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BGH - Entscheidung vom 10.04.2013

2 StR 604/12

Fundstellen:
NStZ 2013, 551
NStZ 2013, 6

BGH, Urteil vom 10.04.2013 - Aktenzeichen 2 StR 604/12

DRsp Nr. 2013/8355

Bewertung von Transporttätigkeit eines Beteiligten an Rauschgiftgeschäften als Mittäterschaft oder Beihilfe

1. Bei einer Bewertung von Transporttätigkeit eines Beteiligten an Rauschgiftgeschäften kommt es für die Frage, ob täterschaftliches Handeltreiben angenommen werden muss, nicht entscheidend darauf an, welches Maß an Selbstständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat. 2. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. 3. Mittäterschaftliches Handeltreiben wird daher vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2012 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte für seinen Cousin, den gesondert Verurteilten H. K. , ab März 2010 Heroin. Der Angeklagte war dergestalt in das Absatzsystem seines Cousins eingebunden, dass dieser ihm regelmäßig die seinen Abnehmern zu verkaufende Heroinmenge und den Preis vorgab. Bei den von ihm vorgenommenen Rauschgiftverkäufen verdiente der Angeklagte pro veräußertem Gramm Heroin 2 €. Insgesamt verkaufte der Angeklagte für seinen Cousin bis November 2010 mindestens 2 kg Heroingemisch.

Bei gelegentlichen Auslandsaufenthalten seines Cousins in Marokko hielt der Angeklagte für ihn in F. die Stellung und traf sich nach telefonischer Instruktion auch mit Lieferanten, um für seinen Cousin Heroin anzukaufen. Das erworbene Rauschgift verbrachte der Angeklagte anschließend in die Wohnung des Cousins, die ihm auch selbst als Unterkunft diente. Von dort aus sollte das Heroin an die Abnehmer gewinnbringend weiterverkauft werden. Für die Zeiträume, in denen sich der Angeklagte während der Marokko-Aufenthalte seines Cousins um die Rauschgiftgeschäfte kümmerte, zahlte dieser ihm unabhängig von der verkauften Heroinmenge 1.000 €.

Während solcher Auslandsaufenthalte seines Cousins beschaffte der Angeklagte in drei Fällen am 1. Mai, 25. Juni und 10. Oktober 2010 Heroin. Hierzu traf sich der Angeklagte nach Instruktion durch seinen Cousin jeweils mit dessen Lieferanten, dem gesondert Verurteilten A. , und ließ sich jeweils 1 kg Heroinzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 5% übergeben. Bei der ersten Heroinlieferung vom 1. Mai 2010 übergab der Angeklagte dabei an den Lieferanten auch eine Anzahlung von 3.000 € auf den Ankaufspreis von 13.000 €.

2. Das Landgericht ist der Auffassung, dass der Angeklagte durch seine Beteiligung an den drei Erwerbsgeschäften jeweils täterschaftlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. Zwar habe der Cousin die Treffen mit dem Lieferanten arrangiert, den Angeklagten telefonisch instruiert und das Geld zum Ankauf des Heroins gestellt. Auch habe der Cousin den Kontakt zu den Abnehmern gehalten und Menge sowie Preis der Weiterverkäufe vorgegeben. Die nicht nur untergeordnete Rolle des Angeklagten zeige sich aber schon daran, dass er selbst in nicht unerheblichem Umfang am Gewinn mit einem Anteil von 40% an der Gewinnspanne zwischen Einkaufspreis und Weiterverkaufspreis beteiligt gewesen sei und dementsprechend ein starkes eigenes Interesse am Gelingen der Taten gehabt habe. Als fester Bestandteil der von seinem Cousin organisierten Absatzmaschinerie sei dem Angeklagten gerade während der Marokko-Aufenthalte seines Cousins eine verantwortungsvolle Rolle zugekommen, da er nun auch in Kontakt mit dem Lieferanten getreten sei, größere Rauschgiftmengen in seiner Obhut gehabt und Drogengelder transferiert habe.

II.

Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Die Feststellungen belegen ein täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinreichend.

1. Ob die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu bewerten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Tatbeitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein solches enges Verhältnis des Beteiligten zur Tat besteht, ist nach den gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft in dem Sinne sein, dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Angeklagten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 77; Beschlüsse vom 19. Januar 2012 - 2 StR 590/11, NStZ 2012, 517 und vom 8. Januar 2013 - 5 StR 606/12).

Bei einer Bewertung von Transporttätigkeit eines Beteiligten an Rauschgiftgeschäften kommt es für die Frage, ob täterschaftliches Handeltreiben angenommen werden muss, nicht entscheidend darauf an, welches Maß an Selbstständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Mittäterschaftliches Handeltreiben wird daher vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (vgl. Senat, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219 , 222 ff. mwN; Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 468/07, NStZ 2008, 285 ; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06, NStZ 2007, 288; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324; Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 445/10, aaO; Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 ).

2. Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung der Strafkammer, den Angeklagten als Täter zu verurteilen, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Tatbeiträge des Angeklagten erschöpften sich bei den drei Erwerbsgeschäften nicht in einer untergeordneten Hilfstätigkeit. Er beteiligte sich nicht nur unmittelbar an der Abwicklung der Heroinankäufe, indem er jeweils vom Lieferanten das Rauschgift abholte und dessen Transport zu der Lagerstätte durchführte, von der aus der Weiterverkauf stattfand. Vielmehr führte der Angeklagte während der Auslandsabwesenheit seines Cousins als dessen Statthalter die Rauschgiftgeschäfte und wurde hierfür umsatzunabhängig entlohnt. Weiter war er durch seine Einbindung in das Absatzsystem seines Cousins auch unmittelbar an dessen Rauschgiftverkäufen beteiligt, wenngleich das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, in welchem Umfang die von dem Angeklagten veräußerte Heroingesamtmenge aus den drei von ihm abgewickelten Lieferungen stammte. Zudem hatte er aufgrund seiner erheblichen Gewinnbeteiligung auch ein großes finanzielles Interesse am Gelingen der gesamten Umsatzgeschäfte seines Cousins. Auch hat er - seinem den Feststellungen zugrunde liegenden Geständnis zufolge - selbstständig entscheiden können, wann er Heroin habe verkaufen wollen. Danach ist von den Feststellungen eine täterschaftliche Begehungsweise des Angeklagten hinreichend belegt.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Frankfurt am Main, vom 30.07.2012
Fundstellen
NStZ 2013, 551
NStZ 2013, 6