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BGH - Entscheidung vom 14.03.2013

VII ZR 39/12

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 14.03.2013 - Aktenzeichen VII ZR 39/12

DRsp Nr. 2013/7769

Anspruch auf Restwerklohn bei Abrechnung nach Studenlohnarbeiten oder nach Einheitspreisen i.R.e. Zeugenvernehmung und Beweiswürdigung

Tenor

Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Dezember 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten die Klage in Höhe von 180.050,60 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts Celle zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Von einer Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ).

Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde: 193.299,92 €; des stattgebenden Teils: 180.050,60 €

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin, die im Frühjahr 2008 bei drei Bauvorhaben als Nachunternehmerin für die Beklagte tätig geworden ist, verlangt Restwerklohn. Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob eine Abrechnung nach Stundenlohnarbeiten (so die Klägerin) oder nach Einheitspreisen (so die Beklagte) vereinbart worden ist.

Das Landgericht, welches mehrere Zeugen vernommen hat, unter anderem den Bruder des damaligen Geschäftsführers und heutigen Liquidators der Klägerin, den Zeugen S. B., hat eine Stundenlohnvereinbarung aufgrund von Indizien als erwiesen angesehen. Es hat der Klage weitgehend, nämlich in Höhe von 219.271 €, stattgegeben.

Die Berufung der Beklagten war überwiegend erfolgreich. Das Berufungsgericht hat nach Anhörung eines Mitgeschäftsführers der Beklagten eine Stundenlohnvereinbarung als nicht erwiesen erachtet. Den von der Beklagten im Übrigen eingeräumten Restwerklohnanspruch in Höhe von 39.220,40 € hat das Berufungsgericht aufgrund einer Gegenforderung der Beklagten in Höhe 13.249,32 € auf 25.971,08 € nebst Zinsen vermindert.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin einen Restwerklohnanspruch in Höhe von 193.299,92 € nebst Zinsen weiter.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat überwiegend Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe eine Stundenlohnvereinbarung nicht bewiesen. Zwar spreche eine Anzahl von Indizien für eine Stundenlohnvereinbarung, namentlich die abgezeichneten Stundenzettel und Stundenaufstellungen. Die Indizien seien aber nicht ausreichend. Dies beruhe vor allem auf den plausiblen Erklärungen des Mitgeschäftsführers der Beklagten bei seiner Anhörung in zweiter Instanz. Die Klägerin habe die Stundenzettel zur Abrechnung für ihre eigenen Leute benötigt. Danach sei es zumindest zweifelhaft, ob die Parteien die von der Klägerin behauptete Abrechnungsweise vereinbart hätten, wie sie die Klägerin behauptet.

2. Das Berufungsurteil beruht überwiegend auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG . Es ist deshalb insoweit aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO .

a) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil es seine Beweiswürdigung vor allem auf die Angaben des von ihm persönlich gehörten Mitgeschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung gestützt hat. Den damaligen Geschäftsführer und heutigen Liquidator der Klägerin hat das Berufungsgericht hingegen nicht gehört. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, war kein Zeuge bei den Vereinbarungen der Parteien zugegen. Zur Gewährleistung der "Waffengleichheit", wie er aus dem Gleichheitssatz, dem Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleitet werden kann, hätte das Berufungsgericht der Klägerin Gelegenheit geben müssen, ihre Darstellung des Gesprächs im Rahmen einer beiderseitigen Parteianhörung auf der Grundlage des § 141 ZPO oder des § 448 ZPO in den Prozess einzubringen (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2005 XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61 unter II 3 b; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 16; vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889 Rn. 19). Das Verfahren des Berufungsgerichts stellt sich deshalb als Gehörsverletzung dar, weil das Gericht den Vortrag der Klägerin als nicht erwiesen angesehen hat, ohne zuvor auch ihren Geschäftsführer bzw. Liquidator zu hören.

b) Das angefochtene Urteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es auch den früheren Geschäftsführer und jetzigen Liquidator der Klägerin gehört hätte.

c) Nach dieser Maßgabe hat die Beschwerde in Höhe von 180.050,60 € Erfolg (193.299,92 € minus 13.249,32 €).

3. Der Senat hat von der durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit auch zu prüfen, ob angesichts des Umstandes, dass lediglich Arbeitsleistungen erbracht worden sind, ein Werkvertrag vorliegt.

III.

Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ).

Vorinstanz: LG Hildesheim, vom 29.03.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 38/10
Vorinstanz: OLG Celle, vom 29.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 104/11