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BFH - Entscheidung vom 12.06.2013

X K 2/13

Normen:
§§ 198ff GVG
§ 12 GKG
§ 12a GKG
§ 14 GKG
§ 79a Abs 1 Nr 5 FGO
§ 79a Abs 4 FGO
§ 155 Abs 2 FGO
§ 10 Abs 3 FGO
§ 198 GVG
GVG § 198
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
GKG § 12a
GKG § 14 Nr. 3

BFH, Beschluss vom 12.06.2013 - Aktenzeichen X K 2/13

DRsp Nr. 2013/16912

Zustellung einer Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer ohne Zahlung des Gerichtskostenvorschusses

NV: Der Beschluss, die Zustellung der Klage von der Zahlung der Verfahrensgebühr abhängig zu machen, kann nicht durch den Berichterstatter allein getroffen werden.

Von der gemäß § 14 Nr. 3 GKG eingeräumten Möglichkeit, die Klage ohne die Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses zu stellen zu lassen, ist nicht Gebrauch zu machen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos oder mutwillig erscheint.

Normenkette:

GVG § 198 ; GKG § 12 Abs. 1 Satz 1; GKG § 12a; GKG § 14 Nr. 3 ;

Gründe

I. Der Kläger hat am 2. Februar 2013 eine Entschädigungsklage gemäß §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes ( GVG ) wegen der Dauer des beim V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) geführten Verfahrens V S 27/12 (PKH) erhoben.

Die Kostenstelle des BFH erteilte dafür unter dem Az. KostL .../13 ( X K 2/13) eine Kostenrechnung in Höhe von 275 €. Darin wurde dem Kläger gleichzeitig mitgeteilt, dass die Klage dem Beklagten erst nach Zahlung der Verfahrensgebühr zugestellt werden solle, die Bearbeitung der Klage daher vorläufig bis zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs zurückgestellt werde.

Einen Antrag auf

Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Entschädigungsklage

hat der Senat durch Beschluss vom 12. März 2013 X S 12/13 (PKH) zurückgewiesen, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe.

Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung wurde durch Beschluss vom 25. März 2013 unter dem Az. X E 1/13 zurückgewiesen, da die Kostenrechnung rechtmäßig sei. Die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung komme nicht in Betracht.

Der Kläger besteht darauf, einen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens zu haben, ohne dass er zuvor Gerichtskosten zahle.

II. Die Klage ist erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten von 275 € zuzustellen.

1. Der Senat wertet das Begehren des Klägers als Antrag, dem Verfahren ohne vorgängige Zahlung der Gerichtskosten Fortgang zu geben.

Über den PKH-Antrag sowie die Erinnerung ist bereits unanfechtbar entschieden. Nach dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes herzuleitenden Gebot der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 23. April 2009 X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443 , sowie BFH-Beschlüsse vom 22. Juni 2010 VIII B 12/10, BFH/NV 2010, 1846 , und vom 23. April 2012 III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328 ) kann dem Anliegen des Klägers nur noch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Senat das Verfahren betreibt, ohne dass der Kläger zuvor die Kostenrechnung begleicht.

Der Senat hat daher über diese Frage zu beschließen.

2. Der Senat entscheidet gemäß § 10 Abs. 3 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) in der Besetzung von drei Richtern. Eine Zuständigkeit des Berichterstatters gemäß § 79a Abs. 1 , Abs. 4 FGO i.V.m. § 155 Satz 2 Halbsatz 2 FGO besteht nicht.

Zwar sind grundsätzlich die zuletzt genannten Vorschriften in Entschädigungsklageverfahren nach §§ 198 ff. GVG anwendbar (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 20. Februar 2013 X E 8/12, BFH/NV 2013, 763 ). Indes handelt es sich bei dem Beschluss, mit dem über den Fortgang des Verfahrens ohne vorherige Zahlung der Kosten entschieden wird, nicht um eine der in § 79a Abs. 1 FGO abschließend genannten Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Entscheidung "über Kosten" i.S. von § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO .

Bei der Frage, ob das Verfahren nunmehr durchzuführen, namentlich die Klage zuzustellen ist, ist zwar zu prüfen, ob die Kosten zuvor gezahlt sein müssen und ggf. tatsächlich gezahlt wurden. Unter beiden Aspekten wird jedoch keine Entscheidung "über Kosten", sondern eine Entscheidung über den Verfahrensfortgang getroffen. Kostenfragen sind in deren Rahmen lediglich Vorfragen. In ähnlicher Weise entscheidet über die PKH außerhalb der besonderen Konstellationen des § 79a Abs. 1 Nr. 2 , 3 FGO ebenfalls nicht der Berichterstatter allein.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Zustellungsverfügung einer Klage gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO in den Zuständigkeitsbereich des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters (entspr. § 79a Abs. 4 FGO ) fällt (so etwa Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 71 FGO Rz 12, m.w.N.; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 71 Rz 3; Schoenfeld in Beermann/Gosch, FGO § 71 Rz 18f; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 71 FGO Rz 2 beschränkt die Zustellung auf den Vorsitzenden), da im vorliegenden Fall durch Beschluss zu entscheiden ist.

3. Die Zustellung der Klage ist von der vorherigen Zahlung der Gebühr abhängig zu machen.

a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes ( GKG ) soll in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Nach § 12a GKG ist in Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren und strafrechtlicher Ermittlungsverfahren § 12 Abs. 1 GKG entsprechend anzuwenden. Wie die Überschrift des Siebzehnten Titels des GVG zeigt ("Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren"), sind damit die Klagen gemäß §§ 198 ff. GVG gemeint, zu denen auch das vorliegende Verfahren gehört.

Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass damit nicht die Feststellung verbunden ist, das Verfahren V S 27/12 (PKH) sei tatsächlich "überlang" gewesen, sondern lediglich die Feststellung, welchen Inhalt das Begehren des Klägers hat.

b) Ein Ausnahmetatbestand existiert nicht. § 12 Abs. 2 GKG ist ersichtlich nicht einschlägig. Die in § 14 GKG genannten Ausnahmen von der Abhängigmachung liegen nicht vor. Sonstige Umstände, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

aa) Gemäß § 14 Nr. 1 GKG gilt § 12 nicht, soweit dem Antragsteller PKH bewilligt ist. Der PKH-Antrag des Klägers wurde jedoch zurückgewiesen.

bb) Gemäß § 14 Nr. 2 GKG gilt § 12 ebenfalls nicht, wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht. Das ist bei dem Kläger nicht der Fall. Die Gebührenfreiheit im Sinne dieser Vorschrift ist die in § 2 GKG geregelte Kostenfreiheit (vgl. Beschlüsse des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2007 I-10 W 65/07, Das Juristische Büro 2007, 432 sowie vom 17. Juli 2008 I-10 W 5/08, OLG-Report Düsseldorf 2009, 95 ). Sie gilt insbesondere für den Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GKG ).

cc) Gemäß § 14 Nr. 3 GKG schließlich gilt § 12 nicht, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht aussichtslos oder mutwillig erscheint und wenn glaubhaft gemacht wird, dass dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde oder eine Verzögerung dem Antragsteller einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde. Diese Ausnahme liegt schon deshalb nicht vor, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss über die PKH vom 12. März 2013 X S 12/13 (PKH).

Vorinstanz: BFH, vom 11.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen V S 27/12