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BGH - Entscheidung vom 29.01.2013

KZR 8/10

Normen:
Brüssel-I-VO Art. 5 Nr. 1, 3

BGH, Urteil vom 29.01.2013 - Aktenzeichen KZR 8/10

DRsp Nr. 2013/3354

Folgen der Weigerung einer in der Schweiz ansässigen Firma zur Erteilung von Patentlizenzen i.R.d. Verkaufspraxis der Rabattierung und Ausgestaltung von Vertriebsverträgen

Wird einem Unternehmen von einem in einem Mitgliedstaat der EU ansässigen Konkurrenzunternehmen unter Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen kartellrechtswidriges Verhalten vorgeworfen, das sich ggf. unmittelbar auf den deutschen Markt auswirkt, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht nur bezüglich einer entsprechenden Leistungsklage gegeben, sondern auch für eine negative Feststellungsklage des angeblichen Schädigers eröffnet. Das gilt auch dann, wenn dieser seinen Sitz nicht in einem Mitgliedstaat der EU hat. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO) ist dahin auszulegen, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 14. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

Brüssel-I-VO Art. 5 Nr. 1, 3;

Tatbestand

Die in der Schweiz ansässige Klägerin zu 1 befasst sich mit der Entwicklung, Herstellung und dem Verkauf beschichteter Papierwaren und Folien. Sie vertreibt unter anderem in Deutschland Trägermaterial für Kartenformulare in Endlosform. Die Klägerin zu 2, die ihren Geschäftssitz ebenfalls in der Schweiz hat und zur Unternehmensgruppe der Klägerin zu 1 gehört, ist Inhaberin von Patenten, die bestimmte Formulare zur Übermittlung eines Anschreibens zusammen mit einem Mitgliedsausweis oder dergleichen sowie das Trägermaterial für diese Kartenformulare unter Schutz stellen. Die in Italien ansässige Beklagte entwickelt, produziert und vertreibt Laminate und veredelte Folien verschiedener Art.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. März 2007 beanstandete die Beklagte das Vertriebsverhalten der Klägerin zu 1 und deren Weigerung, Patentlizenzen zu erteilen, als kartellrechtswidrig. Daraufhin erhoben die Klägerinnen die vorliegende negative Feststellungsklage, mit der sie im Berufungsrechtszug zuletzt beantragt haben,

1.

festzustellen, dass die Klägerin zu 1 nicht verpflichtet ist, ihre gegenwärtige Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabattierung und Ausgestaltung der Vertriebsverträge zu unterlassen,

a)

soweit die Klägerin zu 1 ihren Kunden durch proportional zu den gekauften Mengen steigende Skonti Anreize für den Bezug der Materialien FOFIPLAST, FISCOLL und/oder FISTOP TM bietet, und/oder

b)

soweit die Klägerin zu 1 ihren Kunden im Rahmen der Vertriebsverträge patentgeschütztes selbstklebendes Material zur Verarbeitung von Formularen anbietet, ohne diesen Kunden eine Lizenz einzuräumen, welche zum Bezug dieses Materials von anderen Anbietern berechtigen würde, wenn es sich bei den Formularen um solche handelt, die unter den Schutzbereich des europäischen Patents 0 690 794 fallen, und wenn das selbstklebende Material unter den Schutzbereich des europäischen Patents 0 836 953 fällt;

hilfsweise zu 1 a): festzustellen, dass die Klägerin zu 1 nicht verpflichtet ist, ihre gegenwärtige Verkaufspraxis hinsichtlich der Rabattierung und Ausgestaltung der Vertriebsverträge zu unterlassen,

a)

soweit die Klägerin zu 1 ihren Kunden durch proportional zu den gekauften Mengen steigende Skonti-Anreize für den Bezug der Materialien FOFIPLAST, FISCOLL und/oder FISTOP TM bietet, indem sie erklärt:

"Wie im vergangenen Jahr gewähren wir Ihnen auch im Jahr 2007 folgenden Bonus: Umsatz auf FOFIPLAST, FISCOLL und FISTOP TM-Produkte: Ab CHF 250.000 -2%, ab CHF 500.000 -3,5%"

2.

festzustellen, dass der Beklagten im Hinblick auf die zu 1 a) und b) beschriebenen Verhaltensweisen weder ein Beseitigungsanspruch für früheres Verhalten noch ein Schadensersatzanspruch zusteht;

3.

festzustellen, dass die Klägerin zu 2 nicht verpflichtet ist, der Beklagten eine Lizenz bezüglich der europäischen Patente 0 690 794 und 0 836 953 zur Herstellung und/oder Vermarktung von Formularen mit heraustrennbarer Karte mit Ethylenvinylazetat (EVA)-Schicht oder silikonmodifizierter Polyethylen (PE)-Schicht sowie von Trägermaterialien, die eine transparente PP-Deckschichtfolie sowie eine Permanent-Haftkleberschicht besitzen, zu gewähren.

Nach Erhebung der negativen Feststellungsklage haben die Beklagte und die Ritrama AG, eine in der Schweiz ansässige Tochtergesellschaft, über die die Beklagte ihre Produkte nach eigener Darstellung unter anderem in Deutschland vertreibt, vor dem Tribunale di Milano eine Leistungsklage eingereicht, mit der sie geltend machen, die Klägerinnen verhielten sich kartellrechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen steigende Skonti gewährten. Die Beklagte und die Ritrama AG machen Schadensersatzansprüche in Höhe von 1,6 Mio. € geltend und beantragen ferner, die Klägerin zu 2 zur Erteilung von Lizenzen an den in Rede stehenden Patenten zu verurteilen. Über die Leistungsklage ist noch nicht entschieden.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Mit Beschluss vom 1. Februar 2011 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, WuW/E DE-R 3233 Trägermaterial für Kartenformulare):

Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Brüssel-I-VO] dahingehend auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auch für eine negative Feststellungsklage eröffnet ist, mit der vom potenziellen Schädiger geltend gemacht wird, dass dem potenziellen Geschädigten aus einem bestimmten Lebenssachverhalt keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung (hier: Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften) zustehen?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 C-133/11, GRUR 2013, 98 Folien Fischer AG, Fofitec AG/Ritrama SpA):

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine negative Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht, unter diese Bestimmung fällt.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der allein in Betracht kommende Deliktsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO sei für eine negative Feststellungsklage, wie sie hier erhoben sei, nicht gegeben, da mit dieser geltend gemacht werde, dass im Inland gerade keine unerlaubte Handlung begangen worden sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestimmt sich vorliegend nach der Brüssel-I-Verordnung, weil die Beklagte ihren Geschäftssitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat (Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 Brüssel-I-VO). Dass die Klägerinnen nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in der Schweiz ansässig sind, ändert hieran nichts (EuGH, Urteil vom 1. März 2005 C-281/02, Slg. 2005, I-1383 = RIW 2005, 292 Rn. 23 ff. Andrew Owusu; Urteil vom 13. Juli 2000 C-412/98, Slg. 2000, I-5925 = NJW 2000, 3121 Rn. 33 ff. Group Josi).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem mit der negativen Feststellungsklage verbundenen Tausch der Parteirollen. Wer im Sinne von Art. 2 Brüssel-I-VO Beklagter ist, richtet sich nicht nach der materiellen Schuldnerposition, sondern nach der formalen Parteistellung (zu Art. 2 des insoweit inhaltsgleichen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 [nachfolgend: EuGVÜ] BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996 VIII ZR 154/95, BGHZ 134, 201 , 205 mwN; Mankowski in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 2 Brüssel-I-VO Rn. 6; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 2 EuGVVO Rn. 1).

2. Gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO kann eine Person, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) ist der Begriff der unerlaubten Handlung autonom auszulegen. In diesem Gerichtsstand sind alle Klagen zulässig, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne des Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO anknüpft (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 C 167/00, NJW 2002, 3617 Rn. 35 f. Henkel, mwN). Der Begriff des Vertrags wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber einer anderen Person eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 C-27/02, Slg. 2005, I 499 = NJW 2005, 811 Rn. 50 f. Engler, mwN). Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen somit auch Kartelldelikte (Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, GWB , 4. Aufl., § 130 Rn. 340; Fezer/Koos in Staudinger, BGB , Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 374; Kropholler aaO Art. 5 EuGVVO Rn. 74). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (EuGH, NJW 2002, 3617 Rn. 44 ff. Henkel; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 I ZR 163/02, NJW 2005, 1435 Hotel Maritim; Urteil vom 24. Oktober 2005 II ZR 329/03, NJW 2006, 689 ; Urteil vom 8. Mai 2012 VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 13; Gottwald in MünchKomm. ZPO , 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 56; Leible in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 Brüssel-I-VO Rn. 80; Kropholler aaO Rn. 74).

3. Wie der Gerichtshof auf den Vorlagebeschluss des Senats hin entschieden hat, fällt unter Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO auch eine Klage mit dem Antrag festzustellen, dass keine Haftung aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, besteht. Danach hat das Berufungsgericht seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht verneint.

a) Auch bei der negativen Feststellungsklage wird der Streitgegenstand durch die Anträge der klagenden Partei und den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt festgelegt. Diese bestimmen das Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen Gegenstand der gerichtlichen Feststellung sein soll. Dagegen ist der Umfang der vorgerichtlichen Berühmung des Beklagten lediglich für die Frage von Bedeutung, ob das erforderliche Feststellungsinteresse vorliegt (BGH, Urteil vom 16. September 2008 VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 = GRUR 2009, 83 Rn. 12 ff.). Maßgeblich ist mithin, wo das schädigende Ereignis, dessen Beurteilung die klagende Partei erstrebt, eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" in Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO erfasst nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort; st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 C-509/09 u.a., WRP 2011, 1571 Rn. 41 eDate Advertising, mwN).

b) Im Streitfall liegt der Erfolgsort des streitgegenständlichen Verhaltens (auch) in Deutschland. Die Klage ist mit den Anträgen zu 1 und 2 darauf gerichtet festzustellen, dass der Beklagten gegen die Klägerin zu 1 weder Unterlassungsansprüche noch Schadensersatz- oder Beseitigungsansprüche wegen bestimmter, näher beschriebener Verkaufspraktiken der Klägerin zu 1 zustehen. Zur Begründung dieses Begehrens haben die Klägerinnen vorgetragen, dass die Beklagte diese Praktiken als kartellrechtswidrig beanstandet hat. Da die Parteien auch in Deutschland im Wettbewerb stünden und vor allem der deutsche Vertrieb betroffen sein könne, strebe sie eine Klärung durch die deutsche Gerichtsbarkeit an. Der Antrag zu 3 ist auf die Feststellung gerichtet, dass die Klägerin zu 2 nicht verpflichtet ist, der Beklagten eine Lizenz an bestimmten Patenten einzuräumen. Hierzu haben die Klägerinnen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen solchen, aus dem Kartellrecht abgeleiteten Anspruch gegen die Klägerin zu 2 lägen nicht vor.

Die von den Klägerinnen gestellten Anträge beziehen sich demnach jedenfalls auch auf den deutschen Markt. Damit liegt der Erfolgsort des Verhaltens der Klägerinnen, dessen rechtliche Beurteilung den Gegenstand der Klage bildet, auch in Deutschland, weil die Parteien nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen der Klägerinnen auf dem deutschen Markt im Wettbewerb stehen und sich etwaige von ihnen in Abrede gestellte wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der Klägerinnen unmittelbar auf dem deutschen Markt auswirken. Dies gilt sowohl für das von der Klägerin zu 1 praktizierte Rabattsystem als auch für die Weigerung der konzernangehörigen Klägerin zu 2, der Beklagten eine Lizenz an den im Antrag in Bezug genommenen Patenten einzuräumen. Nach dem insbesondere bei Kartelldelikten im Gleichklang mit der Kollisionsregelung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Rom-II-Verordnung für die Bestimmung des Erfolgsorts maßgeblichen Auswirkungsprinzip (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1979 KZR 21/78, NJW 1980, 1224, 1225 BMW-Importe; Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, GWB , 4. Aufl., § 130 Rn. 334; Fezer/Koos in Staudinger, BGB , Internationales Kartellprivatrecht [2010] Rn. 369 ff.; OLG Hamburg, GRUR-RR 2008, 31 ) begründet dies einen Erfolgsort in Deutschland. Der Vortrag der Beklagten, tatsächlich stünden die Parteien auf dem deutschen Markt nicht im Wettbewerb, ist für die Frage der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO nicht maßgeblich.

4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ). Entgegen der Auffassung der Beklagten, auf die sich die Revisionserwiderung stützt, fehlt es nicht am erforderlichen Feststellungsinteresse, das auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 I ZR 201/53, BGHZ 18, 98, 106; Urteil vom 13. Juni 2012 I ZR 228/10, GRUR 2012, 1273 Rn. 12 Stadtwerke Wolfsburg).

Das rechtliche Interesse für die Erhebung einer negativen Feststellungsklage ist gegeben, wenn sie zur Abwehr einer Abmahnung oder sonstigen Rechtsberühmung, die die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen des Abgemahnten berührt, erhoben ist und an der Ernsthaftigkeit des Verlangens des Abmahnenden keine Zweifel bestehen können (BGH, Urteil vom 13. Juni 2012 I ZR 228/10, GRUR 2012, 1273 Rn. 12 Stadtwerke Wolfsburg; Urteil vom 12. Juli 2011 X ZR 56/09, GRUR 2011, 995 Rn. 15 Besonderer Mechanismus; Urteil vom 12. Juli 1995 I ZR 85/93, GRUR 1995, 697 , 699 Funny Paper). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Beklagte hat in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 20. März 2007 der Klägerin zu 1 vorgeworfen, sie behindere sie durch ihre Verkaufspraktiken sowie dadurch, dass sie die Vergabe von Lizenzen ohne vernünftigen Grund verweigere. Das Verhalten der Klägerin zu 1 führe bei ihr der Beklagten und ihren Tochterunternehmen zu erheblichen Beeinträchtigungen, weswegen sie förmlich aufgefordert werde, solches Verhalten unverzüglich einzustellen. Der Bemerkung, die Beklagte wünsche die Meinungsverschiedenheiten gütlich beizulegen, schloss sich der Hinweis an, sie habe den Auftrag zu gerichtlichem Vorgehen erteilt, wenn nicht binnen 20 Tagen eine positive Antwort eintreffe.

Der Umstand, dass sich aus dem Schreiben möglicherweise nicht eindeutig ergibt, ob sich die erhobenen kartellrechtlichen Vorwürfe auch auf Vorgänge auf dem deutschen Markt beziehen, ändert nichts daran, dass dieses Schreiben auch für Deutschland eine Ungewissheit über die kartellrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Verhaltensweisen hervorgerufen hat, die ein Interesse an der gerichtlichen Klärung begründete. Das gilt nicht nur für mögliche Unterlassungsansprüche, sondern auch für Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche. Ob die Beklagte selbst auf dem deutschen Markt auftritt, ist nicht ausschlaggebend, weil sie in dem Schreiben ausdrücklich auch auf Nachteile verweist, die ihren europäischen Tochterunternehmen aus dem beanstandeten Verhalten entstünden. All dies gilt nicht nur für die Klägerin zu 1 als Adressatin des Schreibens, sondern auch für die Klägerin zu 2, die Inhaberin der in dem Schreiben angesprochenen Schutzrechte ist.

Der Einwand der Beklagten, die von den Klägerinnen im Berufungsrechtszug gestellten Anträge seien gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren erheblich enger gefasst und hätten mit dem Schreiben vom 20. März 2007 nichts mehr zu tun, greift nicht durch. Die Beklagte hat in diesem Schreiben das beanstandete Verhalten nur in recht allgemeiner Form umschrieben. Sie hat auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht etwa klargestellt, dass die in jenem Schreiben erhobenen Vorwürfe die Verhaltensweisen nicht umfassen, die Gegenstand der zuletzt gestellten Anträge der Klägerinnen sind. Vielmehr haben die Beklagte und ihre auf dem deutschen Markt tätige Tochtergesellschaft nach Erhebung der negativen Feststellungsklage vor dem Tribunale di Milano eine Leistungsklage gegen die hiesigen Klägerinnen eingereicht, in der sie diesen vorwerfen, sie handelten kartellrechtswidrig, indem sie ihren Kunden proportional zu den Kaufmengen steigende Skonti gewährten und ihre Produkte nicht "verkauften", sondern Zwischenunternehmen eine Lizenz für den Gebrauch der Verarbeitungsmethode erteilten. Sie haben dort ferner die Ansicht vertreten, sie hätten einen kartellrechtlich begründeten Anspruch auf Einräumung einer Lizenz an den betreffenden Schutzrechten. Der Klageschrift lässt sich nicht entnehmen, dass diese Vorwürfe nicht auch für den deutschen Markt erhoben werden. Damit ist die durch das Schreiben vom 20. März 2007 begründete Ungewissheit auch nicht nachträglich entfallen.

Der weitere Einwand der Beklagten, es fehle an einem Feststellungsinteresse der Klägerin zu 1 hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und an einem Feststellungsinteresse der Klägerin zu 2 hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2 ist ebenfalls unbegründet. Die Anträge sind ersichtlich dahin zu verstehen, dass die Feststellung, die Gegenstand der Anträge zu 1 und 2 ist, nur von der Klägerin zu 1, und die Feststellung, die Gegenstand des Antrags zu 3 ist, nur von der Klägerin zu 2 begehrt wird.

5. Da Feststellungen zur Begründetheit der negativen Feststellungsklage nicht getroffen sind, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können.

III. Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen lässt sich nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, ob damit das Nichtbestehen von Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüchen und von Ansprüchen auf Lizenzerteilung nur für Deutschland oder auch für andere europäischen Staaten und gegebenenfalls für welche geltend gemacht werden soll. Den Klägerinnen wird auch im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit der Anträge Gelegenheit zu geben sein, dies klarzustellen.

Sollte sich ergeben, dass die negative Feststellungsklage sich auch auf andere Staaten als die Bundesrepublik Deutschland beziehen soll, wird das Berufungsgericht die Reichweite seiner Kognitionsbefugnis zu prüfen haben (vgl. dazu Leible in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 Brüssel-I-VO Rn. 92; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 20; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG , 5. Aufl., Einl. B Rn. 8a; Glöckner in: Harte/Henning, UWG , 2. Aufl., Einl. Rn. D 25; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 85; Mankowski, RIW 2008, 177, 191 mwN auch zur Gegenauffassung).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 29. Januar 2013

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 09.05.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 315 O 410/07
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 14.01.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 133/08