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BVerwG - Entscheidung vom 13.09.2012

2 AV 11.12; 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12

Normen:
VwGO § 152a
VwGO § 166
ZPO § 114 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 13.09.2012 - Aktenzeichen 2 AV 11.12; 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12

DRsp Nr. 2012/18921

Anforderungen an die Verbindung und Begründetheit von zwei Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Einlegung von Anhörungsrügen

1. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs bedeutet nicht, dass das Gericht Rechtsansichten eines Beteiligten folgen muss, die es nicht teilt.2. Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Zwischenverfahren nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO ausschließlich dazu dient, über den ursprünglich gestellten Befangenheitsantrag zu entscheiden und die Beschlussunfähigkeit des an sich zur Entscheidung berufenen Gerichts zu überwinden. Ergänzungen der Begründung des ursprünglichen Befangenheitsgesuchs und gänzlich neue Ablehnungsgründe sind mit dieser beschränkten Funktion des Zwischenverfahrens unvereinbar. Wegen dieses beschränkten Gegenstandes des Zwischenverfahrens verpflichtet auch § 86 Abs. 1 VwGO den Senat nicht zu einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts.

Tenor

Die Verfahren BVerwG 2 AV 11.12 bis BVerwG 2 AV 20.12 sowie BVerwG 2 PKH 5.12 bis BVerwG 2 PKH 16.12 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Anträge des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts werden abgelehnt.

Die mit Schreiben des Antragstellers vom 20. August 2012 erhobenen Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen sowie die Anträge auf "Tatbestandsberichtigung" und Beschlussergänzung werden zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

VwGO § 152a; VwGO § 166 ; ZPO § 114 S. 1;

Gründe

1. Die Verbindung sämtlicher Verfahren (§ 93 Satz 1 VwGO ) erfolgt in Ausübung des dem Senat insoweit eingeräumten Ermessens. Hierdurch wird eine einheitliche Bescheidung und Abwicklung der im Kern übereinstimmenden Verfahren gewährleistet.

2. Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts werden abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen (zu 3.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ).

3. Sämtliche im Schreiben des Antragstellers vom 20. August 2012 enthaltenen (Sach-) Anträge - Anhörungsrügen, Gegenvorstellungen und Anträge auf "Tatbestandsberichtigung" sowie Beschlussergänzung - haben keinen Erfolg.

a) Die Anhörungsrügen (§ 152a VwGO ) werden zurückgewiesen. Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich nicht, dass der Senat in seinen Beschlüssen vom 27. Juli 2012 (BVerwG 2 AV 5.12, 2 PKH 1.12; BVerwG 2 AV 6.12, 2 PKH 2.12; BVerwG 2 AV 7.12 bis 2 AV 10.12) sowie in den früheren, vom Antragsteller ebenfalls angeführten Beschlüssen vom 20. Februar 2012 (BVerwG 2 AV 1.12 und 2 AV 2.12) und vom 22. März 2012 (BVerwG 2 AV 3.12 und 2 AV 4.12) - die Zulässigkeit der Anhörungsrügen insoweit unterstellt -den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hätte (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ). Der Senat hat sämtliches entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers in angemessener Weise beschieden. Dass der Senat dabei in verschiedener Hinsicht anderer Rechtsauffassung ist als der Antragsteller, begründet keinen Gehörsverstoß. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG bedeutet nicht, dass das Gericht Rechtsansichten eines Beteiligten folgen muss, die es nicht teilt. Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht in der unterbliebenen Gewährung von Akteneinsicht in nach Ansicht des Antragstellers beizuziehende Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin; insoweit wird auf die Ausführungen unter d) bb) verwiesen.

b) Die vom Antragsteller erhobenen Gegenvorstellungen gegen die vorgenannten Beschlüsse des Senats - ihre Zulässigkeit unterstellt - haben ebenfalls keinen Erfolg. Das Vorbringen des Antragstellers gibt dem Senat keinen Anlass, seine bisherigen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende Bewertung der Sach- und Rechtslage zu korrigieren.

Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das Zwischenverfahren nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO ausschließlich dazu dient, über den ursprünglich gestellten Befangenheitsantrag zu entscheiden und die Beschlussunfähigkeit des an sich zur Entscheidung berufenen Gerichts zu überwinden. Ergänzungen der Begründung des ursprünglichen Befangenheitsgesuchs und gänzlich neue Ablehnungsgründe sind mit dieser beschränkten Funktion des Zwischenverfahrens unvereinbar. Wegen dieses beschränkten Gegenstandes des Zwischenverfahrens verpflichtet auch § 86 Abs. 1 VwGO den Senat nicht zu einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts.

Die vom Antragsteller geltend gemachten Verfahrens- und Grundrechtsverstöße liegen nicht vor.

aa) Der Antragsteller sieht u.a. einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Anspruch auf den gesetzlichen Richter) darin, dass der Senat über die beantragte "Tatbestandsberichtigung" entgegen § 119 Abs. 1 Satz 3 und § 122 Abs. 1 VwGO unter Mitwirkung eines Richters entschieden habe, der an den betreffenden Ausgangsentscheidungen (Beschlüsse vom 22. März 2012) nicht mitgewirkt hatte. Dieser Vorwurf ist unbegründet, weil es sich bei diesem Begehren des Antragstellers nicht um einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung, sondern um einen Antrag auf Ergänzung der Beschlüsse (im Tenor und in den Gründen) um Ausführungen zu einem (nach Ansicht des Antragstellers) unbeschieden gebliebenen Antrag handelt. Dies unterfällt nicht §§ 119 und 122 Abs. 1 VwGO , sondern §§ 120 und 122 Abs. 1 VwGO , die keine Vorgaben zur Besetzung des Gerichts machen. An seiner Auffassung, dass die Beschlüsse vom 22. März 2012 keiner weiteren Änderung in dem vom Antragsteller begehrten Sinne bedürfen, hält der Senat fest.

bb) Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch nicht deshalb vor, weil der Senat über Anträge des Antragstellers in Verfahren entschieden hätte, die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts dem 5. Revisionssenat zugewiesen sind. Dies betrifft die vom Antragsteller in seinem Schreiben vom 15. Juni 2012 unter Ziff. 5 und 6 aufgeführten Anträge zu Klageverfahren betreffend "Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung insbesondere nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG " wegen der Bewerbungsabsage der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 28. April 2011 (VG Bremen 6 K 1458/11) sowie der Bewerbungsabsage des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 9. Juni 2011. Über diesen Ausschnitt seines Rechtsschutzbegehrens hat der beschließende Senat in seinen Beschlüssen vom 27. Juli 2012 nicht entschieden, worauf der Antragsteller bereits unter dem 14. August 2012 hingewiesen worden ist. Sie sind Gegenstand des inzwischen ergangenen Beschlusses des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2012 (BVerwG 5 AV 1.12).

c) Aus den vorstehenden Gründen zu b) aa) müssen auch die im Schreiben vom 20. August 2012 enthaltenen neuerlichen Anträge auf "Tatbestandsberichtigung" bzw. Beschlussergänzung ohne Erfolg bleiben. Auch über sie hat der Senat nicht in der Besetzung der jeweiligen Ausgangsentscheidung zu befinden, weil es sich wiederum nicht um Anträge nach §§ 119 und 122 Abs. 1 VwGO handelt. Das Vorbringen des Antragstellers gibt auch keinen Anlass für eine Ergänzung der früheren Entscheidungen um weitere Ausführungen. Der Senat hat das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, soweit zulässigerweise erhoben, in allen Punkten in einem der Sache angemessenen Umfang beschieden.

d) Sämtliche verfahrensbezogenen Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

aa) Für eine Wiedereinsetzung in Begründungsfristen (sei es in den AV-, sei es in den PKH-Verfahren) sowie für die Einräumung der Gelegenheit zu weiterem Vortrag besteht mit Blick auf den Streitgegenstand (s.o. unter b) kein Grund. Der Antragsteller hat hinreichend Zeit und Gelegenheit zu ausführlichem Vortrag gehabt. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten, in dem ihm bescheinigt wird, "arbeitsunfähig" zu sein, ergibt sich nicht, dass er gehindert gewesen wäre, sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen und mit dem Gericht zu korrespondieren. Dies wird auch durch die zahlreichen Schreiben belegt, die der Antragsteller seit dem 20. August 2012 per Telefax an das Bundesverwaltungsgericht gesandt hat.

bb) Da Gegenstand des Zwischenverfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO nur die ursprüngliche Begründung des Ablehnungsgesuchs ist, hat der Senat keinen Anlass, den Anträgen des Antragstellers auf Beiziehung von Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und auf Gewährung von Akteneinsicht in diese Behördenakten sowie in (inzwischen wieder an das Ausgangsgericht zurückgesandte) Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Bremen zu entsprechen. Auch die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO ) zwingt nicht zur Beiziehung von Behördenakten, die das Gericht nach seiner materiellrechtlichen Rechtsauffassung zur Entscheidung über den Streitgegenstand nicht benötigt. Hiernach bedurfte der Senat weder für eine Bescheidung der neuerlichen Anträge des Antragstellers vom 20. August 2012 der vorstehend bezeichneten Behörden- und Gerichtsakten noch bestand Anlass, dem Antragsteller im h i e s i g e n Zwischenverfahren in diese Einsicht zu ermöglichen.

cc) Seinen Antrag auf Einsichtnahme in die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts der mit seinen Anträgen vom 20. August 2012 eingeleiteten neuerlichen Verfahren hat der Antragsteller nach richterlichem Hinweis, dass diese Akten nichts weiter enthalten als seine eigenen Schreiben sowie die (ihm übersandten) dienstlichen Äußerungen der von ihm wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter des Senats, nicht weiter aufrechterhalten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO .