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BGH - Entscheidung vom 15.05.2013

5 StR 123/13

Fundstellen:
NStZ 2013, 541
StV 2013, 684

BGH, Beschluss vom 15.05.2013 - Aktenzeichen 5 StR 123/13

DRsp Nr. 2013/15048

Erforderlichkeit einer DNA-Analyse bei Verwendung eines Messers zur Körperverletzung für die Identifizierung des Angeklagten als Täter

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 30. November 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a)

mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte im Fall 7 der Urteilsgründe wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Diebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Nach den Feststellungen zu Fall 7 der Urteilsgründe riss der drogensüchtige Angeklagte dem geschädigten Zeugen K. , der an einer Straßenbahnhaltestelle hinter dem Leipziger Hauptbahnhof wartete, in Ausnutzung eines Überraschungsmomentes eine 50 Euro-Banknote aus der Hand und steckte sie in seine Hosentasche. Als der Zeuge den Angeklagten aufforderte, das Geld zurückzugeben, bedrohte dieser ihn mit einem aufgeklappten Taschenmesser. Dem Zeugen gelang es, mit seinem Arm einen vom Angeklagten zielgerichtet geführten Stich abzuwehren, wodurch er sich eine blutende Schnittverletzung am linken Ringfinger zuzog. Nachdem er dem Geschädigten überdies einen Faustschlag versetzt hatte, verließ der Angeklagte unter Mitnahme des Geldes den Tatort.

2. Der Schuldspruch im Fall 7 beruht auf einer sachlichrechtlich unzulänglichen, weil lückenhaften Beweiswürdigung. Dies gilt vor dem Hintergrund einer schwierigen Beweislage: Der Geschädigte, der in der Hauptverhandlung zweimal nicht erschien, hatte bei der Anzeige der Tat einen anderen Tatort bezeichnet als in der Hauptverhandlung, wobei er im Rahmen der Anzeigenerstattung seine - angeblich falschen - Angaben zum Tatort durch eine Skizze noch unterstrichen hatte. Die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten ergibt sich maßgeblich aus seiner subjektiv sicheren Identifizierung durch den Geschädigten anhand eines von diesem bei Durchsicht zweier Lichtbildkarteikästen der Polizei herausgesuchten Fotos. Außerdem war beim Angeklagten vier Tage nach der Tat anlässlich einer anderen Festnahme ein Taschenmesser sichergestellt worden, das der vom Geschädigten beschriebenen Tatwaffe entsprach.

Bei dieser Beweislage - ein weiterer Identifizierungsversuch, etwa im Wege der Wahlgegenüberstellung, war, wohl eingedenk des Umstandes wenig aussagekräftigen wiederholten Wiedererkennens, nicht unternommen worden - hätte die Strafkammer im Urteil nicht gänzlich verschweigen dürfen, wie der geschädigte Zeuge zum Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung ausgesagt hat. Eine Bestätigung sicheren Wiedererkennens hätte zwar keinen beträchtlich vertieften Beweiswert gehabt, jeder Zweifel des Zeugen im Rahmen der persönlichen Konfrontation mit dem Angeklagten in der Hauptverhandlung hätte indes Anlass zu kritischer Hinterfragung der ausschlaggebenden Lichtbildidentifizierung gegeben.

Hinzu kommt, dass sich das Urteil nicht dazu verhält, ob - was angesichts einer dem Geschädigten zugefügten blutenden Wunde (zu deren Verursachung das angefochtene Urteil im Übrigen nicht konstant ist, UA S. 15, 32) als Ermittlungsmaßnahme hochgradig nahe lag - und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis das sichergestellte Messer auf DNA-Spuren des Opfers untersucht worden ist. Der Umstand, dass das Landgericht ein etwa negatives Untersuchungsergebnis wohl nicht als durchgreifend entlastend hätte bewerten müssen, berechtigte es bei der hier gegebenen kritischen Beweislage nicht, zu einer solchen naheliegenden Untersuchung keinerlei ausdrückliche Erwägungen anzustellen.

Schließlich hat das Landgericht den vom Geschädigten in der Hauptverhandlung angegebenen Tatort E. als "Wirkungskreis" des Angeklagten, der dort zeitnah auch andere Straftaten (Fall 3, UA S. 13, sowie zwei weitere zeitnahe Taten, u. a. Fall 6, vgl. UA S. 42) verübt hatte, indiziell gegen ihn verwertet und dabei erwogen, dass der Geschädigte dies bei seinem Aussagewechsel zum Tatort nicht habe wissen können (UA S. 41). Dies hätte es indes angesichts im Urteil festgestellter Umstände hinterfragen müssen: Der Zeuge, der die "Unruhe" des Verteidigers bei seinem überraschenden Aussagewechsel hinsichtlich des Tatorts sofort bemerkte und darauf reagierte (UA S. 40), hatte nämlich selbst - im Zusammenhang mit dem wiederholten Ausbleiben zur Vernehmung - seine Kenntnis darüber bekundet, dass dem Angeklagten noch weitere Taten zur Last lagen (UA S. 39), von denen er auch die Begleitumstände gekannt haben mag.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 7 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 30.11.2012
Fundstellen
NStZ 2013, 541
StV 2013, 684