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BGH - Entscheidung vom 26.06.2013

XII ZB 677/12

Normen:
VersAusglG § 33
VersAusglG § 33 Abs. 1
VersAusglG § 33 Abs. 3

Fundstellen:
FamFR 2013, 397
FamRB 2013, 277
FuR 2013, 648
MDR 2013, 1170

BGH, Beschluss vom 26.06.2013 - Aktenzeichen XII ZB 677/12

DRsp Nr. 2013/17879

Auswirkungen auf die Anpassung der Rentenkürzung wegen Unterhalts bei Abfindung der Unterhaltsansprüche und Zugewinnausgleichsansprüche der geschiedenen Ehegatten durch eine vereinbarte Einmalzahlung

Haben die geschiedenen Ehegatten Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche durch eine vereinbarte Einmalzahlung abgefunden, kommt eine Anpassung der Rentenkürzung wegen Unterhalt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn nicht festgestellt werden kann, welcher Anteil der geleisteten Summe auf den Unterhalt entfällt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 24. Oktober 2012 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.611 €

Normenkette:

VersAusglG § 33 Abs. 1 ; VersAusglG § 33 Abs. 3 ;

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Rente des Antragstellers.

Auf den am 12. Oktober 2010 zugestellten Antrag hatte das Familiengericht die am 25. April 1984 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Beteiligten (im Folgenden: Ehefrau) rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Während der Ehezeit (1. April 1984 bis 30. September 2010, § 3 Abs. 1 VersAusglG ) erwarb der Ehemann Anrechte bei der Antragsgegnerin (Berliner Ärzteversorgung), die Ehefrau Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Versorgungsausgleich wurde dahin geregelt, dass im Wege der internen Teilung zulasten des Ehemanns ein Anrecht von 13,0920 Entgeltpunkten (Steigerungszahl) zu Gunsten der Ehefrau und vom Versicherungskonto der Ehefrau ein Anrecht von 9,4907 Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten des Ehemanns übertragen wurden.

Seit November 2005 bezieht der Ehemann eine Altersrente von der Berliner Ärzteversorgung, die seit März 2012 1.895,07 € beträgt. Ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs hätte die Rente des Ehemanns 2.810,41 € betragen.

Daneben bezieht der Ehemann weitere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Die Ehefrau bezieht eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, verfügt über ein Kapitalvermögen von 165.823,40 € und bewohnt mietfrei ein Familienheim, das seinerzeit zu drei Vierteln in ihrem Eigentum und zu einem Viertel im Miteigentum des Ehemanns stand.

Im Scheidungsverfahren hatte die Ehefrau Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 500 € sowie außergerichtlich Ansprüche auf Zugewinnausgleich in Höhe von rund 94.000 € geltend gemacht, die zwischen den Eheleuten streitig waren. Über diese Ansprüche schlossen die Eheleute im Scheidungstermin am 4. November 2011 folgenden gerichtlichen Vergleich:

"... Der Antragsteller überträgt seinen 1/4-Miteigentumsanteil an der Immobilie O. auf die Antragsgegnerin zum Ausgleich etwaiger Zugewinnausgleichsansprüche sowie Ansprüche der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt. Die mögliche Geltendmachung des sog. Unterhaltsprivilegs gemäß § 33 VersAusglG wird durch die Abfindung der Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin durch diese Vereinbarung nicht berührt. ...

Die Beteiligten verzichten wechselseitig auf weitergehenden nachehelichen Unterhalt, gleich aus welchem Rechtsgrund - auch für den Fall der Not. Sie nehmen den Verzicht wechselseitig an."

Die Ehefrau bezieht keine Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht. Unterhalt zahlt der Ehemann ihr nicht.

Den am 23. März 2012 gestellten Antrag, die Kürzung seiner laufenden Versorgung gemäß § 33 VersAusglG auszusetzen, hat das Familiengericht zurückgewiesen. Das Kammergericht hat die Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen; hiergegen richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Kammergericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Rentenkürzung nach § 33 VersAusglG lägen nur vor, wenn die Kürzung kausal für den Wegfall oder die Verringerung des Unterhalts sei. Die Kürzung habe jedoch dann keinen Einfluss auf eine bestehende Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem ausgleichsberechtigten Ehegatten, wenn dieser wirksam auf Unterhalt verzichtet habe. Das gleiche müsse auch dann gelten, wenn eine Abfindung für einen gesetzlich bestehenden Unterhaltsanspruch geleistet worden sei. Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 5 VAHRG lasse sich auf die derzeit bestehende Rechtslage nicht übertragen, da eine Aussetzung der Kürzung nach § 33 Vers-AusglG auf die Höhe des geschuldeten Unterhaltsanspruchs begrenzt sei. Dafür genüge es nicht, wenn der Verpflichtete über den Zeitpunkt seiner Leistung hinaus in seiner Lebensführung - sei es durch eine Kreditbelastung oder den Verlust von Kapitaleinnahmen - eingeschränkt sein könnte. Darüber hinaus enthalte die Abfindung einen Teilverzicht auf Unterhalt, welcher sich aufgrund der Einbeziehung des Zugewinnausgleichsanspruchs inhaltlich nicht konkretisieren lasse.

2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 17 ff.). Die Vorschrift beruht auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein verfassungswidriger Zustand einträte, wenn der Ausgleichspflichtige neben der grundsätzlich hinzunehmenden Rentenkürzung zusätzlich durch Unterhaltszahlungen belastet wird, durch die er in der Freiheit seiner Lebensführung weiter eingeschränkt würde (BVerfGE 53, 257 , 303 f. = FamRZ 1980, 326 , 335). Dies zu vermeiden entspricht einer in der Gesetzesbegründung zu § 33 VersAusglG hervorgehobenen Zielsetzung (BT-Drucks. 16/10144 S. 72).

b) Wie der Senat bereits entschieden hat, beschränkt § 33 Abs. 3 Vers-AusglG die Aussetzung der Rentenkürzung auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs, den der geschiedene Ehegatte nach § 33 Abs. 1 VersAusglG bei ungekürzter Versorgung hätte. Hierdurch begegnet die gesetzliche Neuregelung auch der Gefahr von Manipulationen durch kollusives Zusammenwirken der Eheleute (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12 - FamRZ 2013, 189 Rn. 19 und vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012, 853 Rn. 23 mwN).

Weiter hat der Senat entschieden, dass die Aussetzung der Rentenkürzung durch die Regelung des § 33 Abs. 3 VersAusglG auch auf das Maß des tatsächlich geschuldeten - ggf. geringeren - Unterhaltsbetrags beschränkt ist (Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12 - FamRZ 2013, 189 Rn. 22). Denn über den tatsächlich zu zahlenden Betrag hinaus tritt eine Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen, durch die er in der Freiheit seiner Lebensführung mehr als zulässig eingeschränkt würde und vor der er deshalb von Verfassungs wegen geschützt werden müsste, nicht ein.

c) Allerdings hat der Bundesgerichtshof zur früheren Vorschrift des § 5 VAHRG entschieden, dass auch dann, wenn der Ausgleichspflichtige den Unterhaltsanspruch des berechtigten Ehegatten im Wege eines Vergleichs durch eine Unterhaltsabfindung ausgleicht, nicht ausgeschlossen sei, dass der Verpflichtete über den Zeitpunkt seiner Leistung hinaus in seiner Lebensführung eingeschränkt ist. Der Verpflichtete könne durch die Leistung einer Abfindung im Einzelfall erheblichen Belastungen ausgesetzt sein, die einer fortlaufenden Unterhaltszahlung gleichkommen könnten. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn der Verpflichtete ein Darlehen habe aufnehmen müssen, um seiner Leistungspflicht aus dem Vergleich nachkommen zu können. Aber auch wenn der Verpflichtete die Abfindung aus eigenen Mitteln habe finanzieren können, müsse er in der Folgezeit auf die sonst erwirtschafteten Erträge aus dem Abfindungsbetrag verzichten. Wie schwer die Abfindung den Verpflichteten belaste, hänge von seiner übrigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ab. Auch könne der Zeitpunkt eine Rolle spielen, zu dem die Abfindung gezahlt wurde. Die Belastung werde umso stärker sein, je näher der Zeitpunkt an dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben liege. Des Weiteren könne von Bedeutung sein, ob der Verpflichtete die Abfindung in einem Betrag oder in mehreren auf eine längere Zeit verteilten Raten zu leisten habe (BGHZ 126, 202 , 205 f. = FamRZ 1994, 1171 , 1172; vgl. auch BSG NJW 1994, 2374 ; BVerwGE 109, 231 ).

Ob diese Rechtsprechung auch auf die Nachfolgeregelung des § 33 VersAusglG übertragen werden kann, ist in der Literatur umstritten (bejahend: Johannsen/Henrich/Hahne Familienrecht 5. Aufl. § 33 VersAusglG Rn. 4; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 965; MünchKommBGB/Gräper 6. Aufl. § 33 VersAusglG Rn. 11; Palandt/Brudermüller BGB 72. Aufl. § 33 VersAusglG Rn. 3; Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 950; Wick Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis Rn. 219; Friederici Praxis des Versorgungsausgleich § 33 VersAusglG Rn. 7; Götsche in: Götsche/Rehbein/Breuers Versorgungsausgleich § 33 VersAusglG Rn. 18; verneinend: KG Beschluss vom 24. Oktober 2012 - 25 UF 50/12 - [...]; Kemper Versorgungsausgleich in der Praxis Kap. X Rn. 39; Gutdeutsch FamRB 2010, 149, 150; Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein/Gutdeutsch/Wagner Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 9. Aufl. Kap. 7 Rn. 324; Heiß FamFR 2011, 291, 292; [...]PK/Breuers 6. Aufl. § 33 VersAusglG Rn. 23 ff.).

Dem würde zwar -entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts -nicht entgegenstehen, dass die Kürzung der Versorgung nicht kausal für den Wegfall oder die Verringerung des Unterhalts ist. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass es auf diesen Kausalzusammenhang nicht ankommt, sondern nur auf das Maß der Doppelbelastung durch Versorgungskürzung und Unterhaltsbelastung (Senatsbeschluss vom 7. November 2012 -XII ZB 271/12 -FamRZ 2013, 189 Rn. 20).

Zweifelhaft könnte die Übertragung der Rechtsprechung zum früheren § 5 Abs. 1 VAHRG jedoch deswegen sein, weil es für eine vollständige Aussetzung der Kürzung der Versorgung nach dieser Vorschrift genügte, dass der Berechtigte gegen den Verpflichteten überhaupt einen Unterhaltsanspruch gleich welcher Höhe hat, während die Aussetzung der Kürzung nach § 33 VersAusglG nunmehr von der Höhe des tatsächlich geschuldeten Unterhalts abhängt. Einem laufend geschuldeten Unterhalt könnte der im Vorhinein entrichtete Abfindungsbetrag daher nur dann gleichstehen, wenn er in bestimmter Höhe auf einzelne Unterhaltsmonate umgerechnet werden könnte (Johannsen/ Henrich/Hahne Familienrecht 5. Aufl. § 33 VersAusglG Rn. 4; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 965; aA offenbar Götsche in: Götsche/ Rehbein/Breuers Versorgungsausgleich § 33 VersAusglG Rn. 18).

Ob und ggf. nach welchem Umlegungsmaßstab dies in Betracht kommen könnte, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn die rechnerische Umlegung eines gezahlten Unterhaltsabfindungsbetrages auf einen bestimmten Unterhaltszeitraum, für den dann die Aussetzung der Kürzung der Versorgung beansprucht werden könnte, setzt zumindest voraus, dass der auf die Unterhaltsabfindung entfallende Betrag feststeht. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Nach den getroffenen Feststellungen bezieht sich die vom Ehemann geleistete Abfindung sowohl auf den nachehelichen Unterhalt als auch auf Zugewinnausgleich, ohne dass sich bestimmen ließe, welcher Anteil der geleisteten Summe auf den Unterhalt entfällt. Deshalb ist es nicht möglich zu ermitteln, in welcher Höhe der Ehemann tatsächlich Unterhalt geleistet hat und dadurch nachwirkend laufend belastet ist. Kann dies jedoch nicht festgestellt werden, kommt eine Kürzung der Aussetzung wegen Unterhalt von vornherein nicht in Betracht.

Vorinstanz: AG Berlin-Schöneberg, vom 20.06.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 84 F 96/12
Vorinstanz: KG Berlin, vom 24.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 25 UF 50/12
Fundstellen
FamFR 2013, 397
FamRB 2013, 277
FuR 2013, 648
MDR 2013, 1170