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BFH - Entscheidung vom 13.06.2013

VI R 37/11

Normen:
§ 3 Nr 12 S 2 EStG 1997
§ 3c EStG 1997
§ 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG 1997
§ 9 Abs 5 EStG 1997
EStG § 9 Abs. 5
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1
EStG § 3 Nr. 12 S. 2

BFH, Urteil vom 13.06.2013 - Aktenzeichen VI R 37/11

DRsp Nr. 2013/21108

Kürzung des Werbungskostenabzugs bei steuerfreiem Aufwendungsersatzhäusliches Arbeitszimmer eines technischen Aufsichtsbeamten einer Berufsgenossenschaft

NV: Steuerfreie Bezüge i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind nur insoweit anzusetzen, als solche Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind.

Normenkette:

EStG § 9 Abs. 5 ; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1; EStG § 3 Nr. 12 S. 2;

Gründe

I. Streitig ist die einkommensteuerrechtliche Behandlung der vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen für ein zu beruflichen Zwecken genutztes Arbeitszimmer.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Diplomingenieur und war im Streitjahr (1997) als technischer Aufsichtsbeamter bei der in X ansässigen Berufsgenossenschaft nichtselbständig tätig. Sein dienstlicher Wohnsitz war Y. Der Kläger beriet im Wesentlichen Betriebe vor Ort, untersuchte Unfallursachen, mögliche Gründe für Berufskrankheiten, erstellte Gutachten sowie Berichte und führte Schulungen in Betrieben und in Schulungszentren durch. Der Kläger hatte bei seiner Arbeitgeberin keinen eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung; soweit er nicht auswärts tätig war, arbeitete der Kläger daher zuhause in nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzten Räumen. Seine Arbeitgeberin zahlte ihm --wie allen technischen Aufsichtsbeamten ohne Arbeitsplatz-- im Streitjahr zum Ausgleich der hierdurch entstehenden Aufwendungen unter der Bezeichnung "TAB-Miete" pauschal monatlich 250 DM, behandelte diesen Betrag als Arbeitslohn und unterwarf ihn dem Lohnsteuerabzug.

Der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1997 bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für Arbeitszimmer des Klägers in Höhe von 10.347 DM geltend. Sie brachten insoweit vor, dass der Kläger an keinem anderen Ort dauerhaft tätig sei, mithin das jeweilige häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde.

Im hier streitigen Einkommensteuerbescheid i.d.F. vom 1. Februar 2007 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur in Höhe von 2.400 DM mit der Begründung, dass das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers bilde.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers bilde. Allerdings seien die von der Berufsgenossenschaft als "TAB-Mieten" erbrachten Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.000 DM teilweise steuerfrei; die Zahlungen seien zwar Arbeitslohn, in Höhe von 2.400 DM aber nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) steuerfreie Bezüge. Danach seien solche Erstattungen insoweit steuerbefreit, als sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar seien. Hier seien die Aufwendungen für die Arbeitszimmer in Höhe von 2.400 DM abziehbar. Die teilweise Steuerfreiheit führe dazu, dass die bislang berücksichtigten Werbungskosten zu kürzen seien. Denn nach § 3c EStG dürften Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem betrieblichen Zusammenhang stünden, nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Deshalb könne der Kläger nur die Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, die den Betrag der steuerfreien Aufwandsentschädigung überstiegen. Hier habe der Kläger im Streitjahr zuletzt Aufwendungen für sein Arbeitszimmer in Höhe von 10.058 DM geltend gemacht. Die bislang berücksichtigten Werbungskosten seien im Hinblick auf § 3c EStG um den Teil zu kürzen, der dem Verhältnis der steuerfrei zu gewährenden Aufwandsentschädigung zu den in dieser Beschäftigungszeit erzielten Gesamteinnahmen entspreche. Deshalb seien im Streitfall die Werbungskosten von bisher 6.342 DM im Verhältnis der steuerfrei gewährten Aufwandsentschädigung von 2.400 DM zu den im Streitjahr erzielten Einkünften in Höhe von 98.269 DM, also um gerundet 2 %, nämlich um 126,84 DM zu kürzen.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,

das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26. November 2010 5 K 119/07 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Der streitige Einkommensteuerbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Entgegen der Auffassung des FG ist keine weitere Steuerbefreiung zu gewähren.

1. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht mehr darüber, dass die vom Kläger genutzten Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers bildeten.

a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG gehörten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung zu den nicht abzugsfähigen Werbungskosten. Dies galt nach Satz 2 dieser Vorschrift dann nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betragen oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hatte. In diesen Fällen war nach Satz 3 1. Halbsatz dieser Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2.400 DM begrenzt; nach Satz 3 2. Halbsatz dieser Vorschrift galt die Beschränkung der Höhe nach dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete.

b) Nach der zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestimmt sich bei einem Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit --teilweise zu Hause und teilweise auswärts-- ausübt, der Mittelpunkt danach, ob er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (Senatsurteil vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448 , BStBl II 2012, 234 , m.w.N.) Diese für den Beruf wesentlichen und prägenden Leistungen werden auch mit dem Begriff des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben. Diese Grundsätze hat das FG im Rahmen seiner Würdigung beachtet. Denn der Kläger war danach vor allem mit der Überwachung der Betriebe beschäftigt, mit deren Beratung und deren Schulung, der Ermittlung von Unfallursachen und der Ursachen von Berufskrankheiten. Die daran anknüpfende Würdigung, dass angesichts dessen der inhaltlich qualitative Schwerpunkt der beruflichen und betrieblichen Betätigung des Klägers vor Ort in den Betrieben gelegen habe und daher dessen häusliches Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie wird von den Klägern auch nicht mehr infrage gestellt.

2. Nachdem das FA im hier streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid einerseits die von der Arbeitgeberin des Klägers für dessen häusliches Arbeitszimmer geleisteten 3.000 DM als Erwerbseinnahmen angesetzt, andererseits dafür den hier höchstmöglichen Werbungskostenabzug in Höhe von 2.400 DM berücksichtigt hat, sind die Einkünfte des Klägers der Höhe nach zutreffend ermittelt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlungen der Arbeitgeberin des Klägers tatsächlich als steuerfreie Erstattung von Aufwendungen i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu qualifizieren sind.

a) Das FG hat im Ergebnis zutreffend aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 2006 IX R 76/01, BFH/NV 2006, 1810 ; Senatsurteil vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163 , BStBl II 2007, 308 ) entschieden, dass steuerfreie Bezüge i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nur insoweit anzusetzen sind, als solche Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind; das sind im Streitfall hier höchstens 2.400 DM nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG . Eine darüber hinausgehende Steuerbefreiung kommt nicht in Betracht.

Nach § 3c EStG dürfen indes Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Das bedeutet im Streitfall, dass die bei den Einkünften des Klägers angesetzten Einnahmen zwar um den steuerfreien Betrag in Höhe von 2.400 DM zu kürzen sind, dass dann aber nach § 3c EStG der Werbungskostenabzug für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers ebenfalls um 2.400 DM zu kürzen ist. Denn die vom Arbeitgeber monatlich geleisteten Zahlungen in Höhe von 250 DM stehen insoweit als steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3c EStG in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten für dessen häusliches Arbeitszimmer. Im Ergebnis führen damit die von der Arbeitgeberin des Klägers geleisteten Zahlungen lediglich in Höhe von 600 DM zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften.

b) Zu dem nämlichen Ergebnis gelangt man im Streitfall auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine steuerfreie Erstattung von Aufwendungen i.S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht vorliegen sollten. Denn in diesem Fall sind einerseits in die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit die Arbeitgeberzahlungen in Höhe von 3.000 DM einzubeziehen, andererseits aber für das häusliche Arbeitszimmer der Werbungskostenabzug ungekürzt in Höhe von 2.400 DM zu gewähren. Damit führen auch auf Grundlage dieser vom FA vertretenen Auffassung die Arbeitgeberzahlungen lediglich in Höhe von 600 DM zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften.

3. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist abzuweisen.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, vom 26.11.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 119/07