Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 06.06.2013

VII ZR 116/11

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 1

Fundstellen:
BauR 2013, 1441

BGH, Beschluss vom 06.06.2013 - Aktenzeichen VII ZR 116/11

DRsp Nr. 2013/16476

Anspruch auf Zahlung von Werklohn für den Rückbau und die Altlastentsorgung eines ehemaligen Sägewerks

Tenor

Der Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. April 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 30.570,28 €

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 296 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Zahlung von Restwerklohn aus abgetretenem Recht der B. GmbH. Der Beklagte ist Inhaber eines Gewerbebetriebes, der Bauvorhaben projektiert und durchführt. Am 14. Dezember 2006 beauftragte er die B. GmbH mit dem Rückbau sowie der Altlastentsorgung eines ehemaligen Sägewerks. Nach vertragsgemäßer Durchführung der Arbeit erteilte die B. GmbH unter dem 9. Februar 2007 eine Schlussrechnung über brutto 429.755,45 €. Anschließend einigten sich die Vertragsparteien auf einen Pauschalpreis in Höhe von insgesamt 370.000 € zuzüglich einer weiteren Rechnung in Höhe von 20.000 €, somit 390.000 €.

Der Beklagte erbrachte bis einschließlich 2. Mai 2008 hierauf Teilzahlungen in Höhe von etwas mehr als 350.000 €. Die anschließend eingeschaltete Klägerin, die ein Inkassobüro betreibt, machte unter dem 8. September 2008 eine Restforderung von 40.339,70 € geltend. Darauf erkannte der Beklagte unter dem 17. September 2008 die Forderung in dieser Höhe zuzüglich weiter entstehender Zinsen an, wobei er Ratenzahlung zusagte. Er leistete noch weitere vier Raten zu je 2.000 €.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 32.339,70 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der nach Zulassung der Revision Klageabweisung erreichen möchte.

II.

1. Das Berufungsgericht hat die Zurückweisung von Vortrag des Beklagten zur Anfechtung des Werkvertrags vom 14. Dezember 2006 wegen arglistiger Täuschung und zur Nichtigkeit wegen sittenwidrig überhöhter Preise als verspätet durch das Landgericht für zutreffend gehalten. Zwar könne nicht die Anfechtungserklärung als solche präkludiert sein, jedoch könne der sie stützende Tatsachenvortrag nach den prozessualen Regeln verspätet sein. Das Landgericht habe insoweit die Präklusionsvorschriften der §§ 282 , 296 Abs. 1 ZPO zutreffend angewandt. Zur Klageerwiderung sei dem Beklagten ordnungsgemäß eine Frist gesetzt worden. Die Klage sei auch schlüssig und hinreichend substantiiert gewesen. Hinzu komme, dass dem Landgericht auch insoweit zu folgen sei, als es ausgeführt habe, dass der Beklagte weder den Anfechtungsgrund noch die Einhaltung der Anfechtungsfrist hinreichend substantiiert dargetan habe.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Urteil beruht, wie die Beschwerde zu Recht rügt, auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten (Art. 103 Abs. 1 GG ).

a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, das Landgericht habe den Vortrag des Beklagten bezüglich der Anfechtung seiner auf den Abschluss des Werkvertrags gerichteten Erklärung und zur Sittenwidrigkeit des Vertrages zutreffend als verspätet zurückgewiesen und insoweit die Präklusionsvorschriften des § 296 Abs. 1 ZPO zutreffend angewandt. Denn es fehlt an jeglicher Feststellung dazu, ob nach der freien Überzeugung des Gerichts die Zulassung des Vortrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Weder das Landgericht noch das Berufungsgericht haben sich hiermit auseinandergesetzt. Insbesondere ist nicht festgestellt worden, dass die Behauptungen des Beklagten bestritten worden seien. Bei einer derart offenkundig fehlerhaften Anwendung einer Präklusionsvorschrift, bei der ein wesentliches Tatbestandsmerkmal ungeprüft bleibt, ist zugleich das rechtliche Gehör der betroffenen Partei verletzt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 - VIII ZR 273/11, NJW 2012, 3787 Rn. 9 m.w.N.).

b) Zu Recht rügt die Beschwerde weiter, dass das Berufungsgericht mit seiner Hilfsbegründung, dass dem Landgericht auch insoweit zu folgen sei, dass der Beklagte weder einen Anfechtungsgrund noch die Einhaltung der Anfechtungsfrist hinreichend substantiiert dargetan habe, ebenfalls gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Denn weder das landgerichtliche Urteil, auf das sich das Berufungsgericht bezieht, noch das Urteil des Berufungsgerichts enthalten eine Begründung für diese Beurteilung. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen, die an die Substantiiertheit eines Parteivortrages zu stellen sind, grundlegend und damit in einer Weise verkannt hat, dass hiermit der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist.

Die Beschwerde legt ausreichend dar, inwieweit der Beklagte zu den Voraussetzungen der Anfechtungsvorschriften vorgetragen hat. Der Beklagte habe im Einzelnen vorgetragen, der Geschäftsführer der B. GmbH habe zur Position 01.02.0500 des Angebots vom 6. Dezember 2006 erläutert, diese betreffe die an die Deponie zu entrichtenden Kosten. Auf die Nachfrage, weshalb in der Schlussrechnung ein geringerer Betrag je Tonne angesetzt sei, habe der Geschäftsführer der B. GmbH erklärt, die Deponie habe aufgrund der erheblichen Mehrmenge einen Preisnachlass von 108,00 € auf 88,75 € pro Tonne gewährt. Die tatsächlichen Deponiekosten hätten aber lediglich 25 € je Tonne betragen, was dem Geschäftsführer schon vor Vertragsschluss bekannt gewesen sei. Hätte der Beklagte gewusst, dass es sich bei dieser Position nicht um den von der Deponie berechneten Preis gehandelt habe, hätte er den Vertrag nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen. Zur Anfechtungsfrist habe der Beklagte vorgetragen, er habe von diesen Vorgängen erstmals im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits Kenntnis erlangt. Da die Anspruchsbegründung dem Beklagten am 19. März 2010 zugestellt worden ist, sei die im Schriftsatz vom 30. Juni 2010 erklärte Anfechtung innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB geschehen.

c) Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer vollständigen Prüfung der Voraussetzungen der Präklusionsvorschriften sowie der Grundsätze der Substantiierung eines Parteivorbringens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

d) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Mit den bisher angestellten Erwägungen lässt sich auch nicht begründen, dass der Beklagte die Verspätung seines Vorbringens nicht genügend entschuldigt habe. Es ist nicht ersichtlich, warum der Beklagte prozessual verpflichtet gewesen sein könnte, früher bei der Gutachterin Nachfrage zu halten. Hierzu müsste jedenfalls ein Anlass bestanden haben. Anlass dazu hätten allenfalls die Kostenfestsetzungsbescheide bieten können. Der Beklagte hat die Bescheide jedoch nach seinem Vorbringen unmittelbar zur Prüfung an die Sachverständige weitergeleitet, so dass er hieraus keine Verdachtsmomente abgeleitet hat.

Vorinstanz: LG Trier, vom 17.08.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 54/10
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 15.04.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 10 U 1077/10
Fundstellen
BauR 2013, 1441