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BVerwG - Entscheidung vom 12.11.2012

5 PKH 20.12

Normen:
ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
VwGO § 54 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 12.11.2012 - Aktenzeichen 5 PKH 20.12

DRsp Nr. 2013/5618

Ablehnungsgesuch eines Rechtsanwalts gegen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit

1. Von einem missbräuchlichen und somit unzulässigen Ablehnungsgesuch ist auszugehen, wenn tragfähige Gründe für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit weder vorgebracht noch sonst erkennbar sind. 2. Es stellt ein widersprüchliches und damit rechtsmissbräuchliches prozessuales Verhalten eines Beteiligten dar, wenn dieser einerseits eine Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung durch die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts anstrebt, die einen angefochtenen Beschluss gefasst haben, zugleich aber sämtliche Richter, die in dieser Besetzung entschieden haben, gerade wegen der Mitwirkung an demselben Beschluss wegen Befangenheit ablehnt.

Tenor

Das gegen die Richterin und die Richter, die den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 - BVerwG 5 AV 2.12, 5 PKH 16.12 - gefasst haben, gerichtete Ablehnungsgesuch des Antragstellers wegen Besorgnis der Befangenheit wird verworfen. Der Antrag des Antragstellers, ihm zur weiteren Begründung dieses Ablehnungsgesuchs Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Anträge des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts im Hinblick "auf beabsichtigte Anträge nach § 153 VwGO i.V.m. § 579 I ZPO (Wiederaufnahme/Nichtigkeit)" und "für beabsichtigte Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen" gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 - BVerwG 5 AV 2.12, 5 PKH 16.12 - werden abgelehnt.

Die vom Antragsteller gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 - BVerwG 5 AV 2.12, 5 PKH 16.12 - gestellten Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung werden verworfen und der diesbezügliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

ZPO § 42 Abs. 1 ; ZPO § 42 Abs. 2 ; VwGO § 54 Abs. 1 ;

Gründe

1. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers, einem Rechtsanwalt, ist unzulässig (a), so dass sich sein Antrag, ihm zur weiteren Begründung seines Ablehnungsgesuchs Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, als unbegründet erweist (b).

a) Das Ablehnungsgesuch ist unter Mitwirkung abgelehnter Richter als unzulässig zu verwerfen.

Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung abgelehnter Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 und vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 2 B 101.07 - [...] Rn. 4 m.w.N.; vgl. ferner etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 1 BvR 96/10 - NVwZ-RR 2010, 545 f.). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (vgl. etwa Beschlüsse vom 30. Dezember 1993 a.a.O., vom 2. Februar 1998 - BVerwG 2 B 68.97 - [...] Rn. 1 und vom 22. März 2011 - BVerwG 4 B 34.10 - [...] Rn. 3 jeweils m.w.N.; vgl. auch BSG , Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C - [...]; BFH, Beschluss vom 25. August 2009 - V S 10/07 - NJW 2009, 3806 f.). So liegt es hier.

Der Antragsteller lehnt in seinen Schriftsätzen vom 5., 7., 8. und 10. Oktober 2012 neben der Richterin und den Richtern des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts auch "die Richter/-innen des Bundesverwaltungsgerichts Stengelhofen, Dr. Fleuß, Fricke, Dr. Störmer und Dr. Häußler (Beschlüsse vom 23.08. und 19.09.2012 gefasst habend)" als befangen ab. Er begründet seine Ablehnungsgesuche maßgeblich mit der seiner Auffassung nach fehlerhaften Bescheidung seiner Anträge und Gesuche in den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2012 - BVerwG 5 AV 1.12 - und vom 19. September 2012 - BVerwG 5 AV 2.12, 5 PKH 16.12 - und hält die genannten Richterinnen und Richter ohne Hinweis auf individuelle Umstände in pauschaler Weise wegen ihrer Mitwirkung an den vorangegangenen Entscheidungen für befangen. Tragfähige Gründe für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit hat er dabei weder vorgebracht noch sind solche sonst erkennbar. Die behaupteten Rechts- und Verfahrensfehler rechtfertigten, selbst wenn sie vorliegen sollten, weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit die Annahme eines Ablehnungsgrundes (vgl. Beschluss vom 7. April 2011 - BVerwG 3 B 10.11 - [...] Rn. 5 m.w.N.).

b) Der Antrag des Antragstellers, ihm zur weiteren Begründung seines Ablehnungsgesuchs Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, ist jedenfalls unbegründet, weil diese Rechtsverfolgung aus den zuvor genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO ).

2. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts, die der Antragsteller im Hinblick "auf beabsichtigte Anträge nach § 153 VwGO i.V.m. § 579 I ZPO (Wiederaufnahme/Nichtigkeit)" und "für beabsichtigte Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen" gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 (a.a.O.) stellt (Schriftsätze des Antragstellers u.a. vom 5., 7., 8. und 10. Oktober 2012), sind ebenfalls unbegründet. Auch die insoweit beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO ). Der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags lässt sich eine solche Erfolgsaussicht nicht einmal in groben Zügen entnehmen (vgl. Beschluss vom 30. Juli 2012 - BVerwG 5 PKH 8.12 - Rn. 2 m.w.N.). Auch sonst ist eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht ansatzweise ersichtlich.

a) Das gilt zunächst für die beabsichtigte "Anhörungsrüge und Gegenvorstellung" des Antragstellers.

Gegenstand des Beschlusses des Senats vom 19. September 2012 (a.a.O.) waren die vom Antragsteller mit Schreiben vom 7. September 2012 (sowie ergänzendem Schreiben vom 10. September 2012) erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2012 (a.a.O.) sowie seine zu diesem Beschluss gestellten Anträge auf "Tatbestandsberichtigung" und Beschlussergänzung.

Soweit die beabsichtigte Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen den Be-schluss vom 19. September 2012 (a.a.O.) überhaupt zulässig ist, erweist sie sich jedenfalls als offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller hat weder aufgezeigt (§ 152a Abs. 1 Nr. 2 , Abs. 2 Satz 6 VwGO ) noch ist sonst erkennbar, dass der Senat den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 VwGO ). Aus den Schriftsätzen des Antragstellers (u.a. vom 5., 7., 8. und 10. Oktober 2012) ergeben sich insbesondere keine Hinweise darauf, die auf eine solche Rechtsverletzung schließen lassen. Vielmehr ist der Senat in hinreichender Weise auf das Vorbringen des Antragstellers eingegangen und hat dessen Anträge beschieden. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) bedeutet nicht, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen hat. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn das Gericht - wie hier - dem zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Vorbringen nicht folgt, sondern das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts im Ergebnis kein Gewicht beimisst bzw. zu einem Ergebnis gelangt, das der Beteiligte nicht für richtig hält.

b) Ebenfalls keine Erfolgsaussichten haben die vom Antragsteller beabsichtigten "Anträge nach § 153 VwGO i.V.m. § 579 I ZPO (Wiederaufnahme/Nichtigkeit)". Nach Absatz 1 der zuletzt genannten Vorschrift findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4). Eine dieser Voraussetzungen ist hier aber offensichtlich nicht erfüllt.

Soweit der Antragsteller vorbringt (Schriftsatz vom 8. Oktober 2012, S. 4 f.), der Senat habe im Beschluss vom 19. September 2012 (a.a.O.) nicht in derselben Besetzung wie im Beschluss vom 23. August 2012 (a.a.O.) entschieden und damit gegen die gesetzliche Spruchkörperbesetzung nach § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO verstoßen, geht dies fehl. Diese Vorschrift war nicht anwendbar. Nach der Regelung des § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO wirken zwar, sofern es um eine Entscheidung über eine Tatbestandsberichtigung im Sinne von § 119 Abs. 1 VwGO geht, nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Der Senat hat jedoch im Beschluss vom 19. September 2012 (a.a.O., BA S. 2) nicht über eine Tatbestandsberichtigung entschieden. Vielmehr hat er das Begehren des Antragstellers dahin gewürdigt und verstanden, dass es nicht auf eine Tatbestandsberichtigung im Sinne von §§ 119 und 122 VwGO gerichtet war. Zudem kam nach den Ausführungen des Senats eine Tatbestandsberichtigung des Beschlusses des Senats vom 23. August 2012 (a.a.O.) - selbst wenn man den Antrag des Antragstellers als solchen angesehen hätte - von vornherein nicht in Betracht, weil der Beschluss keine Darlegungen enthielt (und auch nicht zu enthalten brauchte), die als tragende tatsächliche Feststellungen im Sinne des § 119 VwGO und damit als Tatbestand zu verstehen waren, sondern sich zulässigerweise auf eine rechtliche Bewertung des zur Kenntnis genommenen Vorbringens des Antragstellers beschränkten.

Auch im Übrigen ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers (Schriftsätze u.a. vom 5., 7., 8. und 10. Oktober 2012) noch aus sonstigen Umständen Hinweise darauf, dass der Senat bei der Fassung des Beschlusses vom 19. September 2012 (a.a.O.) nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen ist oder bestimmte Richterinnen und Richter an der Entscheidung nicht hätten mitwirken dürfen.

3. Die vom Antragsteller im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 (a.a.O.) gestellten Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung sind unzulässig und der diesbezügliche Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist jedenfalls unbegründet.

a) Die Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung sind rechtsmissbräuchlich. Der Antragsteller hat bereits im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2012 (a.a.O.) einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung gestellt. Hierzu ist er mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2012 (a.a.O.) beschieden worden. Darin hat der Senat ausgeführt, dass - selbst wenn man den Antrag des Antragstellers dahin auszulegen hätte, dass er eine Tatbestandsberichtigung im Sinne von § 119 Abs. 1 VwGO begehrt - eine solche Berichtigung des Beschlusses des Senats vom 23. August 2012 (a.a.O.) aus den oben genannten Gründen von vornherein nicht in Betracht käme. Nichts anderes gilt - und dies musste sich dem Antragsteller als Rechtskundigem ohne Weiteres erschließen - für den Beschluss des Senats vom 19. September 2012 (a.a.O.). In diesem Beschluss (BA S. 3) hat der Senat darüber hinaus den Antrag des Antragstellers, den Beschluss vom 23. August 2012 (a.a.O.) zu ergänzen (§§ 120 und 122 Abs. 1 VwGO ), als unbegründet angesehen. Mit dem nunmehr formelhaft wiederholten Antrag auf "Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung" des Beschlusses vom 19. September 2012 (a.a.O.) bringt der Antragsteller keinerlei neue oder auf diesen Beschluss bezogene Gesichtspunkte vor, sondern wiederholt nur formelhaft den Antrag, den er bereits erfolglos zu dem Beschluss des Senats vom 23. August 2012 (a.a.O.) gestellt hat. Er hat auch weder ansatzweise zu erkennen gegeben, was er an Substantiellem künftig vorbringen könnte, noch ist dies sonst ersichtlich. Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung ist deshalb rechtsmissbräuchlich und insoweit unbeachtlich; er kann daher auch nicht zu einer Bindung des Gerichts an die Regelung des § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO führen. Dass ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt, ergibt sich überdies aus dem widersprüchlichen prozessualen Verhalten des Antragstellers, der einerseits - wie er nunmehr geltend macht - (trotz der offensichtlich mangelnden Erfolgsaussichten) eine Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung durch die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts anstrebt, die den Beschluss vom 19. September 2012 (a.a.O.) gefasst haben, zugleich aber sämtliche Richter, die in dieser Besetzung entschieden haben, gerade wegen der Mitwirkung an demselben Beschluss wegen Befangenheit ablehnt.

b) Aus den zuvor genannten Gründen sind die im Hinblick auf die (weitere) Begründung der Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Beschlussergänzung gestellten Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls unbegründet, weil diese Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO .