § 280 Abs. 1 Satz 2

Fundstellen:
AnwBl 2013, 829
FGPrax 2013, 260
FamRZ 2013, 1800
FuR 2013, 715
NJW 2013, 6
NJW-RR 2013, 1476

BGH, Beschluss vom 07.08.2013 - Aktenzeichen XII ZB 188/13

DRsp Nr. 2013/21209

Nachweis der Sachkunde des in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Arztes

a) Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 XII ZB 454/11 FamRZ 2012, 1207 ).b) Von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel neue Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 XII ZB 454/11 FamRZ 2012, 1207 ).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der Zivilkammer 9 des Landgerichts Hamburg vom 28. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 3.000 €

Normenkette:

FamFG § 280 Abs. 1 Satz 2;

Gründe

I.

Die Betroffene leidet an einer chronifizierten schizoaffektiven Störung mit depressiver Symptomatik. Im Sommer 2011 wurde erstmals die Einrichtung einer Betreuung angeregt. In dem seinerzeit eingeholten Gutachten verneinte die Sachverständige jedoch die Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung gegen den Willen der Betroffenen. Im Februar 2012 kam es zu einer erneuten Betreuungsanregung. Die Sachverständige erstattete ein weiteres Gutachten, in dem sie eine Besserung des psychopathologischen Zustands feststellte und nach wie vor keine Indikation für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung sah. Das Betreuungsgericht stellte daraufhin das Betreuungsverfahren erneut ein.

Anlass für die hier gegenständliche Betreuung war die Anregung eines Krankenhauses, in dem die Betroffene wegen einer Schulterfraktur behandelt wurde. Danach hat die Betroffene mehrmals im Beisein der Ärzte geäußert, dass sie schon öfter häusliche Gewalt durch ihren Ehemann und Sohn erlebt habe. Das Amtsgericht hat die Einholung eines medizinischen Gutachtens angeordnet und einen anderen Sachverständigen bestimmt, der sich als "ärztlicher Gutachter" bezeichnet hat.

Das Amtsgericht hat für die Betroffene schließlich einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungsträgern, Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen sowie Aufenthaltsbestimmung zum Zweck der Heilbehandlung, Kurzzeitpflege und Rehabilitation bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Instanzgerichte die Sachkunde des zuletzt tätigen Gutachters nicht geprüft haben und das Landgericht die Betroffene nicht erneut angehört hat.

1. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen (Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 XII ZB 454/11 FamRZ 2012, 1207 Rn. 12 mwN).

Dem werden die instanzgerichtlichen Entscheidungen nicht gerecht. Obgleich sich dem vom Amtsgericht zuletzt eingeholten Gutachten lediglich entnehmen lässt, dass der Sachverständige "ärztlicher Gutachter" ist, haben weder Amts- noch Landgericht Feststellungen zur Qualifikation des Sachverständigen getroffen. Von der Prüfung dessen Sachkunde war das Gericht auch nicht etwa deshalb befreit, weil in den früheren jeweils eingestellten Betreuungsverfahren bereits eine Ärztin u.a. für Psychiatrie und Psychotherapie als Sachverständige tätig geworden ist. Zwar hat auch sie bei der Betroffenen eine chronische schizophrene Psychose diagnostiziert. Allerdings hat sie in ihren beiden Gutachten im Ergebnis die Anordnung einer Betreuung für nicht indiziert gehalten. Ersichtlich hat das Amtsgericht seine Entscheidung deshalb auch nicht auf diese Gutachten gegründet, sondern die Einholung eines neuen Gutachtens für erforderlich gehalten, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Wenn aber ein Sachverständigengutachten eingeholt wird und das Gericht seine Entscheidung darauf stützt, muss dieses den formalen Anforderungen des § 280 FamFG auch dann genügen, wenn es verfahrensrechtlich nicht obligatorisch ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 15 f.).

2. Ebenfalls zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht von einer erneuten Anhörung der Betroffenen im Beschwerdeverfahren nicht hätte absehen dürfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren immer dann erforderlich, wenn von ihr neue Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten sind, was in der Regel dann der Fall ist, wenn der Betroffene an seinem in der amtsgerichtlichen Anhörung erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 XII ZB 454/11 FamRZ 2012, 1207 Rn. 21).

Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht die Betroffene selbst anhören müssen. Während sie noch bei ihrer Anhörung im amtsgerichtlichen Verfahren ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Bestellung eines Berufsbetreuers erklärt und zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht von ihrem Sohn betreut werden will, hat sie in ihrer Beschwerde das Gegenteil geäußert. Deswegen hätte sich das Landgericht durch eine Anhörung der Betroffenen selbst einen Eindruck davon verschaffen müssen, ob sie tatsächlich nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Mai 2012 XII ZB 454/11 FamRZ 2012, 1207 Rn. 22).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, dass eine Betreuung für die Betroffene anzuordnen ist, spricht im Ergebnis nichts dagegen, ihr einen Berufsbetreuer zu bestellen. Selbst wenn die Bestellung ihres Sohnes zum Betreuer dem Willen der Betroffenen entsprechen sollte, dürfte dies auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zum gewaltsamen Verhalten des Sohnes seiner Mutter gegenüber dem Wohl der Betroffenen i.S.v. § 1897 Abs. 1 Satz 1 BGB zuwiderlaufen.

Vorinstanz: AG Hamburg-Sankt-Georg, vom 26.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 993 XVII P 3651
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 28.03.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 309 T 36/13
Fundstellen
AnwBl 2013, 829
FGPrax 2013, 260
FamRZ 2013, 1800
FuR 2013, 715
NJW 2013, 6
NJW-RR 2013, 1476