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BGH - Entscheidung vom 17.04.2013

XII ZR 23/12

Normen:
EuGVVO Art. 5 Nr. 2

Fundstellen:
FamFR 2013, 311
FamRBint 2013, 88
FamRZ 2013, 1113
MDR 2013, 867
NJW 2013, 2597

BGH, Urteil vom 17.04.2013 - Aktenzeichen XII ZR 23/12

DRsp Nr. 2013/14550

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine auf Erlangung der Auskunft über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt gerichtete Stufenklage

a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist auch für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegeben, mit der Auskunft über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt wird.b) Ist zunächst eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt erhoben worden und wird das Unterhaltsbegehren erst nachträglich im Wege der Stufenklage verfolgt, so hat dies auf die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch dann keinen Einfluss, wenn der Kläger bei Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht mehr in Deutschland wohnt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

EuGVVO Art. 5 Nr. 2 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über die Erteilung von Auskunft und die Zahlung von Trennungsunterhalt.

Die Klägerin besitzt die brasilianische sowie die deutsche Staatsangehörigkeit; der Beklagte hat die brasilianische und die italienische Staatsangehörigkeit. Die Parteien hatten am 25. November 1997 geheiratet. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten sie in den Niederlanden. Im März 2004 trennten sie sich. Die Klägerin zog damals nach Brasilien. Sie hat behauptet, im November 2004 nach Deutschland gezogen zu sein und hier ihren Wohnsitz begründet zu haben. Spätestens seit Anfang des Jahres 2009 wohnt die Klägerin wieder in Brasilien.

Die Klage auf Trennungsunterhalt wurde am 15. August 2005 mit einem bezifferten Zahlungsantrag, mit dem Teilunterhalt begehrt wurde, eingereicht und dem Beklagten am 14. November 2005 an seinem damaligen Wohnort in den Niederlanden zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, hat die Klägerin die Klage umgestellt und im Wege der Stufenklage die Erteilung von Auskunft über das Einkommen des Beklagten nebst Belegen sowie Zahlung von Trennungsunterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt.

Bereits mit Antrag vom 10. Januar 2005 hatte der Beklagte vor einem Gericht in Rio de Janeiro ein "Unterhaltsangebotsverfahren" eingeleitet und beantragt, für seine Ehefrau gerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 Real festzusetzen. Mit Beschluss des brasilianischen Gerichts vom 17. Januar 2005 wurden die Alimente provisorisch in Höhe dieses Angebots festgesetzt. Im Hauptsacheverfahren wurde versucht, der Klägerin als dortiger Verfahrensgegnerin die Antragsschrift unter der dort genannten Anschrift in Rio de Janeiro zuzustellen. Die Zustellung gelang jedoch nicht. Die hiermit in Brasilien beauftragte Gerichtsvollzieherin teilte am 10. Februar 2005 mit, dass die Adressatin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft sei und sich seit ungefähr zwei Monaten in Deutschland aufhalten solle. Auch der Versuch einer erneuten Zustellung im April 2005 misslang. Daraufhin beantragte der Beklagte bei dem brasilianischen Gericht die öffentliche Zustellung. Nachdem weitere Ermittlungen des Gerichts zu keiner anderen ladungsfähigen Anschrift führten, ordnete dieses am 23. Juni 2005 die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an.

Das Amtsgericht hat dem Auskunftsbegehren durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Teilurteil abgeändert und den Auskunftsantrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 XII ZB 197/10 FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2012, 1506 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit beurteile sich im vorliegenden Fall noch nach den Bestimmungen der EG-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EG-Verordnung 44/2001 EuGVVO ). Die Verordnung sei auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil der Beklagte bei Zustellung der Klage seinen Wohnsitz in den Niederlanden und damit in einem Mitgliedstaat gehabt habe. Für die ursprüngliche Klage auf Trennungsunterhalt habe die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestanden, da die Klägerin bei Erhebung der Klage ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Bereits aus zwei erfolglos geführten Scheidungsverfahren ergebe sich, dass sich die Klägerin seit November 2004 in Deutschland aufgehalten habe. Vor allem lasse sich aber dem vorgelegten Entlassungsbericht der M.-Kliniken vom 26. Juni 2008 entnehmen, dass die Klägerin hier bis Juni 2008 in stationärer Behandlung gewesen sei. In dem Bericht werde es als problematisch für den psychischen Zustand der Klägerin beschrieben, dass sie täglich von ihrem Wohnort zur Arbeit fahre, sich gleichzeitig mit der Wohnungssuche beschäftige und zudem mit einer Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber konfrontiert sei. Da die Klägerin ihren Wohnsitz bereits vor der Klageumstellung wieder nach Brasilien verlegt habe, gelte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aber nicht für den mit dem Teilurteil entschiedenen Streitgegenstand der Auskunfts- und Belegstufe. Zwar statuiere der Grundsatz der perpetuatio fori eine Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeit während des Prozesses bestanden hätten, im Entscheidungszeitraum aber nicht mehr vorlägen. Dieser Grundsatz, der auch der EuGVVO zugrunde liege, finde jedoch seine Grenze, wenn ein neuer Streitgegenstand rechtshängig gemacht werde. Diese Grenze gelte auch für die internationale Zuständigkeit. Der Wechsel von der Leistungs- zur Stufenklage sei eine nachträgliche Anspruchshäufung, die von der Rechtsprechung wie eine Klageänderung behandelt werde. Ob zwischen dem ursprünglich bezifferten Leistungsantrag und dem nunmehr unbeziffert geltend gemachten Leistungsantrag Identität bestehe, könne offenbleiben, da der Leistungsantrag in der Berufung nicht angefallen sei. Jedenfalls bestehe keine Identität hinsichtlich der bezifferten Trennungsunterhaltsklage und den Auskunfts- und Beleganträgen. Durch den Übergang zur Stufenklage sei insoweit ein neuer Streitgegenstand hinzugekommen. Bei Eintritt der Rechtshängigkeit dieses Streitgegenstandes hätten die Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht mehr vorgelegen und seien seitdem auch nicht eingetreten. Die Klägerin habe zur Zeit der Zustellung des Schriftsatzes, dem 24. September 2009, nicht mehr in Deutschland gelebt. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht begründet. Da die Klage bezüglich der Auskunfts- und Beleganträge schon mangels internationaler Zuständigkeit abzuweisen sei, könne offenbleiben, ob in dem brasilianischen Unterhaltsangebotsverfahren ein Prozesshindernis für den vorliegenden Rechtsstreit zu sehen sei.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 600 € übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ), steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang. Danach ist das für die Wertbemessung maßgebliche Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, in der Regel nach dem Aufwand zu bemessen, der mit der Erteilung der Auskunft verbunden ist (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 XII ZB 128/09 FamRZ 2010, 964 Rn. 10 und vom 22. April 2009 XII ZB 49/07 FamRZ 2009, 1211 Rn. 9 jeweils mwN). Insofern begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht werterhöhend die Notwendigkeit berücksichtigt hat, die beizubringenden ausländischen Belege übersetzen zu lassen, wodurch zusätzliche Kosten anfallen.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die zunächst erhobene Leistungsklage auf Trennungsunterhalt bejaht.

a) Diese richtet sich hier nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ( EuGVVO = Brüssel I-VO), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76 , 66 EuGVVO ) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO ) im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den Niederlanden als Mitgliedstaaten eröffnet ist. Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen vom 18. Dezember 2008 (ABl. EG 2009 L 7, S. 1 EuUnthVO) ist hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen nicht anzuwenden, da das Verfahren nicht vor dem Datum der Anwendbarkeit, dem 18. Juni 2011 (Art. 76 Satz 3 EuUnthVO) eingeleitet worden ist (Art. 75 EuUnthVO).

b) Nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (vgl. jetzt: Art. 3 Buchst. b EuUnthVO) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in Unterhaltssachen unter anderem vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 59 Abs. 1 EuGVVO richtet sich die Entscheidung, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, nach nationalem Recht. Maßgeblich ist deshalb nach § 7 Abs. 1 BGB , ob die Klägerin sich im Bereich des angerufenen Amtsgerichts ständig niedergelassen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet hatte. Das hat das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Umstände rechtsfehlerfrei bejaht. Es konnte aus den beiden vor dem Amtsgericht eingeleiteten Scheidungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Klägerin längerfristig in den M.-Kliniken behandelt worden war, in Verbindung mit den in dem Entlassungsbericht geschilderten weiteren Umständen zu der Beurteilung gelangen, dass sich die Klägerin hier dauerhaft niedergelassen hatte.

Soweit die Revisionserwiderung diese Feststellungen für unzureichend hält, vermag sie damit nicht durchzudringen. Das in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz, die Klägerin habe nicht in Deutschland gelebt, steht im Widerspruch zu dessen früherem Vortrag. So hat der Beklagte etwa in dem wegen des Trennungsunterhalts eingeleiteten einstweiligen Anordnungsverfahren im November 2005 ausgeführt, die Klägerin habe ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt und vermutlich mit den ihr nicht bekömmlichen Klimaverhältnissen ihre behauptete krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt. Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihm in einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in Deutschland berichtet; Zweifel hieran wurden nicht aufgezeigt. Im Übrigen hat der Beklagte noch im Februar 2009 in dem in Brasilien anhängigen Verfahren zur Begründung seines Begehrens auf Herabsetzung des dort festgesetzten Unterhalts darauf hingewiesen, dass die Klägerin darauf bestehe, in Deutschland zu leben, anstatt sich bei ihrer wirtschaftlich gut situierten Familie in Brasilien aufzuhalten. Auch diese Umstände durfte das Berufungsgericht in seine Beurteilung einbeziehen.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für die von der Klägerin erhobene Stufenklage.

a) Der Begriff "Unterhaltssache" in Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist gemeinschaftsrechtlich autonom auszulegen. Erfasst werden alle Verfahren, deren Gegenstand ein Unterhaltsanspruch ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Unterhalt an, so dass auch mehrere Rechtsbegriffe aus derselben Rechtsordnung unter den Begriff fallen können. Unerheblich ist grundsätzlich ferner, ob eine Leistung periodisch oder durch einen Pauschalbetrag erbracht werden soll (Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 5 EuGVVO Rn. 164, 172; Kropholler/von Hein Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 5 EuGVO Rn. 56; Rauscher/Leible Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 62; Schlosser-Bericht Abl. 1979 C 59/71 Rn. 91, 93). In Betracht kommt auch die Übertragung von Gegenständen des einen (ehemaligen) Ehegatten auf den anderen in (teilweiser) Erfüllung der nachehelichen Unterhaltspflicht (EuGH Slg. 1997 I 1147 van den Boogard/Laumen zum EuGVÜ; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 172). Dementsprechend geht der Europäische Gerichtshof von einem weiten Unterhaltsbegriff aus, von dem auch die im französischen Recht vorgesehenen Ausgleichsleistungen, die nach Art. 270 ff. Code Civile den Charakter einer pauschalen Abgeltung haben, umfasst werden (EuGH IPRax 1981, 19 , 20 De Cavel; vgl. Senatsbeschluss vom 12. August 2009 XII ZB 12/05 FamRZ 2009, 1659 Rn. 15 ff.).

b) Im Hinblick auf dieses weite Verständnis des Begriffs der Unterhaltssache müssen auch die der Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Unterhalt dienenden Hilfsansprüche auf Auskunft und Versicherung der Richtigkeit zu den Unterhaltssachen im Sinne des Art. 5 Nr. 2 EuGVVO gerechnet werden. Eine andere Auslegung verstieße gegen die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis, die, wie der Europäische Gerichtshof mehrfach entschieden hat, bereits Ziele des Brüsseler Übereinkommens (EuGVÜ) waren (EuGH IPRax 2006, 161 , 163 und Slg. 1997 I 3767 Rn. 26 Benincasa). Denn mit der Geltendmachung der Ansprüche auf Auskunft und Unterhalt in einem einzigen Rechtsstreit werden aus prozessökonomischen Gründen aufeinanderfolgende Doppelprozesse über dasselbe Lebensverhältnis verhindert und der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt, seinen Anspruch zu konkretisieren (Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 254 Rn. 1; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 254 Rn. 1). Eine Stufenklage, bei der gemäß § 254 ZPO mit der Klage auf Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit ein zunächst unbeziffertes Zahlungsbegehren verbunden wird, muss deshalb ebenfalls der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO unterfallen.

c) Die Klägerin hatte allerdings zunächst eine Leistungsklage erhoben und den begehrten Unterhalt als Teilunterhalt bezeichnet, weil sie sich zu einer endgültigen Bezifferung nicht in der Lage sah. Als sie mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, ihren Antrag umgestellt und Auskunft über das Einkommen des Beklagten sowie Unterhaltszahlung in noch zu beziffernder Höhe verlangt hatte, hatte sie in Deutschland keinen Wohnsitz mehr. Durch den Umzug der Klägerin nach Brasilien ist indessen die hier begründete internationale Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen.

aa) Der im deutschen Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits wegfallen (perpetuatio fori, BGH Urteil vom 26. April 2001 IX ZR 53/00 NJW 2001, 2477 , 2478 mwN), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar (BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 23 mwN). Er ist auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO anzuwenden.

bb) Von der Geltung dieses Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für gemeinschaftsrechtliche Gerichtsstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates verfehlt würden (EuGH IPRax 2006, 161 Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und IPRax 2006, 149 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; Senatsbeschlüsse BGHZ 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 16 zu Art. 4, 7 HUVÜ 73 und BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 9 zu Art. 8 EuGVVO ). In solchen Fällen muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bleiben, wenn die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient (EuGH Slg. 2006 I-701 Rn. 24 ff.; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 24).

cc) Diese Erwägungen lassen sich auf die nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO bestehende internationale Zuständigkeit übertragen. Nach dieser Bestimmung kann der Unterhaltsberechtigte als Kläger die Klage an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz des Unterhaltsgläubigers dient; ihm soll die Rechtsverfolgung erleichtert und er soll nicht genötigt werden, seine Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist (Kropholler/von Hein aaO Art. 5 EuGVO Rn. 54; Geimer/Schütze aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 157). Dieser Schutzzweck würde zunichte gemacht, wenn von dem Unterhaltsgläubiger verlangt würde, nach einem Umzug in einen anderen Staat vor einem anderen Gericht erneut gegen den Schuldner vorzugehen. Das wäre auch uneffizient, weil es zu einer Häufung der Gerichtsstände und regelmäßig zu einer Verlängerung des Verfahrens führen würde.

dd) Der Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze zwar im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen (BGH Urteil vom 26. April 2001 IX ZR 53/00 NJW 2001, 2477 , 2478; Stein/Jonas/Schumann aaO § 261 Rn. 83; Zöller/Greger aaO § 261 Rn. 12). Eine solche Klageänderung liegt hier aber nicht vor.

(1) Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO stellt der auf Antrag des Klägers zulässige Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, sondern eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO (BGH Urteil vom 21. Februar 1991 III ZR 169/88 NJW 1991, 1893 ; Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Ebenso wird das Übergehen einer zunächst angekündigten zweiten Stufe beurteilt (BGH Urteil vom 15. November 2000 IV ZR 274/99 NJW 2001, 833 ). Auch eine Rückkehr in die erste Stufe wird nach § 264 Nr. 2 ZPO für zulässig gehalten (Zöller/Greger aaO § 254 Rn. 4). Das soll auch für den hier vorliegenden Fall des erstmaligen Übergangs von der Leistungsklage zur Stufenklage gelten (LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 15. November 2005 5 Sa 4/05 [...] Rn. 42; Hk-ZPO/Saenger 5. Aufl. § 254 Rn. 12).

(2) Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Da es um die Frage der internationalen Zuständigkeit geht, ist für die Beurteilung, ob eine Klageänderung, also eine Änderung des Streitgegenstandes, vorliegt, nicht, wie die Revision zu Recht geltend macht, das nationale Prozessrecht heranzuziehen, sondern es ist eine gemeinschaftsrechtlich autonome Interpretation der insoweit maßgeblichen Bestimmungen vorzunehmen.

Art. 27 EuGVVO regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit. Nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Ob derselbe Anspruch betroffen ist, muss aber auch dann beurteilt werden, wenn ein Begehren in einem bereits anhängigen Verfahren noch nachträglich geltend gemacht werden soll. Falls es sich um denselben Anspruch handelt, wäre ein von der anderen Partei über den betreffenden Anspruch eingeleitetes späteres Verfahren auszusetzen. Insofern können aus Gründen der Rechtssicherheit für die Prüfung der Identität der Streitgegenstände keine unterschiedlichen Kriterien gelten. Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht das Verständnis des Begriffs desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 EuGVVO heranzuziehen.

(3) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen (EuGH Slg. 1994 I 5439 Rn. 38 ff. Tatry). Es genügt, wenn die Klagen im Kern den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an (EuGHE 1987, 4861 Rn. 6 Gubisch Maschinenfabrik).

Nach diesen Maßstäben hat der Europäische Gerichtshof das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksamkeit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist (EuGHE 1987, 4861 Rn. 16). Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden (EuGH Slg. 1994 I 5439 Rn. 43 Tatry; vgl. auch Geimer/Schütze aaO Art. 2 EuGVVO ; Kropholler/von Hein aaO Art. 27 EuGVO Rn. 6 ff.; Rauscher/Leible aaO Art. 27 Brüssel I VO Rn. 8 f.; Stein/Jonas/Wagner aaO Art. 27 EuGVVO Rn. 22 ff.). Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten (EuGH Slg. 1994 I 5439 Rn. 43 Tatry).

(4) Unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Leistungsklage auf Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben. Beide beruhen auf demselben Lebenssachverhalt, nämlich der Trennung der Parteien und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, und dienen demselben Zweck, der Durchsetzung der Unterhaltspflicht. Die Anspruchsgrundlagen für die Begehren sind nach dem bis zum Aufenthaltswechsel der Klägerin anwendbaren materiellen deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973, siehe auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ) zwar unterschiedlich, nämlich § 1361 Abs. 1 BGB für den Trennungsunterhalt und § 1361 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1605 BGB für das Auskunftsbegehren. Auskunft kann der Unterhaltsberechtigte aber nur verlangen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Anspruchsgrundlagen. Im Kernpunkt betreffen deshalb sowohl die Leistungsklage als auch die Stufenklage den Unterhaltsanspruch, so dass es sich um denselben Anspruch handelt. Die Unterschiedlichkeit der Klageanträge ist nicht von Bedeutung.

Da der Übergang von der Leistungsklage zur Stufenklage hier somit keine Klageänderung darstellt, war das Amtsgericht für die Stufenklage nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO weiterhin international zuständig. Die Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass nur das dem Auskunftsantrag stattgebende Teilurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Das Berufungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen können, wenn es zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass sich der Auskunftsanspruch aus Erwägungen als unbegründet erweist, die auch dem Zahlungsanspruch die Grundlage entziehen (vgl. BGHZ 94, 268 = NJW 1985, 2405 , 2407).

4. Die vorgenommene Auslegung erfordert keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung. Die Frage der Geltung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat der Europäische Gerichtshof bereits grundsätzlich beantwortet (EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 13 f., 21); der dort vertretenen Auffassung folgt der Senat. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO richtige Auslegung ist aus den aufgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415 Rn. 16, 21; BVerfG NJW 1988, 1456 ; BGHZ 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 30 und BGH Urteil vom 23. Februar 2010 XI ZR 186/09 WM 2010, 647 Rn. 35). Die Frage nach dem Vorliegen einer den Grundsatz der perpetuatio fori einschränkenden Klageänderung ist auf der Grundlage der erfolgten Auslegung sowie unter Heranziehung von Art. 27 EuGVVO ebenfalls zweifelsfrei zu beantworten.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sie mangels Sachprüfung durch das Berufungsgericht nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Vorrangig wird der Frage nachzugehen sein, ob durch das von dem Beklagten in Brasilien beantragte Unterhaltsangebotsverfahren eine anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache begründet worden ist (vgl. Art. 27 EuGVVO ). Diese bestimmt sich nach der lex fori, also nach brasilianischem Recht, und steht der Rechtshängigkeit bei einem deutschen Gericht nur gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird (BGH Urteil vom 10. Oktober 1985 I ZR 1/83 NJW 1986, 2195 ; Stein/Jonas/Roth aaO § 261 Rn. 53; Hk-Saenger aaO § 261 Rn. 4; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 261 Rn. 2).

Für diese Beurteilung dürfte nicht nach Art. 30 Nr. 1 EuGVVO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags vom 10. Januar 2005 bei dem brasilianischen Gericht abzustellen sein. Art. 30 Abs. 1 EuGVVO , der diesen Zeitpunkt für maßgeblich erklärt, dürfte nur heranzuziehen sein, wenn es um die Beurteilung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten geht (vgl. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO ). Nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Max-Planck-Instituts vom 5. Juli 2010 ist nach brasilianischem Recht (Art. 213, 219 CPC) für den Eintritt der Rechtshängigkeit die Zustellung der Klage an den Beklagten erforderlich. Danach dürfte es darauf ankommen, ob eine an die (hiesige) Klägerin erfolgte öffentliche Zustellung in Brasilien wirksam ist oder ob der Wirksamkeit, wie das Amtsgericht angenommen hat, die positive Kenntnis des Beklagten von dem Aufenthalt der Klägerin in Deutschland entgegensteht.

Für die Frage, ob die Streitgegenstände einer Leistungs- oder Stufenklage und das in Brasilien eingeleitete Verfahren identisch sind, dürfte der hierzu zum brasilianischen Recht vertretenen Auffassung Bedeutung zukommen. In dem Gutachten des Max-Planck-Instituts wird unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen brasilianischer Gerichte ausgeführt, die wohl herrschende Meinung lehne eine Identität zwischen einem Unterhaltsangebotsverfahren und einer Unterhaltsklage ab. Das von dem Beklagten vorgelegte Privatgutachten gelangt zu einem anderen Ergebnis. Danach betreffen die zitierten Entscheidungen Fallgestaltungen, die mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar seien. Auch dieser Frage dürfte erforderlichenfalls nachzugehen sein.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. April 2013

Vorinstanz: AG Seligenstadt, vom 18.10.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 F 450/05
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 23.02.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 1 UF 365/10
Fundstellen
FamFR 2013, 311
FamRBint 2013, 88
FamRZ 2013, 1113
MDR 2013, 867
NJW 2013, 2597