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BVerwG - Entscheidung vom 30.08.2012

2 C 1.11

Normen:
LBeamtVGBW § 68 Abs. 5
EStG § 2 Abs. 1 und 2
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG (F2009) § 53 Abs. 7
BeamtVG (F2009) § 108 Abs. 1
BeamtVG (F1998) § 53 Abs. 8 und 9
GG Art. 125a Abs. 1

Fundstellen:
NVwZ-RR 2013, 56

BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 - Aktenzeichen 2 C 1.11

DRsp Nr. 2012/21674

Ruhen; Versorgungsbezüge; Abzug der Werbungskosten; Wahlbeamter auf Zeit; Verwendungseinkommen; Einkommensteuerrecht; Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Der Begriff des Erwerbseinkommens aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (Verwendungseinkommen) im Sinne von § 53 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz .

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2010 sowie der Bescheid des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg vom 19. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2010 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Ruhen der Versorgungsbezüge der Klägerin rückwirkend zum 1. Juli 2009 unter Berücksichtigung der ihr entstehenden Werbungskosten zu berechnen ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

LBeamtVGBW § 68 Abs. 5; EStG § 2 Abs. 1 und 2 ; EStG § 9 Abs. 1 Satz 1; BeamtVG (F2009) § 53 Abs. 7 ; BeamtVG (F2009) § 108 Abs. 1 ; BeamtVG (F1998) § 53 Abs. 8 und 9 ; GG Art. 125a Abs. 1 ;

Gründe

I

Von 1997 bis Ende Juni 2005 stand die Klägerin als Bürgermeisterin im Wahlbeamtenverhältnis auf Zeit im Dienst der Beklagten. Seitdem erhält sie Versorgungsbezüge. Mit Wirkung vom 1. Juli 2009 wurde die Klägerin unter Berufung in ein Wahlbeamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von acht Jahren zur Beigeordneten der Landeshauptstadt Potsdam ernannt.

Ihren Antrag, bei der Berechnung des Ruhens ihrer Versorgungsbezüge die ihr durch den Dienst bei der Stadt Potsdam entstehenden Werbungskosten zu berücksichtigen, lehnte der Kommunale Versorgungsverband ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Für den Begriff des Erwerbseinkommens seien die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht von Bedeutung. Auf die seit dem 1. Januar 1999 geltende Fassung der maßgeblichen Ruhensvorschrift und die dazu ergangene Rechtsprechung könne sich die Klägerin als Wahlbeamtin auf Zeit nicht berufen. Der Gesetzgeber habe zur Besserstellung dieser Beamten gegenüber den sonstigen Versorgungsempfängern ausdrücklich eine frühere Fassung der Ruhensvorschrift als maßgeblich vorgegeben.

Hiergegen richtet sich die Sprungrevision der Klägerin, mit der sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2010 sowie den Bescheid des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg vom 19. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2010 aufzuheben und festzustellen, dass das Ruhen der Versorgungsbezüge der Klägerin rückwirkend zum 1. Juli 2009 unter Berücksichtigung der ihr entstehenden Werbungskosten zu berechnen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Sprungrevision zurückzuweisen.

II

Die Sprungrevision ist zulässig und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) und revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG ). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind bei der Berechnung des Ruhens der Versorgungsbezüge der Klägerin ab dem 1. Juli 2009 die ihr durch ihren Dienst bei der Stadt Potsdam entstehenden Werbungskosten zu berücksichtigen.

1. Für den Zeitraum von Juli 2009 bis Ende 2010 ist die für Beamte der Gemeinden nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fortbestehende Vorschrift des § 53 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Versorgungsreformgesetzes 1998 vom 29. Juni 1998 (- BeamtVG F1998 -, BGBl I S. 1666) maßgeblich. Die Klägerin bezieht als Wahlbeamtin auf Zeit im Ruhestand seit dem 1. Juli 2009 neben den von der Beklagten gezahlten Versorgungsbezügen Erwerbseinkommen aus der Verwendung bei der Stadt Potsdam (Verwendungseinkommen). Damit richtet sich das Ruhen ihrer Versorgungsbezüge gemäß § 53 Abs. 9 Satz 1 BeamtVG F1998 nach § 53 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung. Durch den Verweis auf die bis dahin bestehende Rechtslage soll im Hinblick auf die besondere Stellung der Wahlbeamten auf Zeit sichergestellt werden, dass es für diesen Personenkreis hinsichtlich der Anrechnung von Verwendungseinkommen auf die Versorgungsbezüge bei der bis Ende 1998 bestehenden Rechtslage bleibt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BRDrucks 780/97, S. 42). Die Vergünstigung für diesen Personenkreis besteht insbesondere darin, dass Wahlbeamten auf Zeit auch beim gleichzeitigen Bezug von Verwendungseinkommen und Versorgungsbezügen ein Teil dieser Versorgungsbezüge verbleibt (Mindestbelassung) und außerhalb des öffentlichen Dienstes erzieltes Erwerbseinkommen in geringerem Umfang berücksichtigt wird.

Der Berechnung des Ruhens der Versorgungsbezüge ist danach § 53 in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Beamtenversorgungsgesetzes vom 16. Dezember 1994 (BGBl I S. 3858) zugrunde zu legen.

In seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt ausgeführt, dass für den Begriff des Einkommens im Sinne des Beamtenversorgungsgesetzes nicht die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes maßgeblich sind, sondern von einem eigenständigen Begriff des Einkommens auszugehen ist (z.B. Urteile vom 24. Oktober 1984 - BVerwG 6 C 148.81 -BVerwGE 70, 211 <212 f.> = Buchholz 232.5 § 22 BeamtVG Nr. 2 und vom 11. Juni 1985 - BVerwG 2 C 34.83 - BVerwGE 71, 336 <339> = Buchholz 232.5 § 61 BeamtVG Nr. 3). Dieser Begriff ist inhaltlich jedoch nicht näher konkretisiert worden. Daher hat der Senat im Urteil vom 26. Mai 2011 (- BVerwG 2 C 8.10 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 21 Rn. 11) den Bedeutungsgehalt der als Erwerbseinkommen im Sinne von § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG geltenden Einkunftsarten wegen des identischen Wortlauts des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG und aus gesetzessystematischen Gründen an die einkommensteuerrechtlichen Begriffe angeglichen, sofern nicht Strukturprinzipien des Versorgungsrechts entgegenstehen (Urteile vom 25. August 2011 - BVerwG 2 C 31.10 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 22 Rn. 12, vom 31. Mai 2012 - BVerwG 2 C 18.10 - IÖD 2012, 212 und vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 C 58.11 - Rn. 11 <jeweils zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>). Diese Bezugnahme auf das Einkommensteuerrecht gilt auch für den seit 1999 unverändert gebliebenen Begriff des Verwendungseinkommens, d.h. des Erwerbseinkommens aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst (§ 53 Abs. 8 Satz 2 und 3 BeamtVG ).

Verwendungseinkommen sind einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG . Diese Einkünfte sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Die danach von den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit abzuziehenden Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

Der Entstehungsgeschichte des § 53 Abs. 8 und 9 BeamtVG ist zur Auslegung des Begriffs des Verwendungseinkommens nichts zu entnehmen. Diese Regelungen fassten ab dem 1. Januar 1977 lediglich die zuvor bestehenden Vorschriften des § 158 BBG a.F., § 83 BRRG a.F. und die Bestimmungen der Länder zusammen. Demgegenüber lassen die Materialien zu § 53a BeamtVG , der durch das Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) eingefügt worden ist, darauf schließen, dass sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Versorgungsbezüge am Einkommensteuerrecht orientiert hat.

§ 53a BeamtVG , der in Absatz 6 , dem jetzigen § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG vergleichbar, die relevanten Einkunftsarten bestimmte, regelte bis Ende 1998 die Anrechnung eines solchen Erwerbseinkommens auf das Ruhegehalt, das der Ruhestandsbeamte aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes bezog. Während die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs (BTDrucks 11/5372, S. 26) generell auf die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG verwies, schlug der Bundesrat in seiner Gegenäußerung (a.a.O. S. 40) unter Berufung auf den gegenüber dem Steuerrecht selbstständigen Einkommensbegriff des Versorgungsrechts für die Bestimmung des in die Berechnung einzustellenden Betrages eine pauschalierende, vom Einkommensteuerrecht abweichende Regelung vor. Mit diesem Vorschlag konnte sich der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchsetzen.

Der Neufassung des § 53 Abs. 7 Satz 2 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) kommt hier keine Bedeutung zu. Diese Änderung gilt, wie sich aus Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG ergibt und in § 108 Abs. 1 BeamtVG klargestellt wird, nicht für die Beamten der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Neufassung des Satzes 2, wonach im Rahmen der Einkunftsarten nach Satz 1 anerkannte Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz nicht als Erwerbseinkommen gelten, hat ohnehin keine konstitutive Bedeutung. Vielmehr bringt die Regelung lediglich deklaratorisch den unabhängig vom Wortlaut des § 53 BeamtVG gebotenen Abzug der Werbungskosten zum Ausdruck. Die Änderung dient lediglich dazu, das Urteil des Senats vom 19. Februar 2004 (- BVerwG 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154 <166> = Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8 S. 18) umzusetzen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/7076, S. 161). In diesem Urteil wird unter Hinweis auf die gebotene Gleichbehandlung mit den unberücksichtigt bleibenden Aufwandsentschädigungen klargestellt, dass bei der Bestimmung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vorab die Werbungskosten abzuziehen sind.

Für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum Ende 2010 ergibt sich im Übrigen nichts anderes, wenn, wie von der Klägerin vertreten, das Merkmal des § 53 Abs. 9 BeamtVG F1998 "Verwendungseinkommen nach Absatz 8" so ausgelegt wird, dass sich nur die Rechtsfolge nach dem bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Recht richtet, sich demgegenüber die Frage, ob und in welcher Höhe der Beamte Verwendungseinkommen erzielt, nach der aktuellen Fassung des § 53 Abs. 7 und 8 BeamtVG bestimmt. Denn auch in diesem Fall könnte sich die Klägerin nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG nicht auf die Neufassung des § 53 Abs. 7 Satz 2 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 berufen. Dessen bedarf es auch nicht, weil diese Änderung für den Abzug der Werbungskosten von den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit nur klarstellende Bedeutung hat. Der Begriff des Verwendungseinkommens ist im Hinblick auf Werbungskosten seit 1999 unverändert dahingehend auszulegen, dass diese bei der Ruhensberechnung vorab abzusetzen sind.

2. Ab dem 1. Januar 2011 ist das Landesbeamtenversorgungsgesetz BadenWürttemberg vom 9. November 2010 (- LBeamtVGBW -; Art. 3 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, GBl S. 793) in der Fassung des Gesetzes zur Einbeziehung von Lebenspartnerschaften in ehebezogene Regelungen des öffentlichen Dienstrechts und zu weiteren Änderungen des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg, des Landesbeamtenversorgungsgesetzes Baden-Württemberg und des Versorgungsrücklagegesetzes vom 24. Juli 2012 (GBl S. 482) maßgeblich.

§ 68 Abs. 5 Satz 2 LBeamtVGBW bestimmt ausdrücklich, dass im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit anerkannte Werbungskosten nach dem Einkommensteuergesetz nicht als Erwerbseinkommen gelten. Die Vorschrift des § 68 Abs. 8 LBeamtVGBW, wonach die Versorgungsbezüge eines Wahlbeamten auf Zeit bei Fortführung eines Wahlamts ruhen, ist auf die Klägerin nicht anwendbar. Die Klägerin ist nach einer Unterbrechung von vier Jahren außerhalb von Baden-Württemberg in ein Beamtenverhältnis auf Zeit gewählt worden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Beschluss vom 22. Oktober 2012

Verkündet am 30. August 2012

Vorinstanz: VG Stuttgart, vom 19.10.2010 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 885/10
Fundstellen
NVwZ-RR 2013, 56