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BGH - Entscheidung vom 07.03.2013

VII ZR 119/10

Normen:
VOB/B § 4 A
VOB/B § 4 Nr. 7 S. 3
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BauR 2013, 1129
MDR 2013, 772
NJW 2013, 1528
NZBau 2013, 430
NZBau 2013, 6
ZfBR 2013, 454

BGH, Urteil vom 07.03.2013 - Aktenzeichen VII ZR 119/10

DRsp Nr. 2013/7389

Anspruch des Auftraggebers gemäß § 4 Nr. 7 S. 1 (jetzt § 4 Abs. 7 S. 1) VOB/B auf Beseitgung bereits vorhandener Mängel und vertragsgerechter Herstellung des Werks

a) Der Auftraggeber kann gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 (jetzt § 4 Abs. 7 Satz 1) VOB/B vor der Abnahme verlangen, dass bereits vorhandene Mängel beseitigt und das Werk vertragsgerecht hergestellt wird. Er kann jedoch, wie nach der Abnahme, keine bestimmte Art der Mängelbeseitigung oder vertragsgerechten Herstellung verlangen, wenn der Vertrag auch auf andere Weise erfüllt werden kann. Neuherstellung kann der Auftraggeber nur dann fordern, wenn die vertragsgerechte Erfüllung auf andere Weise nicht möglich ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 28/10, BauR 2011, 1336 = NZBau 2011, 413 = ZfBR 2011, 550).b) Der sachkundig beratene Auftraggeber kann regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Der Auftragnehmer hat die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn sich die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 16. Juni 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

VOB/B § 4 Nr. 7 S. 3; VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1 ; VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 2 S. 1;

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 als Architektin und die Beklagte zu 2 als ausführendes Unternehmen gesamtschuldnerisch auf Erstattung der Kosten für den Austausch von Fensterelementen und auf Schadensersatz in Anspruch. Widerklagend beansprucht die Beklagte zu 2 restlichen Werklohn.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte zu 1 im Zusammenhang mit der Errichtung von 24 Reihenhäusern mit Architektenleistungen gemäß Leistungsphasen 4 bis 7 nach § 15 Abs. 2 HOAI a.F. und der Bauüberwachung beim Ausbau der Reihenhäuser Nr. 8 bis 13. Im Februar 2000 erstellte die Beklagte zu 1 eine funktionale Leistungsbeschreibung über Tischlerarbeiten, Fenster und Außentüren. Auf dieser Grundlage schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2 im Jahr 2000 unter Einbeziehung der VOB/B einen Vertrag über die Lieferung und Montage der ausgeschriebenen Fenster- und Türelemente. Die Arbeiten wurden bis September 2001 ausgeführt.

Schon während der Bauausführung kam es zu Wasser- und Windeintritten im Bereich der Fenster, die die Beklagte zu 2 nicht beseitigen konnte. Der hinzugezogene Sachverständige Ib. stellte fest, dass die Fenster konstruktionsbedingt nicht dicht seien und ausgetauscht werden müssten. Bereits die Beklagte zu 1 hatte diese Auffassung zuvor vertreten und der Klägerin trotz der Einwendungen der Beklagten zu 2, die einen Austausch der Fenster nicht für notwendig hielt, geraten, den Austausch der Fenster vorzunehmen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte zu 2 unter Setzung einer Frist verbunden mit der Androhung der Entziehung des Auftrags zum Austausch der Fenster auf. Dieser Aufforderung ist die Beklagte zu 2 nicht nachgekommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Gutachtens abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, nach Einholung eines weiteren Gutachtens, die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung des restlichen Werklohns der Beklagten zu 2.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Die Revision gegen die Beklagte zu 2

1. Das sachverständig beratene Berufungsgericht hat die Klageforderung mit der Begründung abgewiesen, der Aufwand für die Mängelbeseitigung sei unverhältnismäßig gewesen. Zwar seien die ausgetauschten Fenster mangelhaft und nicht von der ausgeschriebenen Beschaffenheit. Für eine Mängelbeseitigung hätte es aber ausgereicht, die Falzdichtungen auszutauschen. Ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Werklohnverlangen stehe der Klägerin nicht zu, denn sie habe eine unverhältnismäßige Mängelbeseitigung von der Beklagten zu 2 verlangt.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 sind die VOB/B (1998) und das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ).

a) Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B kann der Auftraggeber nach Kündigung (§ 4 Nr. 7 Satz 3, § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ) den noch nicht vollendeten Teil der Leistungen zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen lassen und Ersatz des etwa entstehenden weiteren Schadens ersetzt verlangen. Der Auftraggeber kann Erstattung der Fremdnachbesserungskosten verlangen, die er als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Hat er sich sachkundig beraten lassen, kann er regelmäßig die Fremdnachbesserungskosten verlangen, die ihm aufgrund dieser Beratung entstanden sind. Das mit der sachkundig begleiteten Beurteilung einhergehende Risiko einer Fehleinschätzung trägt der Auftragnehmer. Dieser hat deshalb die Kosten selbst dann zu erstatten, wenn sich die zur Mängelbeseitigung ergriffenen Maßnahmen im Nachhinein als nicht erforderlich erweisen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 63/90, BauR 1991, 329 , 330 = ZfBR 1991, 104 , 105; Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01, BGHZ 154, 301 , 305; Urteil vom 27. Mai 2010 - VII ZR 182/09, BauR 2010, 1583 Rn. 19 = NZBau 2010, 556 Rn. 19 = ZfBR 2010, 664 ).

b) Das Berufungsgericht hat zwar Bezug genommen auf die Rechtsprechung des Senats, jedoch die dargestellten Grundsätze nicht zutreffend angewandt.

Die Klägerin hat ihre Entscheidung, zur Mängelbeseitigung Fenster auszutauschen, auf der Grundlage sachverständiger Beratung getroffen. Sowohl der im Einvernehmen aller Parteien hinzugezogene Sachverständige Ib. als auch die Beklagte zu 1 haben den Austausch der Fenster gegen solche mit verstärkten Profilen für erforderlich gehalten. Der Austausch der Fenster war geeignet, die Regenundichtigkeit zu beseitigen. Die Klägerin durfte deshalb - wenn die Voraussetzungen der Ersatzvornahme vorlagen - als wirtschaftlich und vernünftig denkende Bauherrin diese Maßnahme beauftragen. Dass der im Nachhinein vom Berufungsgericht bestellte Gutachter einen Austausch der Fenster nicht für erforderlich hielt, geht zu Lasten der Beklagten zu 2 und kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden.

c) Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen daher die Zurückweisung der Berufung nicht. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - keine tatsächlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen von § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B getroffen hat. Für die weitere Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin.

aa) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen für die Ersatzvornahme vorlagen. Die neue Verhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit dazu, dies nachzuholen. Es kommt in Betracht, dass die Klägerin den Austausch der Fenster unabhängig davon fordern konnte, welche Ursache für die Undichtigkeit der Fenster maßgeblich war und inwieweit die Ursache auch ohne Austausch der Fenster hätte beseitigt werden können. Nach der Behauptung der Klägerin waren die Fenster infolge der dauerhaften Feuchtigkeit so stark beschädigt und mit Pilzen befallen, dass sie schon deshalb ausgetauscht werden mussten.

bb) Sollte das nicht der Fall sein, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Summe der bisher nicht weiter aufgeklärten Mängel das Verlangen nach Austausch rechtfertigte.

cc) Ist auch das nicht der Fall, wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die Voraussetzungen der Ersatzvornahme deshalb nicht eintreten konnten, weil die Beklagte zu 2 einen Austausch der Fenster nicht schuldete, die Klägerin aber den Austausch verlangte. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B vor der Abnahme verlangen kann, dass bereits vorhandene Mängel beseitigt und das Werk vertragsgerecht hergestellt wird. Er kann jedoch, wie auch nach der Abnahme (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 28/10, BauR 2011, 1336 = NZBau 2011, 413 = ZfBR 2011, 550; BGH, Urteil vom 24. April 1997 - VII ZR 110/96, BauR 1997, 638 , 639 = ZfBR 1997, 249 , 250), keine bestimmte Art der Mängelbeseitigung oder vertragsgerechten Herstellung fordern, wenn der Vertrag auch auf andere Weise erfüllt werden kann. Neuherstellung kann der Auftraggeber nur dann fordern, wenn die vertragsgerechte Erfüllung auf andere Weise nicht möglich ist (Handbuch Privates Baurecht/Merl, 3. Aufl., § 12 Rn. 697; Leinemann/Sterner, VOB/B , 4. Aufl., § 4 Rn. 138; Oppler in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 18. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 18; Keller in Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB , 4. Aufl., § 4 VOB/B Rn. 250; a.A. unter fehlerhaftem Hinweis auf die vorgenannten Fundstellen Merkens in Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 4 VOB/B Rn. 164). Denn es ist Sache des Unternehmers, wie er den Vertrag erfüllt, soweit die Einzelheiten der Vertragserfüllung nicht vereinbart sind.

Fordert der Auftraggeber eine Maßnahme zur Mängelbeseitigung, die der Auftragnehmer nicht schuldet, so kann nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen gleichwohl das Ersatzvornahmerecht entstehen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2005 - X ZR 276/02, BauR 2006, 524 = NZBau 2006, 116 = ZfBR 2006, 226 ). Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auch zu erwägen haben, ob die Beklagte zu 2 sich darauf berufen darf, dass die Klägerin eine so nicht geschuldete Maßnahme forderte, nachdem die Beklagte zu 2 zunächst vergeblich die Mängelbeseitigung versucht, bei diesen Versuchen die wahre Mängelursache nicht erkannt und - wovon in der Revision zugunsten der Klägerin auszugehen ist - nach Vorlage des ersten Gutachtens eine Mängelbeseitigungsmaßnahme vorgeschlagen hat, die die eigentliche Ursache auch nicht beseitigt hätte.

II.

Die Revision gegen die Beklagte zu 1

1. Das sachverständig beratene Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus §§ 634 , 635 BGB a.F. bestehe nicht. Zwar habe die Beklagte zu 1 es versäumt, die Beanspruchungsgruppe der von der Beklagten zu 2 zu liefernden Fenster vorzugeben. Dieser Mangel habe sich aber nicht ausgewirkt, da die Beklagte zu 2 Fenster der zutreffenden Beanspruchungsgruppe C eingebaut habe.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ).

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich der Planungsfehler der Beklagten zu 1 nicht ausgewirkt hat und deshalb kein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

b) Das Berufungsgericht erwägt aber nicht, ob die Beklagte zu 1 deshalb haftet, weil sie der Klägerin riet, von der Beklagten zu 2 einen Austausch der Fenster zu verlangen, weil nur so eine mangelfreie Leistung möglich sei. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1 kraft einer Stellung als Sachwalterin der Klägerin verpflichtet war, diese über die Mängelursachen zu beraten und eine bestimmte Mängelbeseitigung zu empfehlen. Die Beklagte zu 1 hat die Empfehlung abgegeben, die Fenster zu erneuern. Diese Empfehlung war fehlerhaft. Trifft die Beklagte zu 1 ein Verschulden und ist die Empfehlung kausal für die Entscheidung der Klägerin geworden, die Auswechslung der Fenster zu fordern, so haftet die Beklagte 1 für den daraus entstandenen Schaden.

c) Die Erwägungen des Berufungsgerichts tragen daher die Zurückweisung der Berufung nicht. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs getroffen hat. Dieser ist insbesondere von den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer Haftung der Beklagten zu 2 abhängig.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 7. März 2013

Vorinstanz: LG Rostock, vom 31.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 122/03
Vorinstanz: OLG Rostock, vom 16.06.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 56/07
Fundstellen
BauR 2013, 1129
MDR 2013, 772
NJW 2013, 1528
NZBau 2013, 430
NZBau 2013, 6
ZfBR 2013, 454