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BGH - Entscheidung vom 13.02.2013

2 StR 542/12

Normen:
StGB § 56 Abs. 2
StPO § 261

BGH, Urteil vom 13.02.2013 - Aktenzeichen 2 StR 542/12

DRsp Nr. 2013/5542

Verletzung von § 261 StGB durch fehlende Auseinandersetzung mit im Urkundenbeweis eingeführten SMS-Nachrichten; Fehlen ausdrücklicher Erörterungen zu § 56 Abs. 2 StGB

Bei der Prüfung des Vorliegens besonderer Umstände im Sinn des § 56 Abs. 2 StGB ist eine (bloße) Wiederholung der unmittelbar zuvor dargestellten Strafzumessungsumstände nicht erforderlich.

Tenor

1.

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Mai 2012 wird als unbegründet verworfen.

2.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten hierdurch entstandenen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StGB § 56 Abs. 2 ; StPO § 261 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat es Wertersatzverfall in Höhe von 750 Euro angeordnet. Vom Vorwurf der Beteiligung an weiteren fünf Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hat das Landgericht die Angeklagte freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die sich mit zwei Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen den Schuld- und Strafausspruch im Fall 7 und den Strafausspruch im Fall 6 wendet und vom Generalbundesanwalt nur im Hinblick auf die beiden Strafaussprüche vertreten wird, ist unbegründet.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte die an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus leidende Angeklagte im Jahr 2011 mit dem 10 Jahre älteren Mitangeklagten L. zusammen. Dieser nahm in der Beziehung eine stark dominierende Rolle ein; die Angeklagte war von ihm in hohem Maß emotional und in ihrem Sozialleben abhängig. Der Mitangeklagte war heroinabhängig und finanzierte seinen Eigenkonsum, indem er Heroin an die - nicht revidierende - Mitangeklagte S. verkaufte, die ihrerseits hochgradig heroinabhängig war und in Kleinmengen Handel trieb. Die Angeklagte selbst konsumierte nur gelegentlich Drogen.

Der Mitangeklagte L. verbüßte ab 25. Mai 2011 Strafhaft. Während dieser Zeit übernahm die Angeklagte R. seine Geschäfte mit der Mitangeklagten S. . Als diese sie davon unterrichtete, dass sie wieder Heroin erwerben wollte, informierte die Angeklagte ihren Lebensgefährten. Auf seine Veranlassung holte sie 100 Gramm Heroingemisch aus einem zuvor nur ihm bekannten Versteck und übergab davon 20 Gramm (Wirkstoffgehalt 2,7 Gramm) an S. ; die restlichen 80 Gramm versteckte sie wieder (Fall 6).

Am 23. Juni 2011 fragte die Mitangeklagte S. ein weiteres Mal nach Heroin. Die Angeklagte beschloss, solches selbst zu erwerben, um es an S. weiterzuverkaufen. Sie fuhr mit einem Bekannten zunächst in die Niederlande, sodann nach A. , wo sie 302 Gramm Heroin mit einem Hydrochlorid-Anteil von 33,6 % erwarb. Diese Menge wurde kurz nach dem 30. Juni 2011 in ihrer Wohnung sichergestellt (Fall 7).

In beiden Fällen handelte die Angeklagte in der Absicht der Gewinnerzielung. Sie wollte auf diese Weise Geld verdienen, um eine von ihrem Lebensgefährten L. geplante Drogentherapie bezahlen zu können; dies wäre ihr von ihrem geringen Arbeitseinkommen nicht möglich gewesen.

2. Die auf § 261 StPO gestützten Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.

a) Die Staatsanwaltschaft rügt, das Landgericht habe im Urkundenbeweis eingeführte SMS-Nachrichten nicht oder nicht erschöpfend gewürdigt, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergaben, dass im Fall 7 das Heroin nicht in A. , sondern bereits zuvor in den Niederlanden erworben und von der Angeklagten eingeführt worden war.

Die Rüge ist zulässig, aber - wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - unbegründet. Aus den zitierten Kurznachrichten ergab sich unmittelbar nicht mehr, als dass die Angeklagte in die Niederlande fuhr und sich dort unter konspirativen Umständen mit einer unbekannten Person traf. Das Landgericht hat die betreffenden Kurznachrichten im Urteil erwähnt und teilweise wiedergegeben. Die Annahme, es könne übersehen haben, dass sich aus ihnen - wie überhaupt aus der Fahrt in die Niederlande - Anhaltspunkte für einen Erwerb des Heroins bereits dort ergaben, liegt fern. Gegen eine Einfuhr aus den Niederlanden sprach allerdings die anschließende Fahrt nach A. . Im Ergebnis mangelt es daher nicht an einer Verwertung der eingeführten Beweismittel; die Rüge der Staatsanwaltschaft richtet sich vielmehr gegen die nach ihrer Ansicht unzureichende oder fehlerhafte Würdigung. Dies kann mit der Verfahrensrüge nicht geltend gemacht werden.

b) Die auf § 261 StPO gestützte Rüge, das Landgericht habe sich mit den Kurzmitteilungen Nr. 276 und 278 nicht auseinandergesetzt, obwohl sich aus ihnen Anhaltspunkte für eine eigennützige Tatmotivation der Angeklagten ergeben hätten, hat - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - keinen Erfolg. Es ist schon fraglich, ob die Rüge zulässig erhoben ist. Die beiden vorgetragenen SMS standen ersichtlich in einem Frage-/Antwortzusammenhang, ohne dessen Kenntnis die Würdigung kaum nachvollzogen werden kann. Hierzu ist nichts vorgetragen.

Jedenfalls ist die Rüge unbegründet. Die Angeklagte hatte in den beiden Nachrichten vom 27. Mai 2011 an die Mitangeklagte S. zum Ausdruck gebracht, sie habe kein Geld mehr ("sitze total auf dem Trockenen"); daher "wäre (es) super", wenn S. ihr Geld gebe.

Zum einen hat das Landgericht hier schon nicht sicher festgestellt, dass es bei dem von S. erbetenen Geld um Erlöse aus Betäubungsmittelgeschäften ging; zum anderen hat es der Angeklagten durchweg zugutegehalten, dass sich ihre - im Sinn von § 29 Abs. 1 BtMG eigennützige - Tatmotivation darauf bezogen habe, das Geld für eine Drogentherapie des Mitangeklagten L. zu verdienen. Dieser Annahme mussten die beiden zitierten SMS aber nicht zwingend und auch nicht in einem solchen Maß widersprechen, dass ihre ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen unabdingbar war. Das Landgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, wie sich die Finanzierung des Lebensunterhalts und das "Ansparen" der Therapiekosten im Einzelnen gestalteten oder gestalten sollten. Es liegt nicht nahe anzunehmen, dass die genannte Strafzumessungserwägung davon ausgegangen sei, es habe eine strikte - quasi buchhalterische - Trennung zwischen privaten Lebenshaltungskosten und "Sparleistungen" bestanden. Die Erwägung des Tatrichters zielt vielmehr erkennbar auf die allgemeine Motivation der Angeklagten ab, die kein eigenes Interesse an Drogengeschäften hatte, sondern sich vollständig den Interessen ihres Lebensgefährten unterordnete. Dass diese Motivation an der tatbestandlichen Eigennützigkeit ihres Handeltreibens nichts änderte, hat das Landgericht gesehen.

3. Auch die Sachrüge ist unbegründet.

a) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, dass ein Fall, in welchem ausdrückliche Erörterungen des § 56 Abs. 3 StGB in den Urteilsgründen erforderlich waren, hier ersichtlich nicht vorlag.

b) Auch das Fehlen ausdrücklicher Erörterungen zu § 56 Abs. 2 StGB führt vorliegend nicht zur Rechtsfehlerhaftigkeit des Urteils. Das Landgericht hat die Aussetzung der Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung zwar unmittelbar allein mit Argumenten begründet, die dem Gesichtspunkt der (positiven) Sozialprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB zuzuordnen sind (UA S. 35). Die Rüge der Staatsanwaltschaft übersieht aber, dass der Tatrichter vorangehend über vier Seiten lang Strafzumessungsgesichtspunkte dargestellt und abgewogen hat, die ihn zur Annahme eines minder schweren Falls bewogen haben (UA S. 31 bis 34). Hier ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten aufgeführt, die den Fall nicht allein im Hinblick auf die Schuldschwere als Ausnahmefall darstellten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des § 56 Abs. 2 StGB ("besondere Umstände") Gewicht erlangen mussten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür anzunehmen, das Landgericht könne übersehen haben, dass für die Strafaussetzung zur Bewährung hier über eine positive Prognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB hinausgehende, besondere Gründe erforderlich waren. Eine (bloße) Wiederholung der unmittelbar zuvor dargestellten Umstände war daher - obgleich ein Hinweis jedenfalls klärend gewesen wäre - nicht erforderlich.

Von Rechts wegen